Das Jahr der Lebensmittelskandale neigt sich zu EndeParis - Bakterien in Mandelkuchen, Schweinefleisch in der Elch-Lasagne, falsch deklarierte Eier oder tonnenweise vergifteter Futtermais: Die Serie der Lebensmittelskandale hat auch 2013 kein Ende genommen. |
(c) proplanta Am stärksten verunsicherte die Verbraucher vermutlich die Entdeckung von Pferdefleisch in Fertiggerichten und anderen Produkten. Wenig beruhigend klang für viele, dass Pferdefleisch an und für sich keineswegs gesundheitsschädlich ist.
Der erste Hinweis auf den dreisten Betrug kam aus Irland. Die dortige Lebensmittelaufsicht FSAI teilt Mitte Januar mit, in Hamburgern aus britischen und irischen Supermärkten seien Spuren von Pferdefleisch gefunden worden. Kurze Zeit sieht alles nach einem örtlichen Skandal aus - aber nicht lange.
In immer mehr Ländern entdecken Kontrolleure wenig später Pferdefleisch in Fertigprodukten, in Deutschland werden Mitte Februar erstmals Spuren in einer Tiefkühl-Lasagne mit angeblicher Rindfleischfüllung festgestellt. Bei Untersuchungen in den folgenden Wochen folgt ein aufsehenerregendes Ergebnis dem nächsten.
Neben tiefgefrorenen Fertigprodukte wie Chili con Carne und Spaghetti Bolognese werden auch Dönerspieße, Rindergulasch, Corned Beef aus der Dose und ein Produkt aus frischem Hack positiv auf Pferde-DNA getestet. Die Spuren führen zu einem Betrieb aus Frankreich, der Fleisch unter anderem aus Rumänien bezog - angeblich ohne zu wissen, dass es von Pferden stammt.
Als gerade alles vorbei zu sein scheint, schlägt erneut eine Nachricht ein wie eine Bombe. Die niederländischen Behörden berichten, ein Großhändler habe womöglich mehr als zwei Jahre lang Pferdefleisch falsch etikettiert und verkauft. Rund 50 Millionen Kilogramm Fleisch aus mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland, werden vorsorglich zurückgerufen. Nach jüngsten Ermittlungen soll die Firma von 2011 bis Anfang 2013 rund 300.000 Kilogramm Pferdefleisch falsch deklariert haben.
Dass aus den jüngsten Skandalen weitreichende Konsequenzen gezogen würden, ist nicht absehbar. Viele deutsche Politiker forderten zwar wieder einmal schärfere Kontrollen und härtere Strafen. Wegweisende Entscheidungen in diese Richtung gab es bislang allerdings nicht. In französischen Regierungskreisen wird Deutschland sogar vorgeworfen, aus Rücksicht auf die Industrie Vorschläge für neue EU-Kennzeichnungspflichten zu blockieren.
Paris will Kunden von fleischhaltigen Lebensmitteln besser darüber informieren, wo die Tiere gehalten, geschlachtet und zerteilt wurden. Die Industrie hält das für zu aufwendig.
«Ein Scheingefecht», kommentiert Andreas Winkler von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Er und seine Mitstreiter fordern, dass Supermarkt-Ketten und andere Händler Kontrollpflichten und damit Verantwortung bekommen sollten. Zudem sei mehr Transparenz gefragt.
«Jahr für Jahr wird bei den amtlichen Kontrollen jeder vierte Lebensmittelbetrieb beanstandet - ohne dass sich an dieser traurigen Quote irgendetwas verbessert», kritisierte der stellvertretende Foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt jüngst zur Vorstellung des Jahresbericht der Lebensmittelüberwachung.
Er sieht die Veröffentlichung sämtlicher Kontrollergebnisse als einzige Möglichkeit, die seit Jahren gleich hohe Beanstandungsquote zu senken. «Solange Verbraucher nicht erfahren, wer die Gammelfleischhändler, Pferdefleischpanscher oder Schmuddelwirte sind, fehlt der Anreiz für die Betriebe, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.»
Der Pferdefleisch-Skandal ist unterdessen noch nicht vollständig aufgeklärt. Der niederländische Großhändler Willy Selten muss zwar eine Haftstrafe fürchten. Er beteuert allerdings seine Unschuld und der Prozess steht noch aus. Und in Frankreich schaffte es der Betrieb Spanghero, die Aufmerksamkeit auf drohende Arbeitsplatzverluste wegen abgesprungener Kunden zu lenken.
Was für einen Schaden der Skandal bei betrogenen Herstellern und Händlern anrichtete, ist nicht bekannt. Möglicherweise hat er manche Menschen aber auch erst neugierig auf das als zart und fettarm geltende Pferdefleisch gemacht. Der französische Designer Jean-Paul Gaultier erklärte jüngst in einem Interview: «Ich esse zum Beispiel sehr gern Pferdefleisch.» Besonders pikant klingt das, wenn man seinen Namen Deutsch ausspricht. (dpa)
|
|
|
|
|