Mit Krisen kennt sich Walter Lindner aus. Mit Afrika auch. Und so kommt es, dass der 57-Jährige jetzt nicht mehr Deutschlands Botschafter in Venezuela ist, sondern Ebola-Beauftragter der gesamten Bundesregierung. Angesichts von mehr als 3.860 Seuchen-Toten in Westafrika gibt es für den neu geschaffenen Posten ziemlich gute Gründe. Zumal auch die Sorge wächst, dass das Virus nach Deutschland gelangen könnte.
Lindner selbst erfuhr vergangene Woche durch einen Anruf von Außenminister Frank-Walter
Steinmeier von den Plänen für seine neue Verwendung. In Caracas war es da morgens um fünf, er lag noch im Bett. Lange Bedenkzeit benötigte er nicht, zumal zu den Grundsätzen des Berufsdiplomaten zwei Dinge gehören: «Wenn der Minister ruft, sagt man nicht Nein.» Und: «Wenn's kracht, müssen wir da hin.»
Mit dieser Einstellung hat der gebürtige Münchner - unabhängig von seinem SPD-Parteibuch - im Auswärtigen Amt Karriere gemacht. Der Grüne Joschka Fischer machte ihn zu seinem Sprecher, Steinmeier in seiner ersten Amtszeit zum Botschafter in Kenia, der FDP-Mann Guido Westerwelle zum Krisen-, zum Afrika-Beauftragten und schließlich zum Botschafter in Venezuela.
Jetzt ist Lindner, der im eigenen Haus durch Bart und Pferdeschwanz immer noch auffällt, wieder zurück in Berlin. Oder vielmehr nicht. Nach der offiziellen Ernennung durchs Kabinett am Mittwoch bereitet er gleich die erste Reise ins Krisengebiet vor. Am Sonntag soll es losgehen, eine Woche lang, auch in die besonders schlimm betroffenen Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone.
Parallel dazu ist der Vater einer Tochter damit beschäftigt, einen «Ebola-Sonderstab» aufzubauen. Lindner legt Wert darauf, dass nicht nur die Ressorts mit Ebola-Zuständigkeit (wie Verteidigung, Inneres, Gesundheit oder Entwicklungshilfe) dabei sind, sondern auch Fachwissen von außerhalb herangezogen wird. Derzeit tagt der reguläre Krisenstab zum Thema Ebola nur ein Mal pro Woche. An Geld stehen bislang 17 Millionen Euro zur Verfügung.
Mit der Debatte um bisherige Versäumnisse will er sich nicht aufhalten. Dass das Ausmaß der Epidemie auch von der Bundesregierung zu spät erkannt wurde und die Arbeit der verschiedenen Ministerien noch deutlich besser verzahnt werden kann, lässt sich ernsthaft auch nicht bestreiten. «Krisen gibt es immer», sagt Lindner entschuldigend dazu. «Aber Ebola ist doch etwas Besonderes.» Bei all den schlimmen Bildern sieht er für Panik aber keinen Grund.
Inzwischen gibt es auch in anderen Nationen Ebola-Beauftragte. Die Vereinten Nationen haben sogar gleich zwei Ebola-Hauptverantwortliche, die beiden Briten David Nabarro und Anthony Banbury. Die Koordination der internationalen Hilfe dürfte zu den schwierigsten Aufgaben gehören. Große Sorgen und guter Wille bedeutet nicht, dass tatsächlich viel Gutes passiert.
Wie lange die Arbeit dauern wird? Auch Lindner hat noch keine Ahnung hat. Nur so viel: «Wann der Kampf gegen Ebola gewonnen sein wird, kann im Moment niemand sagen. Wir brauchen einen langen Atem.» Noch lautet sein offizieller Titel Botschafter in Venezuela, zur Zeit auf Dienstreise. Aber an eine Rückkehr nach Caracas glaubt er selbst nicht mehr. (dpa)