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10.03.2023 | 16:18 | Landesjägertag 

Bayerns Jäger im Dauerzwist: Erbitterter Kampf um schwindende Macht

Hof - Früher war alles besser für die bayerischen Jäger: Mit Hut und Lodenmantel kamen Politiker und Unternehmer in der Abgeschiedenheit der Jagdhütte zusammen, tranken ein paar Bier, redeten über ein paar Geschäfte - und schossen nebenbei vielleicht auch noch eine Gams. So zumindest die Außenwahrnehmung.

Jäger
In Hof könnte es zum Schwur kommen: Wird Bayerns Jägerpräsident Ernst Weidenbusch aus dem Amt gekegelt? Der jahrelang anhaltende Flügelkampf im Jagdverband treibt auf einen neuen Höhepunkt zu. (c) Bergringfoto - fotolia.com
Das alte Muster ist jedoch längst aus der Zeit gefallen, die Top-Manager der Dax-Konzerne bahnen ihre Geschäfte in Übersee an, die Jagd als Thema ist dank Klimawandel einerseits und gesellschaftlicher Modernisierung andererseits komplexer geworden. Dennoch oder gerade deswegen tobt um die immer weniger werdende Macht im vorpolitischen Raum des Bayerischen Jagdverbandes seit mehr als einem Jahrzehnt ein erbitterter Kampf. Beim Landesjägertag am Samstag in Hof erlebt die Dauerfehde einen neuen Höhepunkt. Sogar von einer Spaltung ist schon die Rede.

Jägerpräsident Ernst Weidenbusch, CSU-Landtagsabgeordneter aus München, steht bei Teilen der Jägerschaft am Pranger. Interne Kritiker werfen ihm eine cholerische Art vor, Mitarbeiter sollen sich über den Umgang beschwert haben, sogar Kündigungen soll es wegen Weidenbusch und seiner Art gegeben haben.

Befürworter halten Weidenbusch dagegen für einen Mann, der zwar direkt, aber fair sei, wie es von einem Weggefährten heißt. Der Jurist aus der Landeshauptstadt steht für den traditionell-konservativen Teil der bayerischen Jägerschaft, die sich etwa gegen Nachtsicht-Hilfen beim Abschuss einsetzt und für die Jagd auf Fasane nur dann, wenn die Tiere fliegen.

Ihm gegenüber steht ein progressiverer Teil der Jägerschaft, der mehr an Hege und Pflege der Forsten als an waidmännischer Tradition interessiert ist. Stichwort: «Wald vor Wild.» Das umfasst auch einen systematischeren Abschuss etwa von Rehwild, um dem Verbiss der Wälder vorzubeugen. Die Frontlinie verläuft teils über Parteigrenzen hinweg - und pikanterweise auch mitten durch die CSU-Landtagsfraktion.

Lange Zeit war Thomas Schreder, inzwischen Geschäftsführer des Bayerischen Reit- und Fahrvereins, einer der führenden Köpfe dieses Flügels. Es wird gemunkelt, dass er als damaliger Vizepräsident maßgeblich an der Demission von Weidenbuschs Vorgänger Jürgen Vocke beteiligt war.

Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Vocke wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten erwiesen sich später als weitgehend haltlos, am Samstag soll er möglicherweise sogar zum Ehrenpräsidenten ernannt werden. Den Machtkampf um das Präsidentenamt gegen Weidenbusch verlor Schreder damals.

Wenig später musste der Rebell gehen, nicht ohne Krokodilstränen des neuen Präsidenten: «Ich habe Thomas Schreder als einen zuverlässigen, hoch kompetenten und persönlich sehr angenehmen Menschen und Vertreter des BJV kennen gelernt», ließ sich Weidenbusch 2021 in einer Pressemitteilung zum Abschied des Intimfeindes zitieren.

Inzwischen hat Weidenbusch neue erbitterte Gegner im eigenen Haus. Ernst-Ulrich Wittmann gehört dazu, Chef der Kreisjägerschaft in Dachau. Er hat offen die Abwahl Weidenbuschs beantragt. «Der Landesjagdverband befindet sich in einer existenziellen Krise», heißt es in dem Antrag. Es bestehe die Sorge, dass sich eine große Zahl der Mitglieder abwendeten. Mit Philipp zu Guttenberg, dem Bruder des einstigen Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg, hat dies bereits ein prominenter Jäger getan.

Auch die Kreisgruppe Kulmbach soll Weidenbusch recht geschlossen die Stirn bieten, hießt es von Insidern. Aus dieser Kreisgruppe wurde mit dem Forstunternehmer - und ehemaligen CSU-Landtagsabgeordneten - Ludwig von Lerchenfeld nun eine personelle Alternative zu Weidenbusch aufgebaut.

Die Tagesordnung des Landesjägertages in Hof sieht keine Neuwahlen vor. Es gibt jedoch einen Antrag, der im Kern eine Abstimmung zur Abwahl Weidenbuschs fordert. Andere, von Weidenbusch selbst eingebrachte Anträge, befassen sich mit angeblichem «verbandsschädigendem Verhalten» seiner Kritiker. Auch die Einberufung einer außerordentlichen Landesversammlung des Verbands, dem rund 50.000 Mitglieder in mehr als 150 Kreisgruppen angehören, steht im Raum.

Lerchenfeld selbst gilt als moderat und keinem der Lager zuzuordnen - ein Fachmann, der Jagd und Forsten aus professioneller Sicht betrachtet. Als Pferdefuß für ihn könnte sich erweisen, so meinen Beobachter, dass er als vergleichsweise großer Forstunternehmer und Adeliger eher schwer zu vermitteln sein könnte. Externe Kritiker von Weidenbusch hoffen inzwischen, dass der Traditionalist im Amt bleibt und den Putschversuch in Hof überlebt. Dann, so lautet die Argumentation, würde sich der Jagdverband weiter ungebremst selbst zerfleischen und auch noch den letzten politischen Einfluss verspielen.
dpa/lby
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