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10.09.2009 | 06:33 | Energieversorgung  

Mehr Energie für weniger Armut

Zürich - Zugang zu Energie ist eine der Grundlagen für die Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern.

Strommast
(c) proplanta
Das Nord-Süd Zentrum und das Energy Science Center (ESC) der ETH Zürich wollen deshalb an ihrer Jahreskonferenz mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen von internationalen Experten Wege zu einem nachhaltigen Energiesystem in Entwicklungsländern aufzeigen.

Was würden wir ohne ausreichende Mengen an Energie nur machen? Wir wären nicht mehr mobil, könnten Trinkwasser nur schwerlich aufbereiten, keine effiziente Landwirtschaft mehr betreiben und uns den Zugang zu globalem Wissen über das Internet abschminken. Nicht für alle ist jedoch der Zugang zu Energie so selbstverständlich wie für uns: In Entwicklungsländern haben heute rund 1.6 Milliarden Menschen nach wie vor keinen Zugang zu Elektrizität und 2.5 Milliarden sind primär auf Biomasse, wie zum Beispiel Brennholz, als Energiequelle angewiesen.

Während die Nachfrage nach Energie auch in Entwicklungsländern in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird, stellt sich besonders unter dem Aspekt des fortschreitenden Klimawandels die Frage, wie diese nachhaltig und effizient befriedigt werden kann. Zugleich sind Entwicklungsländer verhältnismässig stark vom Klimawandel betroffen: Obwohl die Industrienationen am meisten des Treibhausgases CO2 ausstossen, schätzen Experten, dass Entwicklungsländer am stärksten von den Folgen des Klimawandels, darunter Dürre, Wassermangel und Bodenerosion, betroffen sein werden.

An der gemeinsamen Jahreskonferenz des Nord-Süd-Zentrums und des Energy Science Center (ESC) werden Experten aus Wissenschaft, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und Forscher der ETH Zürich am 10. und 11. September Lösungsstrategien zu diesen Herausforderungen diskutieren. Insbesondere die Themen erneuerbare Energiequellen und Energieeffizienz in Entwicklungsländern bilden dabei einen Schwerpunkt.


Urbane Organisation für bessere Energieversorgung

Neben Referenten aus Kenia, Indien den USA und mehreren europäischen Ländern werden drei Wissenschaftler der ETH Zürich an der Konferenz ihre Forschungserkenntnisse präsentieren. Darunter auch Franz Oswald, emeritierter Professor für Architektur und Stadtplanung, der zusammen mit dem äthiopischen Architekten Fasil Giorghis das Projekt «nesTown» für Äthiopien ins Leben gerufen hat. Oswald wird in seinem Vortrag auf die Chancen von neuen, effizienteren Technologien für die Energienutzung in äthiopischen Haushalten und für den Transport eingehen. Am Lake Tana, der Quelle des Nils, konzipieren Oswald und Giorghis zurzeit eine Modellstadt.

Mehrere solcher Städte sollen schliesslich dazu beitragen, die dezentralisierte und ineffiziente äthiopische Agrargesellschaft in eine urban organisierte Gesellschaft zu transformieren, die auch weiterhin in erster Linie auf Landwirtschaft basiert. Ein solcher gesellschaftlicher Wandel ist nach Oswalds Meinung für die äthiopische Kultur überlebenswichtig. Über 80 Prozent der rund 80 Millionen Einwohner leben heute von der Landwirtschaft. Jährlich wächst die Bevölkerung um rund 2.5 Millionen und die Erosion der Böden nimmt zu. Kleine urbane Zentren, wie in der Modellstadt «nesTown», schaffen laut Oswald den Rahmen für Entwicklungen in den Bereichen Ausbildung, Ökologie, Wissensaustausch sowie für eine nachhaltige Energieversorgung.

Wasser ist eine nachhaltige und dankbare Energiequelle; oft stehen jedoch insbesondere in Entwicklungsländern verschiedene Nutzungen in Konkurrenz zueinander. Besonders in trockenen Gebieten wie in Afrika könnten Konflikte rund ums Wasser zunehmen. Gründe dafür sind unterschiedliche Ansprüche an die Wassernutzung und zunehmende Trockenheit aufgrund des Klimawandels. Gleichzeitig steigt der Druck zur Intensivierung der Landwirtschaft und der Elektrifizierung von Städten. Bernhard Wehrli, Professor für Aquatische Chemie am Departement Umweltwissenschaften der ETH Zürich, gibt an der Konferenz einen Einblick in seine Erfahrungen mit Wasserkraftwerken im Fluss Sambesi in Afrika.

Dabei steht vor allem die multifunktionale Nutzung von Dämmen für die Elektrizitätsgewinnung, Prävention von Überschwemmungen und die Bewässerung für die Landwirtschaft im Vordergrund. Während die Energieproduktion mittels Staudämmen nicht zu relevanten Wasserverlusten führt, kann eine grossflächige Nutzung von Stauwasser für die landwirtschaftliche Bewässerung Konflikte zwischen Gemeinschaften und Ländern unterhalb und oberhalb von Dämmen provozieren. Trotzdem können sich effiziente, kleinräumige und einfach zu bedienende Bewässerungssysteme für eine lokale Energieproduktion eignen, wie Wehrli in seinem Vortrag aufzeigen wird.


Bioenergie der zweiten und dritten Generation als Chance?

Der Energieproduktion aus Biomasse in Entwicklungsländern wird an der Konferenz spezielle Beachtung geschenkt. Experten werden Chancen und Risiken, technische Machbarkeit, ökologische Auswirkungen sowie den Einfluss auf die Ernährungssicherheit aufzeigen. Martin Held von der Professur für Bioverfahrenstechnik wird in diesem Zusammenhang eine Analyse des Potentials von biokatalysierten Biotreibstoffen der ersten, zweiten und dritten Generation und allfällig mögliche Auswirkungen auf Entwicklungsländer diskutieren. Biotreibstoffe der zweiten und dritten Generation sind in ihrer Produktion effizienter und treten im Gegensatz zu heute gängigen Biotreibstoffen, wie zum Beispiel Bioethanol aus Mais, nicht oder nur indirekt in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion.

Wolfgang Kinzelbach, Leiter des Nord-Süd-Zentrums der ETH Zürich, hofft, dass die bevorstehende Konferenz den Zusammenhang zwischen Energie und Entwicklung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken wird. Dazu findet neben dem kostenpflichtigen Programm unter anderem eine öffentliche Diskussion mit Anton Hilber vom DEZA und Experten zur schweizerischen Energiepolitik statt. Auch innerhalb der ETH soll die Konferenz, welche für ETH-Studenten kostenfrei zugänglich ist, nachhaltige Spuren hinterlassen: «Ich hoffe, dass wir den Enthusiasmus unserer Studenten für dieses Thema wecken können und dieser schon bald in Masterarbeiten im Bereich Energie für Entwicklungsländer münden wird», wünscht sich Kinzelbach. (ETH)
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