Es sei erneut zu warm und zu trocken gewesen, sagte Michelle Sundermann, Sprecherin von Hessen Forst in Kassel: «Das hat zur Folge, dass wir 2020 einen weiteren Negativrekord verzeichnen mussten: Dem Wald geht es so schlecht, wie nie zuvor.» Bisher galt laut
Waldzustandsbericht 2019 als das Jahr mit dem «schlechtesten Zustand seit Beginn der Aufzeichnung». Das größte Problem bleibt der Borkenkäfer.
Der Schädling hat es vor allem auf Fichten abgesehen. Von den Folgen ist laut Forstverwaltung der Norden stärker betroffen als der Süden. Große Bereiche habe man 2020 nicht mehr retten können. «Wir haben uns stattdessen auf die Waldbestände in der Mitte und im Osten Hessens konzentriert, in denen unsere Maßnahmen noch Erfolg versprechen», erklärte Sundermann. Beginnt das kommende Jahr ausreichend nass, wäre den Förstern eine Verschnaufpause möglich. «Aber wenn sich der Trend fortsetzt, werden wir den Anteil der Fichten in Hessen nicht halten können.» Dieser liegt bei 21 Prozent.
Die Wiederaufforstung ist in vollem Gang. Ende 2020 werde man vier Millionen neue Bäume auf den durch Sturm, Trockenheit und Insektenbefall in Mitleidenschaft gezogenen Waldflächen gepflanzt haben. «Unser Ziel ist es, im Jahr 2021 insgesamt circa fünf Millionen junge Bäumchen auf rund 1500 Hektar Fläche im hessischen Staatswald aufzuforsten.» Das entspricht einer Fläche von 2100 Fußballfeldern.
Durch den so genannten Zwölf-Punkte-Plan des Landes zum Schutz der
Wälder fließen bis 2023 jährlich 30 Millionen Euro an Hessen Forst. Aus dem kreditfinanzierten Corona-Sondervermögen Hessens gebe es zusätzliches Geld.
Das Land ist der größte Waldbesitzer, aber nicht der einzige. Neben Kommunen (36 Prozent) sind auch Privatleute im Besitz von Flächen (25 Prozent). Beide Gruppen werden vom Hessischen Waldbesitzerverband vertreten. Der spricht von einer «katastrophalen Lage». Das Geld zum Wiederaufforsten fehle, sagt Geschäftsführer Christian Raupach: «Für die Waldbauern und
Förster, die täglich damit zu tun haben, ist die psychische und physische Belastung enorm.»
Im Kommunal- und Privatwald in Hessen seien im Mai etwa 35.000 Hektar Waldflächen kahl gewesen. Das entspricht 49.000 Fußballfeldern. «Es ist davon auszugehen, dass diese Fläche im Sommer und Herbst dieses Jahres weiter stark zugenommen hat und aktuell weiter zunimmt», sagt Raupach.
Für Waldeigentümer und Forstwirtschaft sei das existenzbedrohend: «Viele
Betriebe haben erhebliche Teile ihres stehenden Holzvorrates verloren.» Die Holzpreise seien auf einem historischen Tief. Da die im Holz einschlagenden Unternehmen nur gegen Vorkasse arbeiteten, könnten die
Waldbesitzer diese nicht mehr bezahlen. «Viele Waldeigentümer haben ihr Kreditlimit erreicht und müssen die Bekämpfung der Borkenkäfervermehrung einstellen.»
Immerhin gibt der Zwölf-Punkte-Plan des Landes auch Privatwaldbesitzern die Möglichkeit, an Zuschüsse zu kommen. Allerdings stelle sich trotzdem die Frage, wie Waldeigentümer in Zukunft wirtschaftlich überleben könnten. Denn die Haupteinnahmequelle sei der Verkauf des Holzes. «Auf den kahlgefallenen Waldflächen werden in den nächsten 30 Jahren keine Erträge erwirtschaftet.» Einen Ausgleich könnte laut Waldbesitzern eine Nachhaltigkeitsprämie leisten, die aus der Besteuerung des CO2-Ausstoßes bezahlt werden solle.