Konsumforscher Wolfgang Twardawa hat eine ziemlich genaue Vorstellung: «Er sitzt mit Freunden zu Hause vor dem neuen Flachbildschirm und feiert anschließend den erhofften Sieg im Garten mit Grillwürstchen und Bier.» Damit beschreibt Twardawa die Verbrauchertrends, die die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in diesem Jahr erwartet: Die Deutschen werden bescheidener, sie verbringen mehr Zeit mit Familie und Freunden zu Hause, und wenn sie sich etwas Teures gönnen, dann am liebsten fürs traute Heim - wie eben das neue Fernsehgerät.
«Homing» nennt sich dieser Trend, der nach Twardawas Meinung noch zunehmen wird. Denn immer mehr Menschen sind von Arbeitslosigkeit betroffen und direkt bedroht, spüren die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise also ganz unmittelbar. Ihr Anteil steigt von 21 Prozent der Haushalte im Jahr 2008 über 23 Prozent (2009) auf schon 27 Prozent in diesem Jahr. Nochmals ebenso viele Haushalte sind
krisengefährdet: Ihre Situation ist also noch stabil, kann aber schnell ins Wanken geraten.
Das wirkt sich auf die Konsumstimmung aus, denn Arbeitslosigkeit oder die Angst davor beeinflussen das
Konsumverhalten stärker als fast alle anderen Faktoren. Betroffene Haushalte schränken ihre Ausgaben für die Güter des täglichen Bedarfs um zehn Prozent ein. Diese Menschen gehen selten ins Restaurant, beim Einkauf greifen sie häufiger zu billigen Handelsmarken.
Für den Lebensmitteleinzelhandel erwartet die
GfK deshalb in diesem Jahr Umsatzverluste von 600 Millionen Euro (minus 0,4 Prozent), für die Gastronomie noch einen viel stärkeren Rückgang. Auch der Reisemarkt ist angespannt. Aber es gibt auch Gewinner: Baumärkte gehören ebenso dazu wie die Anbieter von Unterhaltungselektronik. Gefragt ist alles, was das eigene Heim verschönert und das Wohnen angenehm macht: Gartenmöbel und Pflanzen, Staubsauger, Kaffeemaschinen oder Home-Entertainment-Systeme.
Und noch auf einen zweiten Trend muss sich die Wirtschaft einstellen: Ihre Vertrauenswürdigkeit wird künftig viel stärker hinterfragt. «Eine der wichtigsten Erkenntnisse bei den Verbrauchern kann mit dem Motto "Gier frisst Hirn" umschrieben werden», erläutert GfK-Experte Twardawa. Die Finanz- und
Wirtschaftskrise habe die Prioritäten der Verbraucher verändert. Hoch im Kurs stehen Werte wie Sicherheit, Vertrauen, Verantwortung, Solidarität und Verzicht; man konsumiert bewusster, übt mehr Bescheidenheit und verzichtet auf Überflüssiges. «Qualität statt Quantität» ist das Motto.
Denn viele Bürger hätten das Vertrauen in die Wirtschaft verloren, sie suchten nach Verlässlichkeit, Integrität und Fairness. Wer kann das bieten? «Traditionsmarken haben einen hohen Vertrauensbonus», weiß der Marketing-Experte. Wachstumschancen sieht er auch für den Bio-Bereich, für Naturkosmetik, Gesundheitsprodukte, fair gehandelte Waren und regionale Erzeugnisse. (dpa)