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12.03.2011 | 22:03 | E10-Einführung 

E10: Die Preise müssen runter

Stuttgart - Experte der Universität Hohenheim fordert deutliche Preisnachlässe, um E10 im Markt zu etablieren.

E10
(c) proplanta
Am Dienstag fand der „Benzin-Gipfel“ bei Bundeswirtschaftsminister Brüderle statt. Die Ergebnisse hält Prof. Dr. Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing I der Universität Hohenheim für nicht ausreichend. Er schlägt vielmehr vor, dass E10 in der Einführungsphase mit massiven Einführungsrabatten vermarktet werden sollte. Das Interview ist ein Beitrag im Rahmen des Themenjahrs 2011 „Universität Hohenheim – stark durch Kommunikation“.


Herr Prof. Voeth, was halten Sie von den erzielten Ergebnissen des sogenannten Benzingipfels?

Ich denke, es ist nicht mehr als ein Minimalergebnis, wenn am Ende eines solchen Gipfels feststeht, dass E10 nicht vom Markt genommen wird, die Mineralölindustrie nun E10 auch unterstützt und man die Kunden zukünftig verbindlich informieren will, welche Autos E10 vertragen.


Aber ist dem Kunden nicht schon viel damit geholfen, wenn er nun weiß, ob sein Auto E10 verträgt oder nicht?

Ja, natürlich sind solche Informationen hilfreich. Ein Großteil der Verunsicherung der Kunden in den letzten Wochen ist darauf zurückzuführen, dass diese Informationen nicht vorlagen. Aber diese Information hätte man schon vom ersten Tag an erwarten dürfen.


Warum?

Stellen Sie sich vor, ein Pharmahersteller bringt ein neues Medikament auf den Markt, versäumt es aber, auf dem Beipackzettel zu notieren, für welche Krankheiten das Medikament geeignet ist. Da würde man doch auch sagen, dass das grob fahrlässig ist.


Aber dann ist ja jetzt das Problem gelöst. Wenn es der Auto- und Mineralölindustrie sowie der Politik gelingt, über Tankstellen, Internet und Werkstätten darüber zu informieren, welche Autos E10 vertragen, steht ja der Verbreitung nichts mehr im Wege.

Das sehe ich nicht so. Denn damit fängt das eigentliche Problem doch erst an. Wenn ein Unternehmen ein neues Produkt auf den Markt bringt, dann reicht es nicht aus sicherzustellen, dass seine Kunden durch Ge- oder Verbrauch des Produktes keinen Schaden nehmen. In der Regel setzen Kunden voraus, dass Anbieter keine schädlichen Produkte auf den Markt bringen. Erst wenn dies gesichert ist, kommen Kunden überhaupt auf die Idee ein Produkt in Erwägung zu ziehen. Entscheidend ist dann aber, ob dieses Produkt einen Vorteil gegenüber etablierten Produkten aufweist.


Aber ist das bei E10 nicht klar? Es soll doch umweltfreundlicher und nachhaltiger sein.

Also zunächst einmal sind da nicht alle Experten einer Meinung. Umweltorganisationen etwa bezweifeln, ob von einem positiven Gesamteffekt auch dann noch gesprochen werden kann, wenn man beispielsweise die Auswirkungen auf die globale Nahrungsmittelversorgung berücksichtigt. Und außerdem wissen wir aus verschiedenen Studien zur Zahlungsbereitschaft von Nachhaltigkeit, dass Kunden nur dann bereit sind, nachhaltige Produkte zu kaufen, wenn diese für sie persönlich einen Vorteil aufweisen, also etwa wie bei Bio-Lebensmitteln, die gesünder sein sollen. Mit anderen Worten: Um die Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland von dem Öllieferanten Libyen zu verringern, steigt nicht die Mehrzahl der Kunden von Super Plus auf E10 um.


Was sollte man also Ihrer Meinung nach tun, um E10 erfolgreich in den Markt einzuführen?

Da das Produkt ja Autos nicht schneller fahren oder länger leben lässt, also keinen Leistungsvorteil aufweist, sollte und muss man wohl das tun, was in vielen anderen Branchen bei der Einführung neuer Produkte ganz normal ist: Man sollte das neue Produkt ganz einfach mit deutlichen Preisnachlässen im Markt anbieten. Wenn etwa E10 nicht nur 6 Cent, sondern 16 Cent günstiger als Super Plus wäre, dann würde sich schon ein Teil der Kunden überlegen, auf E10 umzusteigen.


Ist das für die Mineralölfirmen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglich?

Wenn ein ernsthaftes Interesse besteht, E10 im Markt zu etablieren, dann gehört es zum normalen unternehmerischen Alltag, dass man dann auch bereit sein muss, in das neue Produkt zu investieren. Einführungsrabatte sind ja auch in anderen Branchen völlig normal. Man verzichtet einfach für einen Zeitraum wie ein Jahr auf einen Teil seiner Marge, um das Produkt den Kunden erstmal schmackhaft zu machen. Später kann man dann die Preise dann ja wieder etwas anheben, wenn die Kunden ihre Kaufzurückhaltung aufgegeben haben.


Die Mineralölfirmen haben doch schon versucht, das Produkt über den Preis einzuführen?

Ja, das stimmt. Aber erstens haben sie meines Erachtens vor allem E10 attraktiver zu machen versucht, indem sie den Preis von Super Plus angehoben haben. Allerdings wissen wir aus vielen anderen Branchen, dass man neue Produkte nicht durch Sanktionierung des Verbrauchs von Altprodukten, sondern viel erfolgreicher durch Anreize für den Kauf von Neuprodukten in den Markt bringt. Und daher ist zweitens festzustellen, dass die Preisvorteile für E10 offenbar bei Weitem noch nicht ausreichen. Meine Empfehlung ist also: Preisnachlässe für E10.


Was halten Sie übrigens von dem Namen „Super E10“?

Der Name passt zur bisherigen Vermarktung: furchtbar! Während andere Produkte Super Plus oder Long Life heißen, erinnert E10 an den Chemieunterricht in der Schule. Besser wäre sicher Super Bio oder ähnliches gewesen. Ein solcher Name wäre zumindest positiv besetzt gewesen.


Hintergrund: Themenjahr 2011 „Universität Hohenheim – stark durch Kommunikation“

Das Themenjahr „Kommunikation“ der Universität Hohenheim soll einem breiten Spektrum unterschiedlicher Wissenschaftsbeiträge eine Plattform bieten. Die Universität Hohenheim selbst bezieht dabei ihrem Grundauftrag entsprechend keine eigene Position, allein die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen ihre fundierten Standpunkte nach außen dar. (idw/Uni Hohenheim)
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