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19.03.2020 | 11:00 | Coronakrise 

Droht eine Ausgangssperre für ganz Bayern?

München - Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus droht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun ganz konkret mit einer Ausgangssperre für den ganzen Freistaat.

Coronakrise Ausgangssperre Bayern
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Ungeachtet der raschen Ausbreitung des Coronavirus halten sich viele Menschen noch nicht an die neuen Auflagen. Markus Söder droht nun mit einem drastischen Mittel. Der Landtag zeigt in der Krise Einigkeit. (c) proplanta
«Wenn sich viele Menschen nicht freiwillig beschränken, dann bleibt am Ende nur die bayernweite Ausgangssperre als einziges Instrumentarium», sagte Söder am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Landtag in München.

Man werde «nicht endlos zusehen», betonte Söder. Es gelte ein ganz einfacher Grundsatz: Menschen sollten nur noch zur Arbeit, für Arztbesuche, zum Lebensmitteleinkauf oder zur Hilfe für andere das Haus verlassen. Man könne auch nach draußen gehen - «aber wenn es geht eben allein». «Und bitte: Bleiben Sie sonst zu Hause, und laden Sie auch niemanden ein.» Eine Ausgangssperre galt am Donnerstag aber schon für drei Gemeinden in der Oberpfalz und in Oberfranken.

In nahezu beispielloser Einigkeit riefen Söder und die Vorsitzenden aller Fraktionen die Menschen in Bayern auf, Verantwortung zu zeigen, Abstand zu anderen Menschen zu halten und soziale Kontakte einzudämmen, um gemeinsam die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Söder sprach von einer historischen Bewährungsprobe und betonte, jeder könne und jeder müsse in dieser Krise seinen Beitrag leisten.

Im Eiltempo gab der Landtag am Donnerstag grünes Licht für ein zehn Milliarden Euro schweres Hilfspaket für die bayerische Wirtschaft. Dazu kann die Staatsregierung zehn Milliarden Euro Schulden machen, die Schuldenbremse wird für ein Jahr faktisch außer Kraft gesetzt - diese Möglichkeit sieht die Landesverfassung für «Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen» ganz ausdrücklich vor.

Söder verlangte aber auch vom Bund ein 100 bis 150 Milliarden Euro schweres Hilfspaket, um die Folgen der Corona-Krise für die Wirtschaft abzumildern. Zudem forderte er für mindestens drei Monate die vollständige Aussetzung der Stromsteuer und der EEG-Umlage. 

Insgesamt sind nach Angaben Söders bis Donnerstagmorgen 2.282 Menschen mit dem Coronavirus infiziert worden und zehn Menschen gestorben. Seine Drohung mit einer bayernweiten Ausgangssperre begründete Söder damit, dass sich viele Menschen nicht an die neuen Auflagen und Empfehlungen hielten.

Das schöne Wetter verführe zum Treffen mit Freunden an der Isar, im Englischen Garten, am Tegernsee oder an vergleichbaren Orte in Bayern. Es liege aber an jedem einzelnen, seinen Beitrag zu leisten. Söder rief explizit auch dazu auf, auf wechselseitige Einladungen von Kindern zu verzichten. Mit scharfen Worten kritisierte er unter anderem sogenannte Corona-Partys.

Söder mahnte, im Kampf gegen die Krise müsse man soziale Kontakte ausdünnen und das öffentliche Leben herunterfahren. Nur dann könne das Gesundheitssystem den nahenden Stresstest bestehen. «Hier geht es um Leben und Tod.»

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze mahnte: «Es ist Bürgerinnen- und Bürgerpflicht, daran mitzuwirken, die Ausbreitung zu verlangsamen.» Sie appellierte: «Halten wir räumlichen Abstand - und halten wir so zusammen.»

Florian Streibl (Freie Wähler) mahnte: «Das Überleben von uns allen hängt davon ab, dass wir solidarisch sind und vernünftig sind.» Und FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte: «Stehen wir zusammen - aber bitte nicht im Wortsinn.»

Die erste Ausgangssperre in Bayern gilt seit Mittwoch in der oberpfälzischen Kleinstadt Mitterteich (Kreis Tirschenreuth). Und seit Donnerstagmittag gibt es eine solche Ausgangssperre auch in zwei Kommunen im Landkreis Wunsiedel in Oberfranken. Betroffen sind das Stadtgebiet und der Ortsteil Neuhaus in Hohenberg an der Eger.

uch für den Ortsteil Fischern, der zum Gemeindegebiet Schirnding gehört, gilt das Verbot. Grund ist jeweils eine stark und schnell steigende Zahl von Coronavirus-Infizierten. Söder betonte, Bayern wolle in keiner Kommune eine Ausbreitungslage erleben wie etwa im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen oder im österreichischen Ischgl.

Bayernweit waren seit Wochenbeginn täglich neue Auflagen und Beschränkungen des öffentlichen Lebens in Kraft getreten. Seit Montag haben alle Schulen, Kindergärten und Kitas zu. Am Dienstag mussten alle Freizeiteinrichtungen schließen, auch Sport- und Spielplätze wurden gesperrt.

Und seit Mittwoch müssen Ladengeschäfte geschlossen bleiben. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel und eine Reihe weiterer Geschäfte, die für die Grundversorgung wichtig sind. Seit Mittwoch dürfen zudem nur noch Speiselokale und Betriebskantinen öffnen, aber nur bis 15.00 Uhr. Alle Veranstaltungen sind verboten.

Sämtliche Fraktionen unterstützen diese massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens. «Nach allem, was die Wissenschaft sagt, sind diese Maßnahmen sinnvoll und notwendig», sagte etwa SPD-Fraktionschef Horst Arnold. AfD-Fraktionschef Ingo Hahn sagte, man trage alles mit, was der Allgemeinheit diene. Es gebe jetzt «die Notwendigkeit, mit allen Mitteln für das Wohl der Gemeinschaft einzustehen». Thomas Kreuzer (CSU) mahnte: «Die Starken müssen mehr denn je den Schwachen helfen.» In diesen Zeiten müsse jeder Verantwortung übernehmen.

Auch Grünen-Fraktionschefin Schulze sagte, es sei klar, dass alles unternommen werden müsse, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Sie rief, wo immer möglich, zu Homeoffice auf. Schulze mahnte aber auch, nach dem Ende der Krise müssten die aktuellen Restriktionen schnellstens wieder beendet werden. «Alle Maßnahmen werden zurückgenommen werden müssen, darauf werden wir achten.»

Auch ein neues bayerisches Infektionsschutzgesetz, das kommende Woche im Landtag beschlossen werden soll, wird nach Absprache mit allen Fraktionen bis Jahresende befristet. Bis dahin aber soll die Staatsregierung deutlich umfassendere Befugnisse im Kampf gegen die Krise bekommen: Sie kann dann einen «Gesundheitsnotstand» ausrufen. Beschlagnahmungen von medizinischem Material und der Zugriff auf medizinisches und pflegerisches Personal werden dann erleichtert.

Söder teilte im Landtag mit, dass Atemschutzmasken nun auch wieder in Bayern produziert werden. «Wir haben jetzt die Eigenproduktion in Bayern mit mittelständischen Unternehmen auf den Weg gebracht», sagte er. Spätestens ab nächster Woche starte die Produktion im Freistaat.

Über den Bund würden am Freitag 800.000 Atemschutzmasken nach Bayern geliefert. Darüber hinaus habe der Freistaat zur medizinischen Versorgung 1.000 neue Beatmungsgeräte gekauft und kaufe noch weitere.

Der Landtag tagt in der Corona-Krise nur in Schrumpf-Besetzung: An den Plenarsitzungen nimmt nur ein Fünftel aller Abgeordneten teil, um Abstände zu wahren und mögliche Ansteckungsrisiken zu minimieren.
dpa/lby
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