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16.07.2019 | 04:08 | Trockenstress 

Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Frankfurt/Main - Durstige Bäume, Brände, gefräßige Schädlinge: Der Wald in Deutschland ist vielerorts gestresst und leidet unter den Folgen von Trockenheit.

Waldbau
Trockenheit führt zu Stress im Wald. Mit Blick auf den Klimawandel überlegen Forstexperten, auf welche Bäume sie künftig setzen können - und schauen für die Antwort insbesondere auf den Boden. (c) proplanta
Forstexperten ringen mit den aktuellen Herausforderungen und müssen gleichzeitig Fragen für die Zukunft klären: Welche Bäume kommen mit dem Klimawandel und den Bedingungen in 20, 50 und 100 Jahren klar?

«Bäume sind ja langlebig, was die Vorhersage für die Forstwirtschaft so schwierig macht», sagt Hermann Spellmann, der Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen. Helfen sollen langfristige Klimamodelle und genaue Standortkarten mit Eigenschaften des Bodens. Dabei geht es insbesondere um dessen Wasserspeicherfähigkeit. So soll prognostiziert werden, wo den Bäumen künftig welche Menge Wasser zur Verfügung stehen wird.

Die Versuchsanstalt überarbeitet derzeit eine entsprechende Standortkartierung für Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Das nördlichste Bundesland ist nach wie vor das mit deutlichem Abstand waldärmste Flächenland in Deutschland - laut Statistischem Bundesamt mit einem Waldanteil von nur 10,3 Prozent.

«Wir haben immer schon Klimawandel gehabt», sagt Spellmann. «Aber das, was wir jetzt erleben, ist von der Geschwindigkeit und vom Ausmaß her anders als das, was in der Vergangenheit stattgefunden hat. Und da kommen die Baumarten an die Grenze ihrer Anpassungsfähigkeit.»

Der Hitzesommer 2018 hat gezeigt, was Trockenheit im Wald anrichten kann: Bäume werden geschwächt und sterben ab. Geraten Bäume in Dürre-Stress, haben Schädlinge wie der Borkenkäfer leichteres Spiel. Im Jahr 2018 brannte zudem so viel Wald wie seit 26 Jahren nicht mehr - knapp 2.350 Hektar Fläche. Und auch 2019 spart bislang mit Niederschlägen.

«Der Wald vertrocknet regelrecht», sagt Christian Raupach, der geschäftsführende Direktor des hessischen Waldbesitzerverbandes. Das Bundesland ist auf 39,8 Prozent seiner Fläche bewaldet und gehört damit zur Spitzengruppe in Deutschland. Die Trockenheit macht den Forstleuten große Sorgen: «Da sterben 160 Jahre alte Buchen innerhalb eines Jahres ab», berichtet Raupach.

Die Buche gehört zu den wichtigsten Baumarten in Deutschland. Bundesweit zählen außerdem Fichte, Kiefer und Eiche dazu, wie Spellmann auflistet. Und diese kämen unterschiedlich gut mit Trockenheit zurecht: die Kiefer und Eiche besser, Fichte und Buche schlechter. Werden diese Arten künftig aus den Wäldern verschwinden? Zumindest wohl an manchen Standorten.

«Wir werden mit unseren wichtigsten Baumarten auch in Zukunft arbeiten können», sagt Spellmann. «Aber das Landschaftsbild wird sich verändern, weil Baumarten in Abhängigkeit von der künftigen Wasserversorgung eine andere räumliche Zuordnung bekommen.» Es werde also einen großen Umbau der Bestände geben, um sie an den Klimawandel anzupassen. Wo jetzt noch Fichten wachsen, könnten es zukünftig Eichen sein. Mancherorts könnten die Buchen verschwinden und auch durch importierte Baumarten ersetzt werden.

Schon heute wird beispielsweise die aus Nordamerika stammende Douglasie angepflanzt - was nicht unumstritten ist. Die Douglasie sei einst als «Zukunftsbaum für den Klimawandel» eingeführt worden, sagt Pflanzenökophysiologe Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Doch auch sie zeige nach dem Sommer 2018 mancherorts starke Schäden.

«Die größte Herausforderung wird sein, die Waldwirtschaft mit den notwendigen grundlegenden Kenntnissen zu versorgen», so Hartmann. «Die Forschung muss die physiologischen Reaktionen von Baumarten auf extreme Hitze- und Trockenstress-Ereignisse untersuchen, um - darauf aufbauend - waldbauliche Konzepte zu erstellen.»

Vergangene Woche hatte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) ein Programm zur Wiederaufforstung der Flächen in Deutschland gefordert, auf denen Wald durch Dürre, Stürme, Brände und Schädlinge beschädigt worden ist. Dem Agrarministerium zufolge werden in Deutschland mehrere Millionen Bäume benötigt, um den Verlust von insgesamt 110.000 Hektar Wald auszugleichen.

Klar ist, dass der Wald einen Arten-Mix benötigt. «Der Wald kann am besten dadurch auf den Klimawandel vorbereitet werden, indem wir eine möglichst vielfältige Baumartenmischung haben», hatte bereits Anfang des Jahres ein Sprecher des Landesbetriebs Hessen-Forst die Linie der Behörde skizziert, die sich insbesondere um den hessischen Staatswald kümmert. Die Hauptbaumart in Hessen werde die Buche bleiben. Zu den neuen Arten gehören demnach Douglasie, Roteiche oder Elsbeere.

Naturschützer halten einen weiteren Aspekt zur Anpassung an den Klimawandel für wichtig: mehr naturnahen Wald schaffen, also Wald, in dem Alt- und Totholz verbleibt. «Durch Verdunstung von Wasser, das sowohl im lebenden wie im abgestorbenen Holz vorhanden ist, schafft sich der Wald ein eigenes Klima, extreme Hitze wird so abgepuffert», heißt es beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Die Konsequenz für die Zukunft müsse sein, das Risiko zu verteilen, sagt der Leiter der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt Spellmann. «Wir wollen überwiegend mit Mischbeständen arbeiten.» Baumarten müssten in Abhängigkeit von ihrer Trockenstress-Resistenz miteinander kombiniert werden. Das wird allerdings viel kosten, denn: «Dahinter stecken riesige Investitionen.»
dpa
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