(c) proplanta Mehr als 30 Tonnen teils hochgiftiger Substanzen haben Beamte bei Durchsuchungen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bisher beschlagnahmt, wie die Hamburger Wirtschaftsbehörde am Freitag mitteilte. Gut 200 Firmen aus dem Gartenbau, die Zierpflanzen und Weihnachtsbäume herstellen, sollen die illegalen Mittel von einem 65-Jährigen aus Hamburg und seinen Kunden gekauft haben. «Gefährlich ist es für die Umwelt, nicht für den Verbraucher», sagte der Leiter des Pflanzenschutzamtes, Rainer Wujciak.
Verbraucher brauchen sich nach Einschätzung der Bundesregierung wegen des Handels mit den illegalen Pflanzenschutzmitteln keine Sorgen zu machen. Bisher gebe es keine Erkenntnisse, dass diese Pflanzenschutzmittel in Kulturen angewandt wurden, die der Ernährung dienten, teilte das Verbraucherschutzministerium am Freitag in Berlin mit. Dennoch prüften die zuständigen Länderbehörden auch in diese Richtung. Ein Chemikalienhändler aus Hamburg soll im großen Stil nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel verkauft haben.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen diesen 65- Jährigen wegen des Anfangsverdachts von Verstößen gegen das Chemikalien- und Markengesetz sowie der Urkundenfälschung. «Der Beschuldigte ist verdächtig, die illegale schwarze Nachfrage nach bewährten, inzwischen verbotenen Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien bedient zu haben», sagte Behördensprecher Wilhelm Möllers.
Die Substanzen waren zwischen 1989 und 2003 untersagt worden. Wie viele Menschen mindestens seit dem Jahr 2006 an den illegalen Geschäften beteiligt waren, konnte Möllers nicht sagen: «Die Dimension lässt sich bisher nicht abschätzen.» Der 65-Jährige hatte nach Möllers Darstellung keine behördliche Erlaubnis für den Handel mit den chemischen Mitteln. «Sein Berufsfeld besteht in einer Beratungstätigkeit zur Anwendung von Agrochemikalien.» Der Mann ist nicht vorbestraft.
Wujciak geht davon aus, dass mit rund 50 Wirkstoffen gehandelt wurde. Teilweise sollen die Mittel mit falschen Etiketten gekennzeichnet worden sein. Hinweise auf einen Einsatz der Substanzen beim Herstellen von Lebensmitteln gab es zunächst nicht.
Mitte Februar hatten Ermittler Wohnung und Geschäftsräume des 65- Jährigen in Hamburg durchsucht. Dabei wurden umfangreiche Geschäftsunterlagen, ein Computer sowie - in der Garage - rund 300 Kilo Pflanzenschutzmittel beschlagnahmt. In den Unterlagen stießen die Beamten auf eine «Fülle nationaler und internationaler Geschäftskontakte», sagte Wujciak.
In einem Gefahrstofflager im Hamburger Hafen entdeckten sie zudem rund eine Tonne eines verbotenen Wuchsstoffes, der etwa bei Weihnachtsbäumen und -sternen verwendet wird, sowie Fässer mit 19,4 Tonnen hochgiftigem Nikotinsulfat. Diesen chemischen Stoff hatte ein als «Hühnerbaron» bekannt gewordener Geflügelgroßzüchter in Niedersachsen Mitte der 1990er Jahre eingesetzt. Nikotinsulfat ist heute zum Beispiel in Nikotinpflastern erlaubt. Es ist schon in kleinen Mengen für den Menschen sehr giftig.
Die Fässer mit Nikotinsulfat soll der Beschuldigte in das Mittel «Alzogur» umdeklariert haben. «Alzogur ist auch giftig und ätzend, aber um Größenordnungen weniger gefährlich als Nikotinsulfat», sagte Wujciak. Die Substanz werde etwa in Schweineställen eingesetzt, um entzündliche Darmerkrankungen zu bekämpfen. Der 65-Jährige habe seine Geschäfte «bis hin zur Steuererklärung» ordnungsgemäß abgewickelt, aber eben mit illegalen Gütern gehandelt, betonte Wujciak.
Seit mehreren Jahren soll der Mann Containerladungen mit Pflanzenschutzmitteln aus EU-Ländern, China, Indien und Südafrika eingeführt und in Deutschland sowie im europäischen Ausland vertrieben haben. Zuletzt hatte ein Lastwagen im November 2008 zwölf Tonnen Nikotinsulfat zu einem Betrieb in den Niederlanden gebracht. (dpa)
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