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27.05.2011 | 11:36 | EHEC-Infektionsquellen 

EHEC-Erreger an spanischen Gurken - weitere Quellen?

Berlin/Hamburg/Madrid - Die Experten sind auf ihrer fieberhaften Suche nach der EHEC-Quelle fündig geworden: Gurken aus Spanien sollen für die tödlichen Infektionen verantwortlich sein.

Salatgurken
An drei Salatgurken aus dem südeuropäischen Land entdeckte das Hamburger Hygiene-Institut den gefährlichen Durchfall-Erreger. «Es ist nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle infrage kommen», teilte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mit. Weitere Quellen sind möglich, Analysen laufen. Inzwischen ist ein dritter EHEC-Todesfall in Deutschland bestätigt.

Bislang starben drei Frauen in Deutschland nachweislich an den Folgen der Infektion: eine 83-Jährige in Niedersachsen, eine 89-Jährige in Schleswig-Holstein sowie eine 24-Jährige in Bremen. Nach dpa-Informationen gibt es bundesweit schon mehr als 700 Verdachts- und bestätigte EHEC-Fälle - die meisten davon in Norddeutschland.

Trotz der Funde gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung keine Entwarnung für andere Gurken, Tomaten und Blattsalate. Wer hundert Prozent sicher gehen wolle, sollte in ganz Deutschland auf den Verzehr verzichten, sagte ein Sprecher in Berlin. Solange auch die Krankenzahlen stiegen, gebe es keine veränderte Lage. Das Saarland stoppte unterdessen den Verkauf von spanischen Salatgurken. Das erklärte Staatssekretär Sebastian Pini laut Mitteilung. Am Freitag sollen Kontrolleure prüfen, ob Läden noch Gurken aus Spanien verkaufen. Der Handel würde dann gestoppt.

Das Gesundheitsministerium in Madrid leitete am Donnerstagabend eine Untersuchung ein. Die Behörden hätten sich mit zwei Agrarbetrieben in den Provinzen Málaga und Almería in Verbindung gesetzt, aus denen die kontaminierten Gurken stammen könnten. Allerdings könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Gurken in Deutschland verunreinigt worden seien, so das Ministerium.

Einer der Betriebe, aus dem eine der belasteten Gurken stammen soll, setzte sich gegen die Vorwürfe zur Wehr. «Ich habe das Gefühl, wir müssen als Sündenbock herhalten», sagte der Geschäftsführer in Málaga. Nach seinen Worten gehöre die Gurke zu einer Lieferung, die auf dem Hamburger Großmarkt zu Boden gestürzt sei. Möglicherweise sei die Gurke dabei verunreinigt worden.

Der Chef des Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, machte sich indes für schärfere Regeln für Import-Gemüse stark. «Wir fordern, dass es in der EU einheitliche Standards gibt», sagte er der «Rheinischen Post» (Freitag). «Diese Regeln müssen auch für Drittländer gelten, die zu uns liefern.» Im Gegensatz zu den sehr strengen Regeln in Deutschland würden Importe wesentlich lascher geprüft.

Unterstützung dafür kam vom verbraucherschutzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Erik Schweickert. «Es kann nicht sein, dass in Spanien bei der Lebensmittelkontrolle geschlampt wird und in Deutschland dadurch Menschen krank werden», sagte er der «Leipziger Volkszeitung» (Freitag). «Das europaweite Schnellwarnsystem für Lebensmittel muss effizienter werden.»

Nach Angaben der EU-Kommission wird eine weitere mögliche Infektionsquelle - Gurken aus den Niederlanden - untersucht. Schweden habe zehn Erkrankungen, Dänemark vier, Großbritannien drei und die Niederlande eine gemeldet.

Die Gemüsebauern im Norden zeigten sich nach den neuesten Erkenntnissen erleichtert. «Das schafft hoffentlich etwas Entspannung. Es ist ein gutes Zeichen für unsere Branche», sagte der Geschäftsführer der Fachgruppe Gemüsebau Norddeutschland, Axel Boese.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte zuletzt vor dem Verzehr von Salatgurken, Blattsalaten und rohen Tomaten insbesondere in Norddeutschland gewarnt. EHEC-Erkrankte hätten dieses Gemüse häufiger verzehrt als gesunde Vergleichspersonen.

Zahlreiche Restaurants, Kantinen, Krankenhäuser und Kindergärten haben fragliches Gemüse vom Speiseplan gestrichen. Auch viele Handelskonzerne strichen spanische Salatgurken aus ihrem Angebot.

Derweil haben Wissenschaftler der Universität Münster den grassierenden Darmkeim EHEC genau identifiziert. Es handele sich um eine seltene und veränderte Variante des Erregers, die gegen viele Medikamente resistent sei, berichtete der Mikrobiologe Prof. Helge Karch. Er leitet das Konsiliarlabor für das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das zu tödlichem Nierenversagen führen kann.

Der derzeitige Ausbruch ist nach Einschätzung des Experten sehr ungewöhnlich. Der Keim sei zwar bekannt, habe weltweit aber noch nie einen Ausbruch der Durchfall-Krankheit verursacht. In wenigen Tagen soll ein Schnelltest für die Bakterien zur Verfügung stehen.

Auch Prof. Georg Peters, der die Patienten am Universitätsklinikum Münster behandelt, verwies auf Besonderheiten: Ungewöhnlich sei, dass viele Erwachsene erkranken und drei Viertel von ihnen Frauen seien, vor allem jüngere. Bei Frauen gebe es auch häufiger Krampfanfälle als bei Männern. Zudem sei bei ihnen die Zeit zwischen dem anfänglichen Durchfall und dem bedrohlichen HUS-Syndrom kürzer als bei Männern.

Das Bundesumweltamt gibt angesichts der EHEC-Bakterien Entwarnung für die Trinkwasserversorgung. Diese Bakterien könnten wie andere Keime auch über zahlreiche Barrieren im Trinkwasser-Versorgungssystemen eliminiert werden, sagte Sprecher Stephan Haufe am Donnerstagabend.

Deutschland erlebt laut RKI derzeit den stärksten je registrierten EHEC-Ausbruch. Seit Einführung der Meldepflicht 2001 wurden jährlich zwischen 800 und 1.200 Erkrankungen registriert. Derzeit gebe es so viele Erkrankte pro Woche wie sonst in einem Jahr. Das Bakterium sei hochinfektiös, schon 10 bis 100 Keime genügen für eine Ansteckung. Zwei Drittel der Betroffenen seien Frauen.

Das Bakterium - eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli - sei hochinfektiös. Seine Gifte führen bei schweren Verläufen zu Blutarmut, Gefäßschäden und schädigen die Nieren.
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