Die gestiegenen Preise für Energie und Vorleistungen allein erklären laut dem ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München nicht das Ausmaß der Inflation in Deutschland.
„Vielmehr scheinen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen die Preissteigerungen dazu genutzt zu haben, ihre Gewinne auszuweiten. Das gilt vor allem für den Handel, die Landwirtschaft und den Bau“, so der stellvertretende Leiter der ifo-Niederlassung Dresden, Prof. Joachim Ragnitz, unter Verweis auf Daten der amtlichen Statistik zur Wirtschaftsleistung. Daraus hat das ifo Institut Unterschiede zwischen der nominalen und der preisbereinigten
Wertschöpfung ermittelt.
Der Forschungseinrichtung zufolge lassen sich so Rückschlüsse auf Preisanhebungen ziehen, die nicht durch höhere Vorleistungskosten verursacht wurden. Laut Ragnitz haben insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei sowie im Baugewerbe und in Handel, Gastgewerbe und Verkehr die Unternehmen ihre Preise „deutlich stärker erhöht als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre“.
Einige Unternehmen hätten offenbar den Kostenschub als „Vorwand“ dafür genommen, durch eine Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern.
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung abwarten
In seinem Aufsatz „Gewinninflation und Inflationsgewinner“ schreibt Ragnitz, dass es nicht verwundere, dass die Preise in der Landwirtschaft so kräftig gestiegen seien. Agrarrohstoffe würden meist global gehandelt.
Viele Güter hätten sich nicht zuletzt aufgrund der durch den Krieg in der Ukraine hervorgerufenen Verknappung weltweit verteuert. Hinzu komme, dass Landwirtschaftsunternehmen zunächst wohl ihre Vorräte an Dünge- und Futtermitteln aufgebraucht hätten, in ihrer Kalkulation aber die zu erwartenden Preissteigerungen bei Nachbestellungen bereits eingerechnet hätten.
Über das tatsächliche Ausmaß der Gewinnsteigerung und der gleichzeitigen Verstärkung der Inflation können laut Ragnitz bislang allerdings nur vorläufige Aussagen getroffen werden. Genauer und vor allem auch sektoral stärker differenziert lasse sich dies erst aufzeigen, wenn im kommenden Jahr die Jahresergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorlägen.
Enge Versorgungslage
Der Anstieg der Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte spiegelte sich auch in dem Einkommensanstieg der Landwirtschaft wider, den der Deutsche
Bauernverband (
DBV) am vergangenen Donnerstag (8.12.) mit seinem
Situationsbericht für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 2021/22 darlegte. DBV-Präsident
Joachim Rukwied warnte jedoch davor, die Einkommenszuwächse überzubewerten und verwies auf die vorausgegangene wirtschaftliche Durststrecke.
Auch sei die Verbesserung der Betriebsergebnisse dringend notwendig, um die gestiegenen Marktrisiken und Klimarisiken bewältigen zu können. Ursache für die gestiegenen Erzeugerpreise ist laut
Rukwied eine enge Versorgungslage auf den internationalen Märkten, die sich bereits Mitte 2021 abgezeichnet und mit Ausbruch des Ukraine-Krieges noch verstärkt habe.
Zugleich hatte der
Bauernpräsident deutlich gemacht, dass den höheren Agrarpreisen kräftige Kostensteigerungen bei Energie sowie Dünge- und Futtermitteln gegenüberstünden. Darüber hinaus gebe es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der wirtschaftlichen Entwicklung der Betriebe. Rukwied hatte es als große Herausforderung bezeichnet, „in diesen unsicheren Zeiten eine stabile
Lebensmittelproduktion zu erhalten“.
Fehleinschätzung
Derweil warnten die Freien Bauern vor einer Fehleinschätzung des landwirtschaftlichen Anteils an der Inflation. „Die meisten Bauernhöfe haben im laufenden Jahr wieder Gewinne eingefahren, mit denen
Betriebsleiter und mithelfende Familienangehörige den Mindestlohn überschreiten“, erklärte Jan-Harro Petersen von der Bundesvertretung der Freien Bauern.
Nach seinen Worten war das „bitter nötig“, um die
Versorgung der Bevölkerung mit
Lebensmitteln zu gewährleisten. Petersen sieht für die
Preissteigerung bei Lebensmitteln jedoch nicht die
Bauernfamilien verantwortlich, sondern die Konzerne im vor- und nachgelagerten Bereich. Diese verhinderten mit ihrer
Marktmacht den Wettbewerb.
Besonders verärgert zeigte sich Petersen über die Aussage, dass die Unternehmen der Landwirtschaft die gestiegenen Kosten als „Vorwand“ genutzt hätten, um durch eine Erhöhung der Absatzpreise ihre Gewinnsituation zu verbessern. Allein diese Formulierung „offenbart eine totale Unkenntnis von der Situation in der Wertschöpfungskette“.