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11.02.2020 | 16:01 | Produktionsausfälle 

Coronavirus: Antibiotika-Engpässe befürchtet

Peking - Produktionsausfälle in China wegen des neuen Coronavirus könnten Pharmaexperten zufolge zu Antibiotika-Engpässen in Deutschland führen.

Coronavirus Antibiotika
Wie viele Menschen sich in China tatsächlich schon mit dem neuen Coronavirus infiziert haben, ist kaum abschätzbar. Zu den Folgen gehört, dass Engpässe bei Antibiotika drohen könnten. In Asien findet zudem ein Kreuzfahrtschiff kein Land, in dem es anlegen darf. (c) Tobilander - fotolia.com
Da die Herstellung von Wirkstoffen in der stark betroffenen Provinz Hubei stillstehe, schwänden die Lagervorräte für die Weiterverarbeitung, sagte Morris Hosseini, Pharmaexperte bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger.

Erschwerend komme dazu, dass mit dem chinesischen Neujahrsfest die Produktion ohnehin ruhte. Kurzfristig reichten die Bestände noch aus, doch bei einem längerfristigen Stopp in den chinesischen Werken drohten Lieferengpässe. Am Abend gab es widersprüchliche Informationen zur Zählweise der Infektionen in China.

Weltweit sei die Pharmabranche in der Wirkstoff-Produktion abhängig von China, sagte Hosseini. «Wenn sich die Situation in den chinesischen Produktionsstätten mittelfristig nicht entspannt, wird sich die Lage in Europa zuspitzen.» Im Fall von Lieferengpässen könnten zwar indische Produzenten einspringen - aber nicht kurzfristig in der benötigten Größenordnung. Behörden sehen noch keinen Grund zur Sorge. Es lägen «bislang keine Hinweise vor, dass es aufgrund des Coronavirus zu kurzfristigen Liefer- oder Versorgungsengpässen kommen wird», teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn mit.

Die neue Lungenerkrankung bekam am Dienstag einen eigenen Namen. Sie werde nun Covid-19 genannt, sagte der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus. Covid steht für «COrona VIrus Disease». Zugleich erhielt auch das zunächst vorläufig 2019-nCoV genannte neue Coronavirus eine eigene Bezeichnung: Sars-CoV-2. Der Namensgeber des Erregers, die Coronavirus-Studiengruppe des Internationalen Komitees zur Taxonomie von Viren bezieht sich mit dem Namen Sars-CoV-2 auf die sehr enge Verwandtschaft zum Sars-Virus (wissenschaftlich: Sars-CoV), an dem 2002/2003 Hunderte Menschen gestorben waren. Die Viren sind Experten zufolge Varianten ein und derselben Virusart.

Aus Sorge vor dem Coronavirus kann in Asien ein aus Hongkong kommendes Kreuzfahrtschiff nicht andocken - obwohl keine Fälle an Bord bekannt sind. Thailands Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul erklärte am Dienstag bei Facebook, er habe untersagen lassen, dass die «Westerdam» festmacht. Zuvor hatten dies schon Taiwan und Japan verweigert, wie die Reederei Holland America Line schilderte. An Bord sind demnach rund 1.500 Gäste und 800 Besatzungsmitglieder. Darunter seien einige Deutsche, hieß es am Dienstagabend aus dem Auswärtigen Amt.

Das neuartige Coronavirus hat in China inzwischen mehr als 1.000 Menschen das Leben gekostet. 108 neue Todesfälle wurden erfasst - so viele wie nie zuvor binnen eines Tages. Nachweislich infiziert haben sich nach der offiziellen Statistik bisher gut 42 600 Menschen, knapp 2.500 mehr als noch am Vortag.

Allerdings zählt die zuständige chinesische Gesundheitskommission Menschen, bei denen das Virus mit einem Test nachgewiesen wurde, die aber keine Symptome der Lungenkrankheit zeigen, schon seit einigen Tagen nicht mehr mit - ein Vorgehen, dass klar der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) widerspricht. Die WHO betrachtet jemanden als nachweislich infiziert, wenn eine 2019-nCoV-Infektion durch ein Labor bestätigt wurde - «ungeachtet klinischer Zeichen oder Symptome», wie es heißt. Die WHO in Genf hatte zunächst keine Kenntnis von einer derartigen Änderung der Statistik. Vielmehr sei die Definition, welche Fälle gezählt werden, nach ihren Informationen erweitert worden, sagte WHO-Expertin Sylvie Briand am Dienstagabend in Genf.

Generell dürfte die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle in China immens sein. «Wir sehen nicht den echten täglichen Anstieg, sondern die tägliche Obergrenze in der Fähigkeit, neue Fälle zu identifizieren», erklärte der Coronavirus-Experte Christian Drosten von der Berliner Charité. Es könne sein, dass das Hindernis im Meldesystem die Testung ist, es könne aber auch etwas anderes sein. «Ich gebe inzwischen nichts mehr auf diese Zahlen.»

Vor dem Hintergrund von Vorwürfen über eine zu langsame Reaktion der Behörden auf den Ausbruch, der im Dezember in Zentralchina begann, gab es personelle Konsequenzen: Wie Chinas Staatsfernsehen berichtete, wurden die Chefs der Gesundheitskommission in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei entlassen. Von neuer Offenheit im Umgang mit der Epidemie lässt sich aber weiter nicht reden. So setzte die Polizei zwei chinesische «Bürgerjournalisten» fest, die im Internet über die überfüllten Krankenhäuser in Wuhan, der schwer vom Virus heimgesuchten Provinzhauptstadt von Hubei, berichtet hatten.

Wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) unter Verweis auf Familie und Freunde berichtete, hatten Polizisten den Anwalt Chen Qiushi und den Blogger Fang Bin «unter dem Vorwand der Quarantäne abgeholt». Seither seien beide nicht mehr über ihr Handy erreichbar, was in Isolation möglich sein müsste. Die Videos von Fang Bin, der auch Leichensäcke gefilmt hatte, waren um die Welt gegangen.

Chen Qiushi schilderte in einem Video: «Es gibt nicht genug Gesichtsmasken, nicht genug Schutzanzüge, nicht genug Material und was noch wichtiger ist, nicht genug Tests.»

Der Chef der WHO rief die Welt zu Solidarität auf. «Es geht jetzt nicht um Publikationen, Patente und Profite», sagte Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag zum Auftakt eines Expertengipfels in Genf. «Jetzt geht es darum, den Ausbruch zu stoppen und Leben zu retten.

Mit Ihrer Unterstützung können wir das hinbekommen.» In Genf tagen bis Mittwoch Experten aus aller Welt, um die Erforschung des Virus voranzubringen und möglichst die Grundlage zur Entwicklung eines Impfstoffs zu legen.

Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber, fehlt der EU ein gemeinsames Vorgehen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Bisher habe es lediglich nationale Reaktionen und keine koordinierte Antwort gegeben, sagte Weber am Rande der EU-Parlamentswoche in Straßburg.

Die EU hat bei der Reaktion auf das Coronavirus generell nur wenig Kompetenz, diese liegt primär bei den Mitgliedsstaaten selbst. Die EU-Gesundheitsminister werden am Donnerstag zu einem Sondertreffen in Brüssel erwartet, auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will teilnehmen.
dpa
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