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20.02.2013 | 19:55 | Pferdefleisch-Skandal 

Immer mehr Pferd in Fertiggerichten

Berlin - In den Pferdefleisch-Skandal schaltet sich nun auch die Justiz ein. Entdeckt werden immer mehr falsch deklarierte Fertiggerichte. Über die Verantwortung für Kontrollen streiten sich Politik und Handel.

Pferdefleisch in Fertiggerichten
(c) proplanta
Der Pferdefleisch-Skandal mit immer neuen Funden von Etikettenschwindel beschäftigt nun auch die deutsche Justiz. Die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Oldenburg nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Verstöße gegen das Lebensmittelrecht auf.

Bei der Fahndung nach heimlich untergemischtem Pferdefleisch wurden die Behörden mittlerweile in 40 von 533 amtlichen Proben fündig, wie das Bundesverbraucherministerium am Mittwoch mitteilte. Ressortchefin Ilse Aigner (CSU) ermahnte den Handel wegen seiner Kontrollpflichten, der Rewe-Konzern wies die Vorwürfe zurück. Am Krisenmanagement von Bund und Ländern gibt es weiter Kritik.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt gegen das Fleisch- Unternehmen Schypke in Niedersachsen. Es bestehe der Verdacht, dass in dem Betrieb Pferdefleisch verarbeitet worden sei, sagte eine Behördensprecherin. Dies könne einen Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz darstellen. Schypke-Vertriebschef Manfred Diekmann sagte der dpa: «Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, wir produzieren weiter.» Das Unternehmen tue alles, um in der Lieferkette die Verantwortlichen für falsch etikettierte Ware zu finden. Der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé hatte Pferdefleisch- Anteile in Produkten entdeckt und Schypke als Zulieferer genannt.

Auch die Staatsanwaltschaft Rostock nahm nach Angaben des Verbraucherministeriums in Mecklenburg-Vorpommern erste Ermittlungen in Zusammenhang mit dem Skandal auf.

In den amtlichen Proben wurden laut Bundesministerium jeweils mehr als ein Prozent Pferdefleisch festgestellt. Daher müsse von bewusster Beimischung und nicht nur von zufälligen Spuren gesprochen werden. Weitere 18 Untersuchungen von unverarbeitetem Pferdefleisch auf Rückstände von Tierarzneimitteln wie dem Rheumamittel Phenylbutazon waren negativ. Fälle in Restaurants oder Großküchen gab es zunächst ebenfalls nicht.

Aigner betonte die Verantwortung des Handels für die Qualität der Produkte. «Jeder Pizzabäcker weiß, welche Zutaten er verarbeitet. Auch große Handelskonzerne, die unsere ganze Republik beliefern, müssen jederzeit wissen, was drin ist in ihren Produkten und woher es kommt», sagte sie der «Bild»-Zeitung (Mittwoch).

Der Handelsriese Rewe wies Kritik an mangelnden Kontrollen der Branche zurück. «Die Unternehmen des Handels machen heute schon hundertfach mehr eigene Kontrollen als die Lebensmittelbehörden», sagte Rewe-Vorstand Manfred Esser der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Mittwoch). Der Handel habe wirtschaftliche Schäden und Rufschaden wegen Betrugsfällen. Es sei erschreckend, dass «beinahe reflexartig» mit Schuldzuweisungen an den Handel reagiert werde, ehe die Politik alle Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.

Der Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), nannte es überlegenswert, dass die Wirtschaft einen Geldtopf zur Mitfinanzierung von Kontrollen einrichtet. «Es darf nicht sein, dass Betrügern durch eine schwierige Finanz- und Personalsituation in den Überwachungsbehörden ein Hintertürchen auf Kosten der Verbraucher geöffnet bleibt.» Die Grünen-Abgeordnete Nicole Maisch forderte Aigner auf, konkrete Regelungen zum Abschöpfen unrechtmäßiger Gewinne bei Lebensmittelverstößen vorzulegen.

Die SPD kritisierte, Aigners Krisenplan enthalte vor allem Prüfaufträge. Nötig seien unter anderem Schutzvorschriften für Mitarbeiter, wenn sie Lebensmittelskandale aufdeckten, forderte die SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß. Das geltende Verbraucherinformationsrecht verhindere zudem, dass Behörden die Namen von Pferdefleischprodukten und Herstellern nennen dürften.

Der Schulkantinenessen-Hersteller Sodexo gab der Politik eine Mitschuld am Pferdefleisch-Skandal. «Der Gesetzgeber hat im Grunde eine Gesetzeslücke geschaffen, weil die Rückverfolgbarkeit für komplexe Produkte wie Tiefkühlpizzen oder auch die jetzt betroffene Lasagne tatsächlich nicht möglich ist», sagte Sodexo-Chefin Adrienne Axler der «Welt» (Mittwoch). «Für uns wäre es sehr hilfreich, wenn es hier seitens der Politik präzisere Vorgaben gäbe.»

In den vergangenen Tagen war in immer mehr Gerichten wie Lasagne, Tortelloni oder Gulasch undeklariertes Pferdefleisch entdeckt worden. Supermärkte nahmen Gerichte aus den Regalen, die Behörden in Europa verschärften die Kontrollen. In den verschiedenen Fällen geht es laut Bundesverbraucherministerium unter anderem um Fleischzulieferer aus Deutschland, Polen, Rumänien und Frankreich. Auch in Tschechien fanden die Behörden nicht deklariertes Pferdefleisch.

Eine bundesweite Übersicht für Verbraucher über die Erkenntnisse der Länder kann nun im Internet (www.pferdefleisch-rueckrufe.de) abgerufen werden. Wie das Bundesministerium mitteilte, können Kunden betroffene Waren nach Auskunft des Handels zurückbringen und erhalten das Geld zurück. Informationen sind auch über die Telefonnummer 0228/ 24 25 26 27 (montags bis freitags, 8.00 bis 18.00 Uhr) des Ministeriums erhältlich.
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