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06.07.2020 | 02:44 | Schrebergärten 

Wachsende Warteliste für Kleingärten durch Corona

Leipzig - Grüner Rasen, blühende Pflanzen und zwitschernde Vögel: Im Kleingärtnerverein «Dr. Schreber» in Leipzig, dem ältesten der Welt, ist die Idylle perfekt.

Schrebergarten
Statt Urlaub auf Mallorca steigt in Corona-Zeiten die Nachfrage nach Kleingärten in Sachsen. Was heißt das für Ballungszentren? (c) proplanta
«Für mich ist es ein Ruhepol im Grünen», sagt Kinderärztin Maria Faßhauer. Auch ihre 14-Jährige Tochter findet den Garten cool und freut sich auf die Sommerzeit, in der sie Erd-, Him,- und Brombeeren naschen kann.

Die 88-jährige Helga Honer ist selig, wenn sie ihre Rosen gießt, die seit Jahrzehnten dort prächtig gedeihen. Besonders in Corona-Zeiten wissen die drei ihre Parzelle zu schätzen, denn die Nachfrage ist seit Ausbruch der Pandemie in Sachsen enorm gestiegen.

«Das Interesse an einem Garten ist seit April sprunghaft gewachsen», sagt der Präsident des Landesverbandes der Kleingärtner Tommy Brumm. Der aktuelle Zuwachs lasse sich noch nicht in genauen Zahlen fassen, aber der Verband schätze die Zahl der neuen Pächter auf 4.000.

Besonders in den Ballungsgebieten Chemnitz, Dresden und Leipzig sei die Nachfrage groß, dort gebe es bereits  Wartelisten. Sie seien teilweise länger als die Zahl der Mitglieder in den Vereinen. Am Anfang des Jahres seien in Sachsen etwa 196.800 Kleingärtner im Verband organisiert gewesen.

«Im Leipziger Schreberverein müssen Pächter etwa drei Jahre warten, um eine der 160 Parzellen zu ergattern», sagt die Leiterin des dort angesiedelten Deutschen Kleingartenmuseums, Caterina Paetzelt. Das Interesse am «Habitat mit Zaun» habe zwar in den zurückliegenden Jahren schon zugenommen. «Doch mit Corona kam noch einmal ein Kick».

Die Hobbygärtner dort beackern geschichtsträchtigen Boden. Der Orthopäde Moritz Schreber wollte vor allem Kindern aus den tristen Arbeitervierteln eine gesündere Lebensweise ermöglichen. Aus düsteren, staubigen Hinterhöfen wollte er sie zum Spiel in der freien Natur motivieren. Sein Traum ging erst nach seinem Tod in Erfüllung, als sein Freund, der Lehrer Ernst Innocenz Hauschild, 1864 in Leipzig einen «Verein zum Schaffen von Kinderspielplätzen» gründete.

Zur Erinnerung an seinen Freund nannte Hauschild ihn «Schreberverein». Rund um den ersten Spielplatz legten Kinder Blumenbeete an. Da man das Angebaute vor Dieben schützen wollte und bei schlechtem Wetter Unterkünfte benötigte, kamen schnell Umzäunungen und kleine Hütten hinzu. Das war die Geburtsstunde der Schrebergärten.

Das heutige Museum zeigt die Geschichte des Kleingärtnerwesens in Deutschland auf. So gibt es einen Museumsgarten aus der Zeit um 1900, einen Laubengarten und einen Garten aus DDR-Zeiten. Er zeugt auch vom Erfindungsreichtum in der Mangelgesellschaft der DDR.

Das Rosenspalier wurde aus Leitern gebastelt, die Hollywoodschaukel selbst gebaut, das Fenster der Laube kam aus Abrisshäusern und so manche Blumeneinfassung entstand aus alten Autoreifen. Jährlich besuchen etwa 5.000 Gäste die Ausstellung des Museums und die Gärten, sagt Paetzelt.

Ein paar Gartenzwerge sind im Schreberverein noch zu sehen, doch mit dem Klischee vom Gartenzwerg-Denken räumt Paetzelt auf. «Die Pächter werden jünger, es gibt einen Genrationswechsel», sagt die Museumschefin. «Viele junge Familien interessieren sich für einen Garten», pflichtet ihr der Chef des Landesverbandes Brumm bei. Sie suchten einen naturnahen Raum und einen Ort, in dem sie Obst und Gemüse anbauen können.

Hält der Boom auch nach Corona? Brumm rechnet nach der Pandemie mit einem leichten Rückgang der Pächterzahl. «Aber viele werden auch bleiben», ist er sich sicher. «Es war es ein Schub für das Kleingartenwesen, nach dem die Entwicklung in den letzten Jahren rückläufig war».

Auch im ländlichen Raum seien viele neue Pächter hinzugekommen, wenngleich dort noch ein großer Leerstand bleibe. Optimistisch stimme ihn, dass in der Corona-Zeit dort Parzellen selbst ohne Laube Liebhaber fanden.
dpa/sn
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