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07.09.2006 | 08:52 | Aus der Wissenschaft 

Auge in Auge mit der Schabe - Ein Insektenforscher bei der Arbeit

Koblenz - Der Anblick einer Kakerlake löst bei vielen Menschen Ekel aus.

Forschung
(c) dgrilla - fotolia.com
Bei Michael Faulde huscht ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht, wenn er die krabbeligen Gestalten ohne zu zögern mit der Hand fasst und sie entsetzten Studenten oder Besuchern vor die Nase hält. Seit Jahren beschäftigt sich der 46-Jährige mit Schädlingen, die Krankheiten auf den Menschen übertragen können. Der promovierte Insektenforscher leitet die Laborgruppe Medizinische Zoologie beim Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Koblenz. Ekelgefühle kämen bei ihm selten auf, sagt Faulde: «Ich liebe alle Insekten.»

Schätzungsweise 20 000 bis 25 000 Insekten aus mehr als 20 Arten stehen unter genauer Beobachtung des Wissenschaftlers und seiner zwei Mitarbeiter. Ziel sei es, Bundeswehrsoldaten im In- und Ausland vor krankheitsübertragenden Tieren zu schützen, erklärt Faulde. Gegen die kleinen Plagegeister schützten auch modernste Waffen nicht: «Es ist gerade der "kleine Feind", den Sie nicht sehen, den Sie oft nicht kennen und nicht beurteilen können, der viel Panik hervorrufen kann.»

Ein kranker Soldat kann seinen Auftrag nicht erfüllen, sagt Faulde. So hätten amerikanische und britische Soldaten in Afrika schon viele Probleme mit Malaria gehabt. Und die Bundeswehr im afghanischen Masar-i-Scharif kämpft aktuell gegen eine winzige Sandmücke. Das Insekt überträgt einzellige Parasiten, die die Leishmaniose oder Orientbeule auslösen - eine Krankheit, bei der sich Geschwüre auf der Haut bilden, die dauerhaft Narben hinterlassen.

«Es gibt überall Aspekte, die einen überraschen - auch heute noch», sagt Faulde. Nach seinen Worten flammen alt bekannte Infektionskrankheiten wieder auf, Übertragungsmechanismen ändern sich oder bislang nicht erkannte Zusammenhänge werden sichtbar. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie (Insektenkunde), Prof. Gerald Moritz, rechnet damit, dass Klimawandel und Globalisierung auch Infektionskrankheiten wie Malaria und Leishmaniosen zur Ausbreitung verhelfen.

In gut gesicherten Terrarien hält Faulde seine Schabenzuchten. «Schaben können eine ganze Reihe von Krankheitserregern an sich und in sich tragen und verbreiten», erklärt er. Zudem enthielten ihr Speichel und Kot Stoffe, die Allergien und manchmal sogar Krebs auslösen könnten. Und Kakerlaken sind weit verbreitet: «Es gibt kaum Großküchen, die keine Schaben haben», weiß der Forscher. Um in den verschiedensten Arealen überleben zu können, kommunizieren die Insekten laut Faulde miteinander über Duftstoffe.

Das macht auch ihre Bekämpfung so schwierig. Viele marktübliche Schabenköder, die eine hundertprozentige Wirkung versprächen, könnten den Kakerlaken gar nichts anhaben. «Wir haben festgestellt, die Schaben verhungern lieber, als dass sie das fressen», sagt er und schmunzelt. Es habe sich aber herausgestellt, dass Kieselgur, also Ablagerungen von Kieselalgen, die Schädlinge töten könne. Mit Ausnahme der Orientalischen Schabe. Diese befiel im vergangenen Jahr im niedersächsischen Kreis Vechta einige hundert Häuser und Betriebe und habe auf Kieselgur kaum reagiert.

Laut Moritz forschen deutschlandweit mindestens 800 Menschen haupt- oder nebenberuflich an Insekten. Faulde ist auch Privatdozent an der Universität Bonn. Und er gehört nach eigenen Angaben zu den zwei Wissenschaftlern in Deutschland, die eine Lehrberechtigung für das Fachgebiet Medizinische Insektenkunde besitzen. Seine Liebe zu den Krabbeltieren hört jedoch an der heimischen Haustür auf - aus Rücksicht auf die Ehefrau, wie er einräumt. «Ich habe striktes Verbot, Schaben, insbesondere lebende und nicht eingesperrte, mit nach Hause zu bringen.»

Quelle: dpa 07.09.2006 / 1:33
© dpa



Weitere Infos:
>
Madagaskar-Fauchschaben: pflegeleichte Haustiere

> Zisch-Laute der Madagaskar-Fauchschabe
(WAV 110kb)
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