Für 2006 registrierte das Berliner Robert Koch-Institut bundesweit 547 Fälle der so genannten Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), 2004 waren es 275. Zecken und von ihnen übertragene Krankheiten breiteten sich auch in Folge des Klimawandels immer weiter aus, hieß es am Mittwoch auf einer Fachtagung in Erfurt. «Das macht uns zunehmend Sorgen», sagte Experte Jochen Süss vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) Jena.
Wegen des milden Wetters seien in diesem Winter aktive Zecken in Deutschland nachgewiesen worden. «Die Zecken haben in diesem Jahr quasi durchgemacht», sagte Süss. Die kalte Jahreszeit gilt als klassische Ruhephase der Tiere. «Durch das milde Wetter mit Temperaturen über sechs bis sieben Grad finden sowohl Zecken als auch ihre Hauptwirte, vor allem Mäuse, ideale Überlebens- und Nahrungsverhältnisse vor», erläuterte der Forscher, der das Nationale Referenzlabor für durch Zecken übertragene Krankheiten am FLI leitet.
Die im Volksmund Holzbock genannten Spinnentiere übertragen vor allem die bakterielle Borreliose und die Virusinfektion FSME, die allerdings nur in bestimmten Risikogebieten vorkommt. Schon im Jahr 2005 war die Zahl der FSME-Erkrankungen in Deutschland mit 432 gegenüber 2004 drastisch gestiegen. «2006 wuchs sie abermals sprunghaft auf 547. Damit hatten wir nicht gerechnet», sagte Süss. «Und im Jahr 2007 scheint das ungebrochen so weiterzugehen. Bereits im Januar hatten wir 6 Fälle.»
Ein Grund für den neuerlichen Anstieg könnte laut RKI der lange warme Sommer 2006 gewesen sein. Er habe nicht nur den Tieren gute Bedingungen geboten, sondern auch viele Menschen ins Freie gelockt. Zur Entwicklung der Borreliose gibt es keine genauen Zahlen, weil die Krankheit nicht generell meldepflichtig ist. Mit geschätzten 60 000 bis 80 000 Fällen im Jahr ist sie deutlich häufiger als FSME, lässt sich aber mit Antibiotika zumindest im Frühstadium gut behandeln.
Menschen mit Zeckenstichrisiko in den FSME-Gebieten empfehlen Mediziner eine Impfung gegen die Virusinfektion. In Deutschland kämen jährlich neue Risikogebiete hinzu. Im vergangenen Jahr gab es Süss zufolge erstmals FSME-Erkrankungen in Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. «Leider sind jämmerlich wenige Deutsche gegen FSME geimpft», beklagte Süss. Selbst in Hochrisikogebieten seien es höchstens 25 Prozent. In Österreich dagegen, wo die Bevölkerung praktisch «durchgeimpft» sei, gehe die Zahl der FSME-Fälle inzwischen stark zurück.
Wie stark die Zeckenpopulationen in Folge des milden Winters zunehmen würden, sei unklar. Der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und von Zecken übertragenen Krankheiten ist Thema eines internationalen Symposiums von diesem Donnerstag bis Sonnabend in Jena. Daran nehmen rund 250 Wissenschaftler aus 25 Ländern teil. (dpa)
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