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15.03.2013 | 10:43 | Lebensmittel-Skandale 

Neues Verbrauchergesetz ist zu viel des Guten

Wiesbaden - Ein, zwei Klicks im Internet, und jeder weiß Bescheid.

Verbrauchergesetz
(c) proplanta
Wenn Hackbällchen Pferd statt Rind enthalten, Rattengift am Salat klebt oder in der Kneipe um die Ecke verschimmelte Torten und stinkende Wurst lagern, soll das im Internet für alle nachzulesen sein. Die Verbraucher sollen wissen, was sie wo aufgetischt und verkauft bekommen. Und sie sollen erfahren, wenn Firmen, die mit Lebensmitteln handeln, schludern oder betrügen. Da sind Politik, Lebensmittelkontrolleure und Verbraucherschützer sich einig.

Damit das klappt, sind Behörden per Gesetz verpflichtet, die Menschen über bestimmte Verstöße gegen das Lebensmittel- oder Futterrecht zu informieren. In krassen Fällen sollen sie die Namen der verantwortlichen Unternehmen nennen. Schon seit vergangenem Herbst gilt das entsprechende Gesetz. Ende Februar haben Bundesregierung und Bundestag es angesichts immer neuer Skandale - von Pferdefleisch im Hack über Schwindel mit Bio-Eiern bis zu krebserregendem Schimmel im Tierfutter - noch einmal verschärft. Das klingt gut. Doch Experten, die sich derzeit beim Deutschen Lebensmittelrechtstag in Wiesbaden treffen, warnen, dass der Schuss eher nach hinten losgehe.

«Da wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet», sagt Carl von Jagow. Der Jurist aus Hamburg betreut als Chefredakteur auch die «Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht» und meint: «Die Bundesregierung will größtmögliche Transparenz, aber die Vorschriften überfordern alle. Das ist auch für die meisten Juristen nicht mehr zu durchschauen.» Das Gesetz sei handwerklich schlecht gemacht, moniert auch Deutschlands oberster Lebensmittelkontrolleur, Martin Müller.

Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure meint: «Das Gesetz wurde sehr schnell gestrickt und wohl ein bisschen schnell durchgepeitscht.»

Resultat: In vielen Behörden fühlen sich die Verantwortlichen derzeit überfordert. Wann muss ein Name genannt werden? Wann darf man ihn nicht veröffentlichen? Wird ein Firmenname herausgegeben, klingelt nicht selten kurz darauf das Telefon - und der Anwalt des Unternehmens ist dran. Gerichte stoppen Bekanntgaben per Eilverfahren. In Baden-Württemberg wurde dies dem Verbraucherminister zu heiß. Vergangenes Wochenende ließ er derartige Veröffentlichungen für das ganze Bundesland stoppen. Er fordert, Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) solle das Gesetz nachbessern und rechtliche Unsicherheiten ausräumen.

Ein nicht alltäglicher Affront: Da stoppt ein Bundesland die Ausführung eines Gesetzes. Dabei sind die Regeln nicht auslegbar, das Gesetz lässt keinen Ermessensspielraum. In Berlin ist man entsprechend unamüsiert - und sieht die Lage naturgemäß anders. Ein Sprecher Aigners betont, dass Bundestag und Bundesrat die Neufassung des Gesetzes mitbeschlossen hätten, mithin auch die Länder. Doch andere Bundesländer klagen ebenso, wenn auch weit leiser. «Auch wir sehen Änderungsbedarf», sagt ein Sprecher des Verbraucherministeriums Hessen, das derzeit den Vorsitz der Fachministerkonferenz hat. Man hofft auf Nachbesserungen, etwa durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe.

Auf diese setzt auch das Bundesministerium und versucht zu beruhigen. Bislang gebe es keine endgültige Rechtsprechung höherer Gerichte. Und letztlich sei es ganz normal, dass neue Gesetze anfangs häufig von Richtern begutachtet würden. Das sieht auch Fachjurist Jagow so. Doch diesmal sei es extrem, sagt er: «Eine Unsicherheit wie jetzt - das hat es so noch nicht gegeben.» Diese müsse schnell ausgeräumt werden, fordert Lebensmittelkontrolleur Müller. «Denn Verbraucher haben ein Recht auf Information.»
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