Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
19.12.2022 | 12:37 | Wald bleibt ein kranker Patient  

Waldzustand in Baden-Württemberg wird immer schlechter

Stuttgart - Es mutet etwas absurd an, wenn Forstminister Peter Hauk über den Hitze-Sommer spricht, während landesweit vor Glatteis gewarnt wird.

Waldzustandsbericht 2022 BW
Wirklich Hoffnung hat Forstminister Peter Hauk bereits im vergangenen Jahr nicht verbreiten können beim Blick in die Wälder. «Das Schlimmste kommt noch», hatte er gemahnt trotz des kurzen Aufatmens der Bäume nach Hitze und Dürre. Hat er Recht behalten? (c) proplanta
Aber die Rekordtemperaturen, die Dürre und auch die Schädlinge haben dem Wald so sehr zugesetzt, dass der Zustand des schwer kranken Patienten Wald auch über das ganze Jahr verteilt große Sorgen bereitet. Während das kühle und feuchte Wetter den stark angegriffenen Bäumen im vergangenen Jahr noch eine kurze Verschnaufpause verschafft hat, macht der Waldzustandsbericht 2022 wenig Hoffnung.

«Die Ergebnisse sind besorgniserregend», sagt der CDU-Minister am Montag. Die Verschnaufpause sei zu kurz gewesen. Fast die Hälfte der baden-württembergischen Waldfläche (46 Prozent) ist aus Sicht der Experten deutlich beschädigt. Das Niveau des Negativrekordjahres 2020 ist damit eingestellt.

Bei der Erhebung des Waldzustands wird landesweit die Kronenverlichtung, also der Verlust von Blättern oder Nadeln, als Maß für den Gesundheitszustand der Bäume aufgenommen. Dazu wurden nach Angaben des Forstministeriums im vergangenen Juli und August auf einem systematisch angelegten Stichprobennetz mehr als 7.000 Bäume untersucht, darunter Buchen, Eschen und Bergahorn, Fichten, Kiefern, Tanne und Douglasien.

Hauk hatte sich bereits im vergangenen Jahr trotz der damaligen Lage keine großen Hoffnungen darauf gemacht, dass sich der Zustand der Wälder in den kommenden Jahren weiter verbessern werde. «Wenn wir zwei oder drei weitere feuchte und kühlere Jahre hätten, wäre das der Fall», hatte der Minister gesagt. Aber damit sei wegen des Klimawandels wohl nicht zu rechnen. «Der Wald wird auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leiden», hatte er gemahnt. «Das Schlimmste ist ja nicht überstanden, das Schlimmste kommt noch.»

Das könnte auch für das Risiko von Waldbränden in der bereits angegriffenen Natur gelten. «Die Sommer werden heißer, die Baumbestände sind inzwischen sichtbar geschädigt», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU). «Das ist eine toxische Mischung. Die Lage wird ernster, angespannter. Auch bei uns.» Forst und Feuerwehr arbeiteten deshalb stärker zusammen, außerdem tausche sich Baden-Württemberg intensiver mit Ländern swie Griechenland aus, die seit vielen Jahren und unter weitaus extremeren Bedingungen mit Waldbränden zu kämpfen haben.

Die Verantwortung für den Zustand sieht Hauk nicht bei der grün-schwarzen Koalition. «Die Folgen für den Wald von heute spiegeln die Fehler und Inkonsequenz beim Klimaschutz von vor 20 Jahren wieder», sagte er. Es sei richtig, den Wald intensiv umgebaut und mit dem Kampf gegen den Klimawandel begonnen zu haben. «Die Wirkung eingeleiteter Veränderungen zeigt der Wald nicht von heute auf morgen, deshalb müssen wir den eingeschlagenen Kurs weiter konsequent umsetzen», sagte er.

Mit dem Kurs ist Jerg Hilt, Geschäftsführer der Forstkammer Baden-Württemberg, zwar zufrieden. Klimastabile Baumarten müssten gepflanzt und heimisches Holz als Ersatz für klimaschädliche und fossile Rohstoffe genutzt werden, junge Bäume benötigten zudem mehr Platz. «Aber wir müssen das Tempo erhöhen», sagte Hilt, dessen Kammer die privaten und kommunalen Waldbesitzer vertritt.

Das Land wolle im nächsten Doppelhaushalt deutlich weniger Geld für den Wald bereitstellen, das sei ein schlechtes Zeichen. «Es wurden viele sinnvolle Maßnahmen und Programme eingeleitet, in den nächsten zwei Jahren fehlen aber die Mittel für die Umsetzung. Wir können uns nicht leisten, die nächsten zwei Jahre auf die Bremse zu treten.»

Bei den Nadelbäumen hat laut Zustandsbericht vor allem die Kiefer mit einem mittleren Nadelverlust von 33 Prozent gelitten, Fichte, Tanne und Lärche liegen bei rund 25 Prozent. Der Fichte setzen auch die Borkenkäfer zu, die wegen der warmen Temperaturen bis in mittlere Höhenlagen drei Generationen ausbilden und sich sprunghaft vermehren konnten. Die Douglasie kommt da - aber auch nur vergleichsweise - gut weg: Sie gilt als resistent gegen Trockenheit und verliert etwas mehr als jede fünfte Nadel (21 Prozent).

Bei den Laubbäumen setzt sich der eher noch junge und starke Bergahorn (18 Prozent Blattverlust) am besten durch. Anders die Esche, die vor allem wegen eines Pilzes rund 43 Prozent verliert. Beim häufigsten Laubbaum, der Buche, ist nur fast jedes zehnte Exemplar (neun Prozent) unbeschädigt, 58 Prozent dagegen gelten als deutlich geschädigt, bei den Eichen liegt der Anteil sogar bei 71 Prozent. «Das ist mehr als bei jeder anderen Baumart in Baden-Württemberg», sagte Hauk.

Mit Blick auf die Zahlen schlägt der Landeswaldverband Alarm: «Bei solchen Wunden reicht kein Pflaster mehr, da muss eine umfangreiche Behandlung erfolgen», sagte Geschäftsführerin Odile Bour. Die Waldstrategie drohe aber wegen des gekürzten Landeshaushalts in der Schublade zu verstauben. Es sei notwendig, Forstleute auszubilden, die den Umbau des Waldes begleiten können. Wichtige neue Stellen für die Forstverwaltung seien aber mit den Mitteln aus dem Doppelhaushalt nicht zu finanzieren, sagte Bour, in deren Verband sich Vereine zusammengeschlossen haben, die sich für den Wald einsetzen.

Die Hitze- und Trockenperioden der vergangenen Jahre seien erst der Anfang einer gefährlichen Entwicklung, warnt auch der Naturschutzbund Nabu. «Wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu bremsen, werden wir den Wald, wie wir ihn kennen und lieben, bald nicht wiedererkennen», sagte sein Landesvorsitzender Johannes Enssle. Die Wälder seien die Lebensräume, an denen die dramatischen Folgen der Klimakrise am deutlichsten sichtbar würden. Waldbesitzer, Försterinnen und Förster müssten sich ebenso wie die Holzbranche als Botschafter für Energiewende und Klimaschutz engagieren.
dpa/lsw
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Abgeordneter ruft Verfassungsgericht wegen Klimaschutz-Reform an

 24 Millionen Menschen von Dürre im Süden Afrikas betroffen

 Union kritisiert Eile bei Solarpaket und Klimaschutzgesetz-Reform

 Experten kritisieren G7-Klimaschutzpolitik als unzureichend

 Bayern fordert Ausnahmeregelung für EU-Entwaldungsverordnung

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken