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06.01.2011 | 10:33 | Dioxin-Skandal 

240.000 belastete Eier in Bayern

Berlin - Bis zu 150.000 Tonnen Futter mit krebserregendem Dioxin haben in Deutschland Unmengen von Schweinefleisch und Geflügelprodukten verseucht.

Eier
Gegen die Herstellerfirma Harles und Jentzsch sowie ein weiteres Unternehmen ermitteln Staatsanwälte. Fahnder durchsuchten am Mittwoch die Betriebe nach Beweisen für Straftaten. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) bezweifelt, dass das Dioxin durch einen Fehler beigemischt wurde, wie das Unternehmen behauptet. 

Weiter unklar ist, woher das Dioxin in dem Zusatzfett stammt. Die Länder, die für Lebensmittelkontrollen zuständig sind, suchten fieberhaft nach verdächtigen Produkten auf Höfen und in Geschäften. Das ganze Ausmaß des Skandals ist weiter nicht abzusehen.

Die Verbraucher reagieren mit Vorsicht und meiden im Supermarkt Eier und Geflügelprodukte. Der Einzelhandel sieht noch keinen Grund für eine groß angelegte Rückrufaktion. Mehr als 1.000 landwirtschaftliche Betriebe sind inzwischen gesperrt.

Bei rund 240.000 in Bayern sichergestellten Eiern hat sich der Verdacht auf Dioxin bestätigt. Wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen am Mittwoch berichtete, liegt der bei Proben festgestellte Dioxingehalt teilweise dreimal so hoch wie der zulässige Grenzwert. Die Eier dürften daher nicht verkauft werden. Ein Oberpfälzer Großhändler hatte die Eier von einem Betrieb in Niedersachsen erhalten. Der Verbleib von weiteren 22.000 Eiern war zunächst noch nicht geklärt.

Das Landwirtschaftsministerium von Schleswig-Holstein erließ ein sofortiges Schlachtverbot für Schweinemastbetriebe. 51 Agrarbetriebe und 8 landwirtschaftliche Genossenschaften im Norden hatten über einen Hamburger Händler dioxinbelastetes Futter bezogen.

Ein Hamburger Hersteller belieferte fast 140 Kunden in Norddeutschland mit Futtermitteln, die Spuren von Dioxin enthalten haben. Im einzelnen waren es sechs Abnehmer in Mecklenburg-Vorpommern, 74 in Niedersachsen und 59 in Schleswig-Holstein.

Bis zu 3.000 Tonnen belastetes Fett wurden nach Ministeriumsangaben an insgesamt 25 Hersteller von Tierfutter geliefert. Das Fertigfutter ging an Legehennen- und Schweinemastbetriebe in Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Mit 3.000 Tonnen Fett können hochgerechnet insgesamt 150.000 Tonnen Tierfutter angereichert werden. Zum Mengenvergleich: Ein Huhn pickt bis zu 160 Gramm pro Tag. Für die 26,4 Millionen Legehennen (Dezember
2009) in Deutschland reichen 150.000 Tonnen Futtermittel rund 47 Tage.

Polizisten und Staatsanwälte durchsuchten nach dpa-Informationen am Mittwoch das Betriebsgelände von Harles und Jentzsch in Uetersen (Schleswig-Holstein). Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt gegen die Leitung des Unternehmens. Es soll technische Mischfettsäuren, die für die Papierherstellung bestimmt waren, für Futtermittel verwendet haben.

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe bestätigte der dpa eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung. Das betreffe auch einen Betrieb im niedersächsischen Bösel, sagte Behördensprecher Friedrich Wieduwilt. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg ergaben dort einen Anfangsverdacht gegen eine Spedition, die mit Harles und Jentzsch zusammenarbeite. Den Geschäftsführern werden Verstöße gegen das
Lebens- und Futtermittel-Gesetzbuch vorgeworfen. Aus Tanklagern nahmen Ermittler Proben. Sie stellten die Korrespondenz und Lieferunterlagen mit Harles und Jentzsch sicher.

Auf die Frage, ob es sich bei dem Skandal um kriminelle Energie handle, sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner: «Ich halte es nicht für glaubwürdig, was hier gesagt worden ist.» Mehr Kontrollen hält sie nicht für nötig. Auch Niedersachsens Agrarministerium erhob neue Vorwürfe gegen Harles und Jentzsch. Die Darstellung, da hat einer den falschen Hahn aufgedreht, erscheint uns sehr unglaubwürdig», sagte Sprecher Gert Hahne in Hannover.

Das Futtermittel ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht in Länder der EU gegangen. Allerdings wurden Anfang Dezember 136.000 verdächtige Eier in die Niederlande geliefert, wo sie aber nicht in den Handel gelangten.

Unterdessen hat der Deutsche Bauernverband (DBV) seine Forderung nach Entschädigungen bekräftigt. «Wer den Schaden verursacht hat, muss ihn auch bezahlen», sagte Generalsekretär Helmut Born dem Berliner «Tagesspiegel» (Donnerstagausgabe). «Wir werden gegenüber den Futtermittelbetrieben ganz sicher vorstellig werden», kündigte er an.

Der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, Thüringens Minister Jürgen Reinholz (CDU), forderte härtere Strafen für Futtermittel-Panscher. «Das Strafmaß sollte man deutlich höher legen, weil der Abschreckungseffekt einfach da sein muss.» Bisher drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden.

Für Christiane Groß von der Verbraucherorganisation Foodwatch ist der Skandal angesichts mangelnder politischer Konsequenz keine Überraschung. «Der eigentliche Skandal ist, dass wir regelmäßig solche Dioxin-Skandale haben», sagte sie im Nachrichtensender n-tv.

Die Bundesregierung versuchte, die Verbraucher zu beruhigen. «Wir kennen nicht die Ursache für die Dioxinkontamination», sagte der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin. Der Genuss von Eiern gefährde die Gesundheit akut nicht, betonte er. Es wäre «völlig überzogen», auf den Genuss von Eiern und Fleisch zu verzichten. Mit den Ländern soll geprüft werden, ob es für die Hersteller Verschärfungen geben muss.

Auch der Lebensmittelhandel war bemüht, die Kunden zu beschwichtigen. «Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht. Deswegen ziehen die Unternehmen auch nicht flächendeckend Ware aus dem Verkehr», erklärte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE) in Berlin.

Ketten wie Edeka, Tengelmann und Rewe hatten mitgeteilt, bislang nicht von dioxinverseuchten Geflügelprodukten betroffen zu sein. Der Verkauf von Hühnereiern ist schon «spürbar» gesunken, wie die landwirtschaftliche Marktberichterstattungsstelle MEG berichtete.
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