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07.11.2021 | 20:50 | Corona-Impfungen 

Marburger Bund fordert berufsbezogene Impfpflicht

Berlin - Um die vierte Welle der Corona-Pandemie in Deutschland zu brechen, fordern einige Experten und Ärzte kostenlose Tests für alle und eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen.

Corona-Impfung
Auf den Intensivstationen liegen wieder mehr Covid-19-Patienten. Die Corona-Zahlen schrecken Ärzte und Politiker auf. Könnten tägliche Tests für geimpfte und ungeimpfte Pfleger da helfen? In Leipzig demonstrieren sogenannte Querdenker. (c) llandrea - fotolia.com
Der Marburger Bund plädiert für eine Pflicht zur Impfung gegen Covid-19 unter anderem für Pfleger, Ärzte sowie für Lehrkräfte und Kita-Personal.

Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit warnte davor, die Wirkung von 2G-Regeln, also der Zulassung nur von Geimpften und Genesenen zu Veranstaltungen, zu überschätzen. 2G gebe eine «Scheinsicherheit», sagte er im Deutschlandfunk. Auch Geimpfte könnten sich infizieren und das Virus übertragen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit geringer sei.

Wenn man wirklich Sicherheit wolle, helfe nur 1G weiter - also alle zu testen, egal ob geimpft, ungeimpft oder genesen. Das sollte vor allem für Bereiche gelten, wo besonders vulnerable Menschen gefährdet seien. Er warb für eine «Testoffensive» und kritisierte, dass die kostenlosen Tests Mitte Oktober abgeschafft wurden.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte: «Die kostenlosen Tests abzuschaffen, war eine der dümmsten Entscheidungen.» Es sei nicht schlimm, so einen Fehler zu machen, schlimm sei es nur, wenn ein solcher Fehler dann nicht korrigiert werde. Tägliche Tests sind seiner Ansicht nach auch das Mittel der Wahl, um zu verhindern, dass Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten Patienten anstecken. «Tägliche Tests für alle, also auch für Geimpfte und Genesene», betonte Brysch.

«Die Pflicht zur Schutzimpfung gegen das Coronavirus soll für Personen gelten, die in medizinischen Einrichtungen, Alten- und Pflegeheimen sowie Schulen und Kindertagesstätten tätig sind», heißt es in einem Beschluss, den der Marburger Bund auf einer Hauptversammlung fasste. Wie der Bundesverband der Ärzte-Vereinigung mitteilte, ging dem Votum eine intensive Debatte der Delegierten voraus.

Befürworter des Beschlusses argumentierten demnach, die rasant steigenden Infektionszahlen insbesondere bei Kindern sowie zunehmende Impfdurchbrüche bei älteren Menschen bei gleichzeitig weiterhin teilweise zu niedrigen Impfquoten der Beschäftigten in diesen Bereichen zeigten akuten Handlungsbedarf.

Die Ärzte hielten in ihrem Beschluss fest, auch für Menschen, die in Obdachlosenunterkünften, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, in Arztpraxen oder bei ambulanten Pflegediensten arbeiten, sollte es eine Impfpflicht geben. Der Marburger Bund ist ein Berufsverband der angestellten und verbeamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, bekräftigte, eine Impfpflicht für Pflegekräfte sei notwendig, da es hier mit Appellen und Argumenten bislang nicht gelungen sei, zu einer ausreichenden Impfquote zu gelangen. «Mit einer Kündigungswelle rechnen wir beim Pflegepersonal nicht», falls diese Pflicht eingeführt werden sollte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es sollte zum Berufsethos jeder Pflegekraft gehören, die ihm anvertrauten Menschen vor Gefahren zu schützen.

Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck sieht die 2G-Regel in der Gastronomie und bei Veranstaltungen skeptisch. «Die Geimpften haben das Gefühl, sie sind nicht mehr Teil der Pandemie und verhalten sich auch entsprechend risikoreich», sagte Streeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Das zweite Problem sind die Ungeimpften, die ausgeschlossen werden und sich noch weniger testen lassen». Das könne zu unkontrollierten Ausbrüchen führen. «Wenn Ungeimpfte am Sozialleben nicht teilnehmen dürfen, organisieren sie sich zum Beispiel Feiern zu Hause. Dort lässt sich das Infektionsgeschehen dann überhaupt nicht mehr kontrollieren».

Österreich hatte am Freitag im Kampf gegen die vierte Corona-Welle beschlossen, eine bundesweite 2G-Regel einzuführen. Menschen ohne Impfung oder Nachweis der Genesung dürfen ab Montag keine Lokale, Friseure und Veranstaltungen mehr besuchen. Dasselbe gilt für den Zutritt zu touristischen Betrieben. In Deutschland setzt ab Montag als erstes Bundesland Sachsen die 2G-Regel in Teilen des öffentlichen Lebens flächendeckend und verpflichtend um.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg erneut deutlich an. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Samstagmorgen mit 183,7 an. Am Vortag hatte der Wert bei 169,95 gelegen. Besonders stark betroffen sind aktuell Sachsen und Thüringen. Sachsen wies am Samstag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 415,8 und Thüringen von 406 auf.

In der sächsischen Metropole Leipzig protestierten am Samstag Gegner der staatlichen Corona-Maßnahmen. Für die Kundgebung der sogenannten Querdenker-Szene hatten unter anderem auch Rechtsextremisten mobilisiert. Wegen der verschärften Corona-Lage in Sachsen war allerdings nur eine stationäre Kundgebungen mit maximal 1.000 Teilnehmern erlaubt. Am Nachmittag wurde der Versammlungsort abgeriegelt, weil diese Zahl erreicht war.

Außerhalb der von den Behörden ausgewiesenen Versammlungsfläche hielten sich aber noch viele weitere Anhänger auf, darunter etliche Menschen aus anderen Regionen Deutschlands. Auch eine geringere Anzahl von Gegendemonstranten war in der Innenstadt unterwegs. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Nach Angaben eines Sprechers wurden 24 Angehörige der rechten Szene in Gewahrsam genommen, weil sie verbotene Gegenstände bei sich trugen.

Der Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Die vierte Welle, die Diskussion über Booster-Impfungen und Verschärfungen von Corona-Maßnahmen wie die Ausweitung von 2G-Regelungen können zu einem neuen Push für die Szene führen.»

In Bayern gilt von diesem Sonntag ab in Gasthäusern und bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen die 3G-plus-Regel, also: geimpft, genesen oder PCR-getestet. Ein Antigen-Schnelltest reicht nicht mehr. Ausnahmen gelten für Hochschulen, außerschulische Bildungsangebote, Bibliotheken und Archive. Dort reicht für Ungeimpfte weiterhin ein Schnelltest. In Diskos und Clubs gilt 2G - auch mit Test ist Ungeimpften kein Zutritt mehr möglich. Der Maskenstandard wird generell auf FFP2 erhöht.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warf den möglichen künftigen Koalitionären von SPD, Grünen und FDP vor, sie duckten sich in der Corona-Pandemie weg. «Wo ist die Ampel? Wo ist Olaf Scholz?», fragte er auf einem Landesparteitag der Sachsen-CDU in Dresden. Die Vertreter der drei Parteien müssten Verantwortung übernehmen. Notwendig sei jetzt eine Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bund. Es sei «schade und unverständlich», dass die SPD Gespräche verweigere. Es gelte, die Rückkehr zu kostenlosen Test zu prüfen.

«Es ist unabdingbar, dass in einer solchen Situation die Parteien, die jetzt noch die Regierung stellen, und jene, die sie künftig stellen wollen, im Sinne der Bevölkerung zusammenarbeiten, und zwar konstruktiv«, sagte Grünen-Chefin Baerbock dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Auf eine Frage zu dem Plan der Ampel-Parteien, die epidemische Notlage trotz rasch steigender Infektionszahlen aufzuheben, antwortete sie: «Es geht darum, die Schutzmaßnahmen auf eine rechtlich tragfähige Grundlage zu stellen und dadurch abzusichern.» Sie könnten nach eineinhalb Jahren nicht mehr als Notfall behandelt werden. «Die Maßnahmen müssen vom Bundestag beschlossen werden. Genau das schlagen wir jetzt vor.»
dpa
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