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12.11.2020 | 15:02 | Corona-Impfung 

Mission Massenimpfung: Wann kommt die schützende Spritze gegen Corona?

Brüssel / Berlin / Frankfurt - Es hört sich erfolgversprechend an, was aus den Forschungslaboren der Mainzer Firma Biontech dringt.

Corona-Impfung
Eine bisher einmalige Aktion riesigen Ausmaßes läuft an - die Corona-Impfung. Allein die nötige Logistik ist enorm. Doch noch sind nicht alle Probleme gelöst. (c) Adam Gregor - fotolia.com
Gelingt es, in den nächsten Monaten einen lebensrettenden Impfstoff gegen Corona zu den Menschen zu bringen? Die Anforderungen an das Serum sind riesig - und es braucht eine enorme Organisation für die geplante Massenimpfung.

Wann kommen die Impfstoffe in Deutschland?

Das ist unklar. Selbst bei den Impfstoffen, deren Tests weit fortgeschritten sind, fehlt die nötige Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA. Die ist auch für Deutschland maßgeblich, denn nationale Alleingänge soll es nicht geben bei den Corona-Impfungen in der EU. EMA-Anträge sind noch nicht gestellt, auch nicht von Biontech und Pfizer, die als erste westliche Anbieter vielversprechende Testdaten vorgelegt haben.

Die beiden Unternehmen stellen aber in Aussicht: «Lieferung soll Ende 2020 starten, vorbehaltlich der behördlichen Zulassung». Auch die EU-Kommission schließt eine Lieferung vor Jahresende nicht aus. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) geht von einer flächendeckenden Bereitstellung von Impfstoff im Sommer 2021 aus.

Welche konkreten Verträge sind bereits geschlossen worden?

Die Kommission hat im Namen aller 27 EU-Staaten inzwischen drei Rahmenverträge mit Anbietern geschlossen, die in der Forschung sehr weit sind: Biontech/Pfizer soll bis zu 300 Millionen Einheiten liefern, Astrazeneca ebenfalls bis zu 300 Millionen und Johnson&Johnson bis zu 200 Millionen. Hinzu kommt ein vierter Vertrag über 300 Millionen Dosen mit der Firma Sanofi, die aber in der Forschung noch nicht ganz so weit ist. Mit zwei weiteren Anbietern wird über ähnliche Verträge verhandelt.

Wie soll der Impfstoff in der EU verteilt werden?

Die EU-Kommission hat im Juni eine Regel vorgeschlagen und die Zustimmung der 27 Staaten bekommen: «Der Zugang zu Impfstoffdosen wird unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten entsprechend des Schlüssels nach Bevölkerungsgröße verteilt.» Der deutsche Anteil an der EU-Bevölkerung beträgt 18,6 Prozent. Kauft die EU 100 Millionen Impfstoffdosen, stehen Deutschland also rechnerisch 18,6 Millionen zu. Verändern kann sich der Anteil, wenn nicht alle 27 Staaten ihre Bezugsrechte wahrnehmen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war Mitte der Woche davon ausgegangen, dass Deutschland bis zu 100 der bis zu 300 Millionen Biontech-Dosen für die EU bekommen könnte. In Brüssel löste dies Kopfschütteln aus. Ein Sprecher Spahns erläuterte, Deutschland habe sich im Vorfeld bereits bereiterklärt, bis zu 100 Millionen Dosen abzunehmen. Forderten nun alle Mitgliedstaaten ihren Anteil ein, solle mit den Firmen nachverhandelt werden.

Was kosten die Impfstoffe?

Über die genauen Kosten der vier bereits geschlossenen Rahmenverträge wollte sich der Kommissionssprecher nicht äußern. Die Größenordnung lässt sich in etwa abschätzen: Die Mittel kommen aus einem sogenannten Soforthilfeinstrument mit ursprünglich 2,7 Milliarden Euro. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatte die EU-Staaten schon vor Wochen gebeten, Geld nachzuschießen. Denn es gehe zur Neige.

Wann könnte frühestens die EU-Zulassung erfolgen?

Unisono betont die Politik: Es werden keine Abstriche bei der Sicherheit und beim üblichen Zulassungsverfahren gemacht - schon, damit die Bürger nicht das Vertrauen in die in aller Eile entwickelten Impfstoffe verlieren. Kyriakides sagte aber am Mittwoch auch: «Es wird keine Verzögerung geben.»

Genauigkeit und Schnelligkeit zugleich sollen erreicht werden, indem die einzelnen Daten nicht wie üblich von den Firmen bis zum Zulassungsantrag gesammelt werden, sondern jeweils direkt an die EMA geleitet werden, wenn sie vorliegen. Der Chef der zuständigen EU-Steuerungsgruppe, Clemens Martin Auer, nannte in der «Berliner Zeitung» Mitte Dezember als frühestmöglichen Zulassungszeitpunkt. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA sei aber in der Entscheidung über die Lizenz völlig frei.

Wie läuft die Impfung in Deutschland dann ab?

In Impfzentren und durch mobile Impfteams in Pflegeheimen. Zuerst sollen Menschen mit Vorerkrankungen etwa der Lungen oder der Bronchien geimpft werden, Ältere und Beschäftigte in besonders wichtigen Berufen - etwa Ärzte, Pfleger, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Erzieher. Doch am Anfang wird der Impfstoff wohl nicht für all diese Menschen reichen.

Also wird noch weiter priorisiert. Dazu wollen Ethikrat, Impfkommission und Leopoldina ihre bereits vorgelegten Empfehlungen verfeinern. Doch geht das laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht, weil die Eigenschaften des Impfstoffs noch nicht klar sind. «Wenn zum Beispiel ein Impfstoff zugelassen wird, der für die Altersgruppe von 45- bis 50-Jährigen wirkt, macht es keinen Sinn, die über 60-Jährigen zuerst impfen zu wollen.»

Wie viele Impfzentren sind geplant?

Auch das ist noch unklar. Die Bundesländer sollten bis Ende der Woche 60 Anlieferungsstellen melden, sagte der Sprecher von Spahn. Schon allein wegen der Notwendigkeit der starken Kühlung des Serums seien diese zentralen Stellen nötig. In Berlin etwa soll es ab Dezember eine Infrastruktur geben, so dass pro Tag 20.000 Menschen geimpft werden können.

Sechs Impfzentren soll es in der Hauptstadt geben. In Thüringen sind landesweit 29 Impfstellen geplant. In Mecklenburg-Vorpommern sollen bis Mitte Dezember Zentren in Rostock und Greifswald bereitstehen. In Schleswig-Holstein soll es in allen Kreisen und kreisfreien Städten Corona-Impfzentren geben.

Baden-Württemberg setzt zunächst auf zentrale Impfzentren, die später auf alle Stadt- und Landkreise ausgeweitet werden. Millionenfach werden überall Spritzen und Kanülen bereitgestellt. Sachsen-Anhalt hat zunächst 1,3 Millionen Spritzen und 1,55 Millionen Kanülen angefordert.

Welche Rolle könnten Post oder Bundeswehr dabei spielen?

Für die Zwischenlagerung des Impfstoffes hat das Bundesgesundheitsministerium die Bundeswehr um Amtshilfe gebeten. Mit Hochdruck wird nun geprüft, wie die Aufgabe zu erfüllen ist, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Auch im Industrieland Deutschland gibt es für den Transport und eine Lagerung bei bis zu minus 70 Grad keine transportablen Lösungen von der Stange, die das Militär in der Fläche ausrollen könnte. Die üblichen Container für Lebensmittel kühlen auf minus 30 Grad herunter. Eine Lagerung ist in Kasernen denkbar. Dort gilt aktuell die niedrigste «Gefährdungsstufe Alpha» - Ruhe in Friedenszeiten. Die Schutzstufe ließe sich erhöhen.

Wie arbeitet eigentlich die Zulassungsbehörde EMA genau?

Das Zauberwort heißt «Rolling Review»: Daten werden bereits ausgewertet, sobald sie verfügbar sind. Die erste Charge von Daten aus Laborstudien zu dem Biontech/Pfizer-Impfstoff sei bereits ausgewertet worden, so eine EMA-Sprecherin. Derzeit sei die Prüfung einer zweiten Charge im Gange. Dabei gehe es um die Qualität des Impfstoffs, einschließlich seiner Inhaltsstoffe und der Art seiner Herstellung. Allerdings habe die EMA Daten zu klinischen Studien bisher noch nicht erhalten und bewerten können.
dpa
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