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23.06.2019 | 00:02 | Waldschädling 

Rekordschäden durch Borkenkäfer in Bayern

Freising - Der sturmreiche, sehr warme und trockene Sommer 2018 hat in Bayerns Wäldern eine Rekordmenge an Schadholz entstehen lassen.

Schäden im Wald
Sturmschäden und der vergangene Jahrhundertsommer haben dem Borkenkäfer ideale Bedingungen beschert. Die Folge sind Unmengen an Schadholz, die auf den Markt kommen. Für Experten sind das Folgen der Klimaerwärmung, die dem Wald noch mehr zusetzen werde. (c) proplanta
Mit 4,5 Millionen Festmetern bilanziert die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft für das vergangenen Jahr so viel von Borkenkäfern befallenes Holz wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg.

«Wir verzeichnen seit 2015 einen kontinuierlichen Anstieg, das hat sich 2018 noch einmal verschärft», berichtet der Leiter der Abteilung Waldschutz, Ralf Petercord.

Selbst nach den Zyklonstürmen Vivian und Wiebke Anfang der 1990er Jahre habe die Schadholzmenge unter der von 2018 gelegen, stellt der Forstwirt fest. An vielen Waldrändern stapeln sich derzeit lange Reihen aufgeschichteter Baumstämme. Oftmals können sie nicht abgefahren werden, weil die Lagerkapazitäten erschöpft sind, erläutert Petercord. «Die Sägewerke können derzeit nicht genügend Schadholz annehmen, weil sie die Mengen einfach nicht mehr verarbeiten können.»

In der Folge sank im ersten Halbjahr 2019 der Holzpreis kräftig. So werde der Festmeter Fichte der mittleren Güteklasse 2b derzeit mit 60 bis 75 Euro gehandelt, sagt der Leiter des Referats Holzwirtschaft im Forstministerium, Robert Morigl. Vor zwei Jahren seien es noch um die 100 Euro gewesen. Beim Schadholz würden häufig nur noch 25 bis 30 Euro bezahlt. Bei Einschlagkosten von bis zu 35 Euro werde damit nicht einmal der Deckungsbeitrag erreicht.

Es sei einfach zu viel Holz im Markt, weil auch aus Tschechien, Nordrhein-Westfalen und Hessen, wo bereits in früheren Jahren viel Bruchholz durch Windwürfe anfiel, Holz an die bayerischen Sägewerke geliefert werde.

Auch für 2020 ist keine Besserung in Sicht. Allein durch den Schneebruch im Alpenraum im Januar sind nach Petercords Worten in Bayern zusätzliche 450.000 Festmeter Schadholz entstanden. Ein Festmeter Holz entspricht einem Kubikmeter Holz ohne Zwischenräume. Es ist die Maßeinheit für unbearbeitete Stämme, die zum Beispiel im Wald am Wegesrand aufgeschichtet liegen.

Die lange Trockenheit seit März sei nur durch einen feuchten Mai unterbrochen worden und hat nach Angaben des Forstexperten erneut eine starke Schwarmaktivität beim Borkenkäfer in Gang gesetzt. Vor allem Kiefern und die flachwurzelnden Fichten sind anfällig für Sturmschäden und den Befall durch Borkenkäfer, der es gern warm und trocken hat und vor allem «gestresste Bäume» befällt, wie die Förster sagen.

Gestresst sind Bäume für die Experten, wenn sie im Sturm umknickten oder entwurzelt werden - oder wenn sie mangels Wasser nicht ausreichend viel Harz produzieren können, um das Insekt abzuwehren.

Der Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen spiegele sich in der Zahl der Borkenkäfergenerationen wider, sagt Petercord. 2018 war das mit einer Durchschnittstemperatur von 10,5 Grad wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Bereits 2014 bot mit 10,3 Grad Durchschnittstemperatur für den Borkenkäfer ideale Bedingungen.

«Seither machen Kupferstecher und Buchdrucker in einem Sommer drei Generationen», hat Petercord beobachtet. Vor 180 Jahren habe der Holzbrüter vielleicht mal zwei Generationen in einem Sommer hervorgebracht. Im Jahr 2100 könnten es vier Generationen sein, die in einem Sommer ausschwärmen, umreißt er das Szenario.

Wichtig sei es nun, befallene Bäume schnell zu schlagen und aus dem Wald herauszubringen. Müssen Stämme im Wald lagern, sollten sie entrindet werden. Das sei aber bei der großen Menge derzeit nicht zu schaffen. Es fehlten Entrindungsmaschinen und Arbeitskräfte.

«Wir raten, im Moment nur Schadholz aufzuarbeiten, um die Borkenkäferfront aufzuhalten.» Es müsse darum gehen, die noch intakten Bestände zu schützen. «Dafür muss ich die Brutentwicklung beeinflussen. Das kann ich nur, indem ich jetzt frisch befallene Bäume einschlage.»

Nach dem Zweiten Weltkrieg seien die zerstörten Waldflächen in Deutschland vor allem mit den schnellwachsenden Fichten und Kiefern wieder aufgeforstet worden, um den Bedarf an Bauholz zu decken. Jetzt aber müssten die Bestände zu Mischwäldern mit einem höheren Anteil an Laubbäumen umgebaut werden.

«Wenn der Temperaturanstieg weiter geht, werden die einheimischen Baumarten möglicherweise überfordert sein. Umso mehr werden wir Baumarten integrieren müssen, die wir heute noch gar nicht auf der Agenda haben», betont Petercord.
dpa/lby
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