«Wir brauchen nun schnell ein staatliches Tierwohllabel», forderte Sophie Herr, Expertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, am Dienstag. Der Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte, ein «Flickwerk» unterschiedlicher Kennzeichnungen schaffe keine Klarheit beim Einkauf.
Bundesagrarministerin Julia Klöckner betonte angesichts einiger bereits laufender Initiativen aus der Branche und im Handel: «Verlässlichkeit und Übersicht für die Verbraucher gibt es nur mit einem staatlichen Label, an dessen Einführung wir bereits arbeiten.»
Die CDU-Politikerin sagte der «Rheinischen Post» (Dienstag), die Verbraucher sollten künftig bewusst zu Waren aus Ställen mit mehr
Tierwohl greifen können. «Es wird immer noch so sein, dass es auch preiswertes Fleisch gibt.» Mit dem neuen Label könnten Verbraucher aber entscheiden, «was ihnen Tierwohl auch im Preis wert ist».
Klöckners Amtsvorgänger
Christian Schmidt (CSU) hatte schon Kriterien für ein «Tierwohllabel» wie etwa mehr Platz im Stall vorgestellt, das Landwirte freiwillig nutzen können. Die Pläne wurden bis zur
Bundestagswahl aber nicht mehr umgesetzt. Nun will die große Koalition einen neuen Anlauf für die Einführung nehmen.
Diskutiert wird über solche Kennzeichnungen seit Jahren. Schon seit 2015 läuft die «Initiative Tierwohl». Dabei werden Zusatzleistungen freiwillig teilnehmender Landwirte aus einem Fonds honoriert, in den Supermarktketten einzahlen. Unabhängig davon will der
Discounter Lidl - wie Anfang Februar angekündigt - am kommenden Dienstag (3. April) eine eigene Stufen-Kennzeichnung für Fleisch von Schweinen, Rindern, Puten und
Hähnchen starten. Dies solle Kunden unterstützen, «eine bewusste Kaufentscheidung für eine tierwohlgerechtere Haltung zu treffen», sagte Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf, am Dienstag. Auch der
Bauernverband schlägt eine Schweine-Haltungskennzeichnung vor.
Der
BUND nannte das Lidl-System «einen guten Schritt», der aber keine staatlich verpflichtende Kennzeichnung ersetzen könne. Die gewählten Stufen wichen zudem von der erfolgreich etablierten Kennzeichnung für Eier ab. So steht bei Eiern die Stufe 0 für bio und damit für den höchsten Standard, im Lidl-«Haltungskompass» ist es die Stufe 4. Dies dürfe nicht zu großer Verwirrung führen, forderte der Tierschutzbund.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter mahnte: «Wenn jetzt jede Supermarktkette ihre eigene Kennzeichnung aus dem Boden stampft, stiftet das nur Verwirrung.» Einen «Labeldschungel» brauche niemand.
Er kritisierte, dass sich die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag mit dem Ausarbeiten eines «Wischi-Waschi-Labels» bis zu zwei Jahre Zeit lassen wolle. Die Umweltorganisation
Greenpeace erklärte, es gebe keinen Grund für die Ministerin, sich vor einer gesetzlichen und verpflichtenden Lösung zu drücken.