Die Sorgen der TTIP-Gegner müssen nach Ansicht von Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) stärker von der Wirtschaft berücksichtigt werden. «Und sie muss jetzt aktiv auf die Verhandlungen einwirken, Druck machen und für ein Ergebnis sorgen, das die TTIP-Kritiker mitnimmt», sagte der Minister am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. «Die bisherige TTIP-Werbung der Wirtschaftsverbände und der Bundesregierung geht an den Sorgen der Menschen vorbei.»
Rund 1.100 Menschen protestierten am Samstag nach Polizeiangaben in Stuttgart gegen das geplante Abkommen zwischen den USA und der EU. In Ulm demonstrierten laut Veranstalter mehr als 1.200 Menschen mit Kochlöffeln, Ratschen und Trillerpfeifen in der Innenstadt - auch mehr als ein Dutzend Bauern mit ihren Trecker nahmen teil. «Alles Landwirte, die grüne
Gentechnik ablehnen, und befürchten, dass die Gentechnik mit TTIP durch die Hintertür kommt», sagte Theo Düllmann vom regionalen Stop-TTIP-Bündnis. An einer Fahrrad-Demo durch Karlsruhe beteiligten sich laut Polizei 400 TTIP-Gegner. Auch in Freiburg und Heidelberg gab es Aktionen.
Heute beginnt in New York die neunte TTIP-Verhandlungsrunde. Es geht um den Abbau von Hemmnissen im transatlantischen Handel und die Ankurbelung grenzüberschreitender Investitionen in diesem Raum. Umwelt- und Verbraucherschützer befürchten dabei ein Absenken sozialer, rechtlicher und ökologischer Standards. «Es darf nicht sein, dass unsere europäischen Umwelt- und Verbraucherstandards für ein noch so gut gemeintes Freihandelsabkommen einfach über Bord geworfen werden», sagte Bonde.
Die Verbraucher wollten «keine Gentechnik auf Acker und Teller, wollen keine Rechtsverfahren vor intransparenten Schiedsgerichten und akzeptieren keine Aushöhlung von demokratischen Entscheidungsprozessen». «Nur wenn es gelingt, diese Verbraucherinteressen zu wahren, kann ein Freihandelsabkommen mit den USA erfolgreich sein.»
«Es ist gut wenn sich die Menschen mit TTIP beschäftigen, denn es ist ein ergebnisoffener Verhandlungsprozess, betonte Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich (SPD). Dabei müsste mit Mythen von Befürwortern wie Gegner aufgeräumt werden. «Was Transparenz und Beteiligung angeht haben wir bereits Verbesserungen erreicht. Das sollten die Kritiker jetzt auch nutzen, um sich in die Debatte inhaltlich und nicht nur symbolisch einzubringen.» Die Landesregierung werde in einem Beirat wahrscheinlich von Ende Mai an Befürworter und Gegner zu Wort kommen lassen.
Weltweit gingen Zehntausende TTIP-Gegner an dem internationalen Aktionstag auf die Straße. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac sprach von rund 750 Aktionen in etwa 45 Ländern, davon gut 230 in Deutschland. In Berlin bildeten die TTIP-Gegner eine Menschenkette vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor.
Dagegen warben deutsche Spitzenmanager vehement für das Abkommen und hoben die Chancen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum hervor. So warnte der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche: «Wenn sich die USA eher in Richtung Pazifik orientieren, wird das die Rolle Europas auf der Weltbühne gewiss nicht stärken. Deshalb ist TTIP nicht nur Kür, sondern Pflicht.»
Auch
CDU und FDP im Südwesten verteidigten das geplante Abkommen. «Baden-Württemberg ist wie kein anderes Bundesland auf den Freihandel angewiesen. Die Vereinigten Staaten sind für unsere exportorientierte mittelständische Wirtschaft nach wie vor ein entscheidender Handelspartner», sagte FDP-Landeschef Michael Theurer. Durch die gegenseitige Anerkennung von Standards könnten gerade kleine und mittlere Unternehmen von bürokratischen Aufwand entlastet werden.
CDU-Landeschef Thomas Strobl forderte die grün-rote Regierung auf, für den «wirtschaftspolitischen Meilenstein» TTIP zu werben. «Statt dessen macht Herr Bonde mal wieder in bester grün-roter Manier, was diese Landesregierung am besten kann: selbst nix machen und nach dem Bund jaulen.» (dpa/lsw)