Bohrmechanismus des Wildweizens entschlüsselt (c) MPG
Die Forscher haben entdeckt, wie ein Korn, das zu Boden fällt, von seinen Grannen in die Erde getrieben wird. Die Grannen nutzen die Feuchtigkeitsveränderung für ihren einfachen, aber wirkungsvollen Antrieb in die Erde, berichten die Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.
"Das Außergewöhnliche an unserer Entdeckung war die Funktion der Grannen, die wie ein Motor funktionieren," so Forschungsgruppenleiter Peter Fratzl, Direktor des Max-Planck-Instituts. Diese feinen Borsten nutzen die unterschiedliche Feuchte für ihren Antrieb: In der trockenen Luft des Tages biegen sich die Borsten nach außen. Nachts, wenn es feuchter ist, strecken sie sich dagegen. Durch diese Bewegungen über mehrere Tage hinweg, bohrt sich das Korn, ähnlich wie ein schwimmender Frosch, in die Erde. "Das Faszinierende daran ist, dass das Korn keinen aktiven Metabolismus besitzt und dennoch zyklische Bewegungen ohne direkte Energiezufuhr ausüben kann", erklärt der Physiker.
"Es war uns nicht klar, warum auf der Außenseite der Grannen zusätzlich diese feinen widerhakenartigen Silicahärchen vorhanden sind", erklärt Fratzl. "Man nahm an, dass sie ausschließlich zum besseren Flug da waren. Also dazu, dass sich die Körner abwärts bewegen." Das Besondere daran sei die Erkenntnis, dass die Grannen Steuer und Motor in einem sind. Sie steuern das reife Korn mit der Spitze abwärts zu Boden, indem sie die Saat im Fallen richtig ausbalancieren.
Wenn das Korn dann in der Erde steckt, verwandeln es die beiden Borsten in einen Bohrer. "Und das geht nur dank der feinen Silica-, also Glashärchen, auf ihrer Außenseite. Diese Härchen wirken wie Widerhaken, die verhindern, dass sich die Grannen wieder aus der Erde schieben. In Versuchen konnten die Forscher dies auch nachweisen: Sie schlugen ein Weizenkorn und den unteren Teil seiner Grannen in ein Tuch ein. Die Silicahärchen verhakten sich im Stoff. Anschließend erhöhten und senkten die Forscher die Luftfeuchtigkeit. Tatsächlich rutschte das Korn mit jedem Feuchtigkeitszyklus ein bisschen tiefer in das Tuch.
Der Wildweizen ist also perfekt an die Umgebung angepasst. An seinen natürlichen Standorten ist es tagsüber trocken und nachts feucht. Die Sonne beziehungsweise die Luft dient als Energiequelle. "Der Weizen, der heute angebaut wird, beherrscht diesen Trick allerdings nicht mehr", so der Forscher abschließend. (MPG)