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05.10.2019 | 09:25 | Wurstproduktion 

Angst nach Keimfunden in Wurst reißt nicht ab

Korbach / Berlin / Utrecht - Auf der Internet-Startseite des nordhessischen Wurstherstellers Wilke ist am Freitagmittag die Welt noch in Ordnung: «Enjoy foods» («Genieße Lebensmittel») steht dort, darunter ein Foto von einem Mann, der an einer Wurst riecht.

Wurstherstellung
Nach Todesfällen durch Bakterien in Wurst suchen Behörden nach der Keimquelle. Gleichzeitig gerät das Krisenmanagement in die Kritik. Auch im Nachbarland Niederlande sorgen Todesfälle durch Keime in Fleischprodukten für Aufregung. (c) proplanta
Kein Wort zum Fund von Listerienkeimen, kein Wort zur weltweiten Rückrufaktion aller Produkte. Zu diesem Zeitpunkt ist die Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH in Twistetal-Berndorf bereits schwer angeschlagen. Listerien (Listeria monocytogenes) können für Personen mit schwachem Immunsystem lebensgefährlich sein.

Die Firma beschäftigt nach Zahlen auf ihrer Website rund 200 Mitarbeiter. Das Unternehmen habe die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens beantragt, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts Korbach. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Kassel wegen fahrlässiger Tötung. Es gebe einen Anfangsverdacht, sagte eine Sprecherin. Dieser richte sich noch nicht gegen eine konkrete Person.

Laut Behörden gibt es 37 Krankheitsfälle, die möglicherweise mit Wurstwaren der Firma im Zusammenhang stehen. In Südhessen hatte es zwei Todesfälle bei älteren Personen gegeben, die das Robert-Koch-Institut (RKI) untersuchte.

Man sei «aufgrund der Daten des Robert-Koch-Instituts zu dem Schluss gekommen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Todesfällen und dem Verzehr von Wurstprodukten besteht», sagte Hartmut Wecker, Sprecher des Kreises Waldeck-Frankenberg.

Am Dienstag hatten Behörden die Produktion gestoppt. Laut Wecker habe man schnell reagiert: «Da ist nicht lange abgewartet worden.» Wilke war schon länger im Fokus, bereits im März habe es einen bestätigten Listerienfund gegeben. Trotzdem steht das Krisenmanagement in der Kritik: Die Verbraucherorganisation foodwatch wirft den Behörden und Wilke «schwere Versäumnisse» vor. Es sei inakzeptabel, dass keinerlei Angaben zu Verkaufsstellen der Produkte gemacht worden seien. Auch gebe es bislang keine Liste der betroffenen Produkte.

Behörden hatten erklärt, eine Liste sei nicht nötig, da alle Produkte von Wilke als solche deklariert seien. Waren unter anderen Markennamen seien nicht bekannt. Das Unternehmen selbst hatte in einer Mitteilung alle Waren mit der Kennzeichnung DE EV 203 EG zurückgerufen. Produkte seien auch in loser Form an Fleischtheken und Großküchen geliefert worden.

Entgegen der Annahme der Behörden verkaufte Wilke aber unter fremdem Namen. Der Großhändler Metro nahm nach eigenen Abgaben alle Wilke-Produkte aus dem Sortiment - darunter seien Metro-Eigenmarken gewesen, sagte eine Sprecherin. Metro nehme aber bei diesen Waren eigene Stichproben und da sei Wilke in den vergangenen sechs Monaten nicht auffällig gewesen.

Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Infektionskrankheit meist unauffällig oder nimmt einen harmlosen Verlauf mit grippeähnlichen Symptomen. Gefährlich ist die Infektion für abwehrgeschwächte Personen: Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen, Transplantierte und Schwangere. Bei ihnen und bei Ungeborenen kann Listeriose zum Tod führen.

Woher die Keime kamen, ist unklar. Die Behörden erhoffen sich neue Hinweise. Man warte auf den Bericht der Arbeitsgruppe, die den Betrieb untersucht habe, sagte Wecker. Laut Robert-Koch-Institut schwankt die Zahl der Infektionen - der Listeriose - zwischen 300 und 600 Fällen pro Jahr. Im Durchschnitt endeten sieben Prozent tödlich. «Die Listeriose gehört damit zu den meldepflichtigen Erkrankungen mit der höchsten Letalität», so das RKI.

Auch in den Niederlanden werden Todesfälle durch die Keime gemeldet - ohne Bezug zu Wilke: In den vergangenen zwei Jahren waren in den Niederlanden drei Menschen durch Listerien in Wurstwaren gestorben und eine Frau hatte eine Fehlgeburt erlitten. Das teilte das Reichsinstitut für Volksgesundheit und Umwelt RIVM am Freitag in Utrecht mit. Der Aufschnitt kam danach von einer Firma in Aalsmeer. Der Betreib wurde vorläufig stillgelegt. Insgesamt soll es 20 Fälle von Infektionen durch Waren dieser Firma gegeben haben, so das RIVM.

Erst seit kurzem gibt es eine technische Methode, mit der man die Quelle der Verunreinigung ermitteln kann. Dabei hatte die niederländische Gesundheitsbehörde durch DNA-Analysen den genauen Typus der Bakterie identifizieren können. Die Daten wurden wiederum mit den DNA-Proben der Aufsichtsbehörde für Nahrungsmittel verglichen. Und die Spur führte zu der Firma in Aalsmeer.

«Wir hatten schon den Eindruck, dass da Dinge nicht in Ordnung waren», sagte ein Sprecher der Aufsichtsbehörde dem niederländischen Radio. Das Unternehmen soll zwar Maßnahmen gegen die Bakterie genommen haben, aber offenbar nicht genug. Denn am Donnerstag musste es Dutzende Produkte aus Supermärkten und Großhandel zurückrufen.

Eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagte der Direktor des Unternehmens Offerman, Arjen Vonk, dem niederländischen TV-Sender NOS. «Wir wollen kein einziges Risiko eingehen». Zu dem Bericht der Gesundheitsbehörde, dass drei Menschen durch Waren seines Betriebes gestorben seien, wollte er sich nicht äußern. In den Niederlanden gibt es jährlich etwa 80 Fälle von Infektionen mit Listerien.
dpa
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