Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
02.11.2018 | 08:36 | Nachwachsende Rohstoffe 

Forscher entwickeln Raffinerie für Biokunststoffe

Eningen - Andrea Kruse hat eine Vision. Wenn sich Frauen künftig Nylonstrümpfe überstreifen, sollen deren Bestandteile aus Gras bestehen.

Biokunststoff
Kunststoffprodukte sollen umweltfreundlicher werden. Forscher der Universität Hohenheim haben deshalb eine Bioraffinerie entwickelt. Sie wandelt Pflanzenteile in Rohstoffe für Verpackungen und Bekleidung um. (c) proplanta
Oder aus Chicorée-Wurzeln. Oder aus alten Brötchen. Ermöglichen soll das eine sogenannte Bioraffinerie, die pflanzliches Ausgangsmaterial in Biokunststoffe verwandelt. Kruse ist Fachgebietsleiterin für Konversionstechnologien nachwachsender Rohstoffe an der Universität Hohenheim und hat am Mittwoch mit einem Forscherteam ihrer Hochschule den Prototyp in Betrieb genommen.

Die Bioraffinerie der Hohenheimer Wissenschaftler steht in einem ehemaligen Schlachthaus auf einer Hofanlage in Eningen (Baden-Württemberg), wo die Universität eine Versuchsstation betreibt. Umbau der Räume und Bau der Anlage haben insgesamt mehr als 1,2 Millionen Euro gekostet, gefördert aus Forschungsprojekten von EU, Bund und Land. Ein Jahr lang habe das Team die Raffinerie geplant und dabei auf seit vielen Jahren erhobene Labordaten zurückgegriffen, sagt Ingenieur David Steinbach.

Nun können die Forscher einen Brei aus Miscanthus, einer auch als Chinaschilf bekannten Pflanze, in die Bioraffinerie einspeisen. Mit der Anlage lässt sich aus dem Schilfgras sogenanntes Hydroxymethylfurfural (HMF) gewinnen - ein Ausgangsstoff zur Herstellung von Getränkeflaschen, Verpackungen und Autoteilen. Oder eben von Strumpfhosen. «Bisher benutzte man dafür Erdöl», sagt Steinbach. HMF soll solche fossilen Rohstoffe ersetzen.

Die Universität Hohenheim pflanzt Chinaschilf auf einigen Testfeldern um Eningen an. In ganz Baden-Württemberg belaufe sich die Anbaufläche derzeit auf 100 Hektar, schätzt Agrarwissenschaftlerin Iris Lewandowksi. Geht es nach Andrea Kruse, vergrößert sich diese künftig deutlich: «Unsere Idee ist, dass Landwirte es auf ihren weniger guten Feldern anbauen und so die Biomasseproduktion in ihren Betrieb integrieren.» Zu dieser Idee gehört auch, dass Bauern eine Bioraffinerie auf ihrem Hof stehen haben und diese mit selbst angebautem Schilf füttern. Über zentrale Sammelanlagen soll der Biokunststoff zu Industriepartnern gelangen. Kruse will beispielsweise Babynahrungshersteller, Getränkekonzerne oder eben Sportbekleidungs- und Strumpffabrikanten dafür gewinnen.

In anderen Fachbereichen, etwa der Chemie, existierten bereits ähnliche Forschungsprojekte, sagt Kruse. Eine Studie des Nova-Instituts im Auftrag des Bio-Based Industrie Consortium verzeichnet Ende 2017 europaweit 224 unterschiedliche Bioraffinerien - auch solche, die auf Zucker-, Öl- und Holzbasis arbeiten oder Biodiesel produzieren. Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung untersucht das Marktpotenzial biobasierter Lebensmittelverpackungen oder die Anwendbarkeit von Biokunststoffen im unternehmerischen Großeinkauf.

Die Bioraffinerie im ehemaligen Eninger Schlachthaus setzt ein Kilogramm Chinagras pro Stunde um. Für die Anlagen der Zukunft schwebt den Forschern ein Wert von einer Tonne am Tag vor - die Dimensionen künftiger Raffinerien hängen allerdings auch vom Ausgangsrohstoff ab. Denn Kruse zufolge lassen sie sich neben Schilf auch mit anderen bisherigen Abfallprodukten - etwa Teilen der Chicorée-Wurzel oder sogar alten Backwaren - befüllen. Für größere Folgeanlagen müssten aber erst einmal Investoren gefunden werden. Steinbach schätzt ihre Kosten auf zwei Millionen Euro.
dpa
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Biomasse bringt größte THG-Einsparung nach Windkraft

 Wirtschaft im Südwesten Treiber der Energiewende

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken