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01.06.2011 | 15:06 | EHEC-Infektionen 

EHEC-Infektionen steigen wieder rapide an

Hamburg/Berlin/Brüssel - Die Darmseuche EHEC breitet sich wieder rapide aus. Innerhalb eines Tages stieg die Zahl der gemeldeten EHEC-Infektionen und -Verdachtsfälle bundesweit von rund 1.500 auf 2.000.

Labor
(c) Darren Baker - fotolia.com
Zugleich tappen die Experten auf der Suche nach der Quelle des gefährlichen Erregers völlig im Dunkeln. Es gebe keinen Anlass für Entwarnung, unterstrich der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, bei einer Sondersitzung des Bundestags-Verbraucherausschusses am Mittwoch in Berlin. Die Quelle sei unbekannt, und es sei nicht auszuschließen, dass sie weiter zu Infektionen führe. Erst in einigen Tagen werde sich zeigen, ob die Warnungen vor rohem Gemüse die Infektionen gebremst haben.

Niedersachsen meldete einen weiteren EHEC-Todesfall. Bereits am Sonntag starb dort eine 84 Jahre alte Patientin an der schweren EHEC-Komplikation HUS. Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) kann zu lebensgefährlichen Nieren- und Nervensystemschäden führen. Damit sind bundesweit 16 Todesfälle registriert, 14 davon waren Frauen.

Vor allem in Norddeutschland stieg die gemeldete Zahl der bestätigten Erkrankungen und der Verdachtsfälle sprunghaft an. Niedersachsen meldete am Mittwoch 344 Verdachtsfälle, das sind 80 mehr als am Vortag. «Wir verzeichnen wieder einen deutlichen Anstieg der Erkrankungsfälle durch EHEC und HUS», sagte auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Dort gebe es 668 EHEC-Fälle oder Verdachtsfälle, 119 mehr als am Vortag.

Schleswig-Holstein meldete einen Anstieg um rund 100 Fälle auf 458 bestätigte EHEC-Infektionen. Sorge bereitet den Ärzten dort ein starker Anstieg neurologischer Komplikationen. «Wir haben Patienten, die überhaupt keinen Durchfall haben, aber schwere neurologische Symptome», schilderte der Kieler Klinikdirektor Prof. Ulrich Kunzendorf. Ein Beispiel sind epileptische Anfälle.

Experten suchen unterdessen weiter fieberhaft nach der Quelle der Erreger: «Man kann derzeit gar nichts ausschließen», erklärte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) im ZDF-Morgenmagazin. Die Lieferwege müssten zurückverfolgt, Lieferlisten ausgewertet werden.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei sehr unwahrscheinlich, wenn man normale Hygieneregeln einhalte, erläuterte Prüfer-Storcks. «Sehr viel wahrscheinlicher ist wirklich die Primärinfektion über ein Lebensmittel, das man zu sich nimmt.» RKI-Präsident Burger mahnte aber insbesondere bei der Pflege erkrankter Angehöriger zu strikter Hygiene. Das gelte auch für Krankenhauspersonal. Mittlerweile gebe es «erste Hinweise, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung erfolgen kann».

Auch im Ausland breitet sich der Keim weiter aus: In Tschechien gibt es einen ersten nachgewiesenen EHEC-Fall. Eine amerikanische Touristin sei definitiv an dem Erregertyp O104 erkrankt, teilte das nationale Referenzlabor in Prag mit. Die EU-Kommission nannte zudem folgende EHEC-Zahlen: Schweden 41 (davon 15 HUS), Dänemark 14 (davon 6 HUS), Frankreich 6 EHEC-Fälle, Großbritannien 3 Fälle (davon 2 HUS), Niederlande 7 (davon 3 HUS) und Österreich 2 EHEC-Fälle. In den meisten Fällen handele es sich um Menschen, die kurz zuvor in Deutschland gewesen seien.

EU-Gesundheitskommissar John Dalli sprach in Brüssel von einer «ernsten Krise». Er erwartet bei der Suche nach der Infektionsquelle rasche Aufklärung aus Deutschland. «Der anfängliche Verdacht Deutschlands, Gurken aus Spanien könnten schuld sein, hat sich bisher nicht bestätigt.» Mehr Klarheit könne es aber erst geben, wenn die Ergebnisse der Boden-, Wasser- und Produktproben aus den Betrieben in Almeria und Malaga vorlägen - «spätestens Donnerstag», ergänzte er.

Entschädigungen für Bauern seien generell denkbar, sagte Dalli. Er sei «besorgt» wegen der finanziellen Folgen für Gemüseproduzenten in Europa und arbeite eng mit EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos zusammen. Ciolos hatte zuvor angekündigt, rechtliche Möglichkeiten für Kompensationen betroffener Landwirte auszuloten. Es müsste von Fall zu Fall entschieden werden, hatte es geheißen.

Nach Ansicht der Branche hat die neue Ungewissheit bezüglich der Quelle die Lage der Gemüsebauern verschärft. «Gurken sind bei einigen Stellen unverkäuflich», sagte Karl Schmitz, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse (BVEO) der dpa. Auch die Kaufzurückhaltung bei anderem Gemüse trage zu den Umsatz-Einbußen bei. «Wir schätzen, dass die Größenordnung bei ungefähr 4 Millionen Euro pro Tag liegen dürfte.»

Verbraucherministerin Aigner nahm die Hamburger Gesundheitsbehörden erneut gegen ausländische Kritik am Krisenmanagement während der EHEC-Epidemie in Schutz. «Es wurden ja EHEC-Erreger auch auf spanischen Gurken gefunden. Und deshalb musste nach den europäischen Regularien dazu auch eine Schnellwarnung abgesetzt werden», sagte die CSU-Politikerin im ZDF-«Morgenmagazin». Die Hamburger Kollegen hätten sich «wirklich gut verhalten». Die EHEC-Erreger auf den spanischen Gurken stammten von einem anderen Bakterien-Typ als die des aktuellen Ausbruchs in Deutschland.

Angesichts des hohen Bedarfs an Blutkonserven und Blutplasma wegen der zahlreichen schweren EHEC-Erkrankungen haben Experten zum Blutspenden aufgerufen. «Wir haben zwar eine gut organisierte, länderübergreifende Versorgung mit Blutkonserven, aber wir sollten nicht vergessen, dass die Urlaubssaison unmittelbar bevorsteht, in der erfahrungsgemäß durch ein erhöhtes Unfallgeschehen auch wieder mehr Blutkonserven benötigt werden», erklärte der Sprecher des Landesverbandes der Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern, Bernd Grübler.

Verläuft die EHEC-Erkrankung schwer, muss eine Blutwäsche eingesetzt werden. Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks riefen zum Blutspenden auf - und spendeten gleich selbst.
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