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04.08.2015 | 07:05 | Forschung zu Entstehung des Ackerbaus 

Grundlagen für die Domestikation der Gerste aufgeklärt

Gatersleben - Die Domestikation von Wildpflanzen in kultivierbare Formen ermöglichte dem Menschen die Ausübung von Ackerbau und somit den Übergang aus einer Sammler- und Jägerlebensweise zur Sesshaftigkeit.

Moderner Gerstenanbau
(c) proplanta
Dieser Schritt vollzog sich vor ca. 10.000 Jahren im Nahen Osten – dem so genannten fruchtbaren Halbmond, einer Region, die sich sichelförmig von Israel über Syrien, die Südosttürkei bis in den Nordirak und -iran erstreckt.

Hier wurden unsere heutigen Getreidearten aus Wildgräsern domestiziert. Allen voran Gerste, die in den frühen Ackerbaugesellschaften einen wesentlichen Bestandteil der Ernährung ausgemacht haben muss.

Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung von Dr. Takao Komatsuda, National Institute of Agricultural Sciences, Tsukuba, Japan und unter maßgeblicher Mitwirkung der von Dr. Jochen Kumlehn und Dr. Nils Stein sowie Professor Dr. Andreas Graner geleiteten Arbeitsgruppen des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben/ Deutschland, hat nun die molekulargenetischen Grundlagen des wichtigsten Domestikationsmerkmals der Gerste - die Spindelfestigkeit - aufklären können und in der renommierten Fachzeitschrift Cell publiziert.

Die Wildform der Gerste ist bei der Ausbreitung ihrer Nachkommenschaft darauf angewiesen, dass die Ähre zum Zeitpunkt der Samenreife auseinander fällt und dadurch alle Körner unabhängig voneinander verbreitet werden können. Dieses Merkmal macht eine effiziente Ernte des Korns allerdings unmöglich. Seit Beginn der landwirtschaftlichen Nutzung der Gerste wurde daher Saatgut von Pflanzen, die eine stabile Ährenachse aufwiesen, bevorzugt. Auf diese Weise wurde die Urform der Kulturgerste mit einer entsprechend höheren Spindelfestigkeit domestiziert.

In dem renommierten Wissenschaftsjournal Cell konnten die international kooperierenden Wissenschaftler zeigen, dass zwei chromosomal eng benachbarte Gene unabhängig voneinander durch spontane genetische Veränderung (Mutation) ihre Wirkung verloren, wodurch eine stabile Ährenachse ausgebildet wird. Die Arbeitsgruppe um Dr. Jochen Kumlehn konnte durch Hinzufügen nichtmutierter Genvarianten aus Wildgerste in eine heutige Kulturgerste den Beweis dafür führen.

Für eines dieser beiden Gene wurde die ursprüngliche, nichtmutierte Variante in einer Wildgerstenpopulation aus Israel identifiziert, womit der wahrscheinliche Ursprungsort der Domestikation der Gerste eingegrenzt werden konnte. Jedes der beiden identifizierten Gene bewirkt in reinerbig mutierter Form einen Verlust der Ährenspindelbrüchigkeit. Interessanterweise kam es durch die Ausbreitung des Ackerbaus nach Westen (Europa) bzw. Osten (Asien) zu einer Auftrennung von Kulturformen deren Ährenfestigkeit entweder auf dem einen oder dem anderen Gen beruht. „Deshalb“, so Dr. Nils Stein „kommt es heutzutage in der Pflanzenzüchtung durchaus vor, dass bei der Kreuzung west-europäischer Gerstensorten mit solchen aus Ostasien spindelbrüchige Nachkommenschaften entstehen“.

Diese bahnbrechenden Ergebnisse des internationalen Forscherteams helfen,  die Domestikationsgeschichte unserer heutigen Getreidearten besser zu verstehen. Auf dieser Grundlage ist es u. a. möglich, zu untersuchen ob in den anderen, nahe verwandten Getreidearten Weizen und Roggen dieselben Gene eine Veränderung durchliefen oder andere Faktoren an der Herausbildung der Spindelfestigkeit beteiligt waren.

Publikationen:

Pourkheirandish, M., G. Hensel, B. Kilian, N. Senthil, G. Chen, M. Sameri, P. Azhaguvel, S. Sakuma, S. Dhanagond, R. Sharma, M. Mascher, A. Himmelbach, S. Gottwald, S. Nair, A. Tagiri, F. Yukuhiro, Y. Nagamura, H. Kanamori, T. Matsumoto, G. Willcox, C.P. Middleton, T. Wicker, A. Walther, R. Waugh, G.B. Fincher, N. Stein, J. Kumlehn, K. Sato and T. Komatsuda (2015) Evolution of the grain dispersal system in barley. Cell. Published online: 30.07.2015

Sakuma S, M Pourkheirandish, G Hensel, J Kumlehn, N Stein, T Wicker, A Tagiri, T Tsuchida-Mayama, H Ichikawa,  H Kanamori,  T Matsumoto, N Mitsuda, M Ohme-Takagi, N Yamaji, J Feng Ma, H Sassa, T Koba and T Komatsuda (2013) The acquired localization of Vrs1 expression suppresses pistil development in barley lateral spikelets. New Phytologist 197: 939–948.

Komatsuda, T., M. Pourkheirandish, C. He, P. Azhaguvel, H. Kanamori, D. Perovic, N. Stein, A. Graner, T. Wicker, A. Tagiri, U. Lundqvist, T. Fujimura, M. Matsuoka, T. Matsumoto and M. Yano (2007), Six-rowed barley originated from a mutation in a homeodomain-leucine zipper I-class homeobox gene. Proceedings of the National Academy of Sciences USA. 104(4): p. 1424-1429. (ipk)
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