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25.05.2015 | 08:15 | Deutscher Mühlentag 

Nur noch wenige gewerbliche Windmühlen in Niedersachsen

Ruttel-Zetel - Peter Egenhoff steht auf der Galerie und blickt prüfend zur Windrose hinauf. Dann greift er zur Kette und löst die Bremse. Langsam nehmen die Flügel seines 150 Jahre alten Holländers Fahrt auf.

Mehlproduktion
Sie strahlen Gemütlichkeit aus und kommen erst ab Windstärke vier richtig in Gang. Die letzten gewerblichen Windmühlen Niedersachsens werden meist als Familienbetriebe geführt. (c) proplanta
Langsam nehmen die Flügel seines 150 Jahre alten Holländers Fahrt auf. Der Müllermeister aus Zetel gehört zu den letzten gewerblichen Windmüllern Niedersachsens. Mit Windkraft mahlt, quetscht und schrotet er Getreide oder treibt das Sägewerk an.

«Wir brauchen drei bis vier Windstärken. Ab Windstärke acht stellen wir ab. Dann spielt der Wind mit der Mühle», sagt der 56-jährige Egenhoff. «Wenn sich die Windstärke verdoppelt, quadriert sich die Kraft der Mühle.» Früher lief alles mit Windkraft. Heute geht es nicht ohne Elektromotor. Der kommt beispielsweise bei den Förderanlagen zum Einsatz - und bei Windflauten.

«Ohne Strom zu arbeiten, würde heute in dieser schnelllebigen Zeit nicht funktionieren», meint Eckhard Meyer, Windmüller aus Bardowick (Kreis Lüneburg).

Familie Egenhoff übernahm die Mühle 1932, mittlerweile arbeitet dort die dritte Generation. Mehl und Backschrot gehen im hauseigenen Laden über die Theke und werden im Mühlencafé zu Spezialitäten wie Buchweizentorte verarbeitet.

Weiter westlich, im ostfriesischen Großefehn (Kreis Aurich), steht die Windmühle Spetzerfehn der Familie Steenblock. «Wir decken 80 bis 85 Prozent mit Windkraft ab», sagt Hajo Steenblock. Der Betrieb hat sich auf die Herstellung von Futtermitteln spezialisiert. Sie werden im angegliederten Landhandel verkauft. «Wir verarbeiten im Moment mehr Getreide als vor 20 Jahren. Derzeit sind es 500 bis 600 Tonnen im Jahr.»

Unter den Kunden sind zunehmend private Tierhalter. Sie kaufen Geflügel- und Pferdefutter. Gerade junge Familien schaffen sich wieder Hühner an, so die Beobachtung. Ein Wettbewerbsvorteil ist die nostalgische Herstellungsart nach Steenblocks Meinung nicht. «Die Kundschaft findet das Windmüllern zwar nicht schlecht, aber Preis und Qualität müssen stimmen.»

Außerdem gucken die Behörden bei den Windmüllern ganz genau hin. «Je mehr ich mahle, umso mehr Auflagen muss ich erfüllen, wegen der alten Technik, zwecks Risikovermeidung. Da habe ich viel Papierkram», seufzt Egenhoff.

«So eine Mühle hat ja noch was Menschliches, strahlt Wärme aus», schwärmt Eckhard Meyer, der die Familienmühle in Bardowick im Landkreis Lüneburg 1996 übernahm. «Die Leute sind begeistert, weil es nach Mehl riecht, und weil es rattert und klappert.» Er blickt optimistisch in die Zukunft. «Der Trend zur Regionalität kommt uns zugute», meint der Chef von über 20 Mitarbeitern.

Der Müllermeister ermuntert die «Freiwilligen Müller», öfter mal zu mahlen. «Dann würde man auch als Museumsmüller mehr Wertschätzung bekommen», ist seine Überzeugung. Freiwillige Müller kümmern sich nach Absolvierung eines 160 Stunden umfassenden Theorie- und Praxiskurses ehrenamtlich um historische Wind- und Wassermühlen. Damit sie nicht verrotten, müssen die Industriedenkmäler «gehen».

«Im Müllerberuf wird das Arbeiten mit Wind und Wasser nicht mehr gelehrt», bedauert Eckhard Meyer. «Unsere Mühle ist über 200 Jahre alt, man muss eins werden mit der alten Dame.» Die Müller vertrauen auch auf ihr Gehör. «Wenn sich der Klang verändert, stimmt etwas nicht. Man muss immer ein Ohr am Rüttelschuh haben», sagt Egenhoff.

Der Rüttelschuh ist eine pendelnde Holzlade, die das Getreide zum Mahlstein leitet. An ihrem klappernden Rhythmus erkennt Egenhoff, wie schnell seine Mühle läuft und ob er den Mahldruck durch Zusammen- oder Auseinanderfahren der Mühlsteine verändern muss. «Das ist unsere Musik.» (dpa)
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