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17.05.2013 | 05:03 | Klontechnik 

Menschliche Stammzellen per Klontechnik hergestellt

New York - Heilungschance oder Tabubruch? US-Wissenschaftlern ist nach eigenen Angaben ein Meilenstein in der Stammzellforschung gelungen: menschliche embryonale Stammzellen - hergestellt per Klontechnik. Deutsche Experten üben heftige Kritik.

Genforschung
(c) dgrilla - fotolia.com
Die einen feiern einen Durchbruch, die anderen sind entsetzt: Forscher in den USA haben nach eigenen Angaben erstmals menschliche Klon-Embryonen hergestellt und daraus Stammzellen gewonnen. Sie nutzten dazu ein Verfahren, das auch zum Klonschaf Dolly führte, möchten aber ausdrücklich keine Klonmenschen erschaffen. Die neuen Zellen könnten theoretisch jedoch in jede beliebige Art von Körperzellen transformiert werden - und so künftig einmal kranke oder verletzte Zellen ersetzen.

Deutsche Forscher und Politiker reagierten skeptisch oder empört auf die Veröffentlichung. Sie bezweifeln, dass die Methode bei der Behandlung von Krankheiten helfen könnte und weisen auch auf ethische Probleme hin.

Die US-Wissenschaftler der Oregon Health & Science University in Portland sprachen am Mittwoch selbst von einem Durchbruch. Man sei der Heilung von Krankheiten wie Parkinson, Multipler Sklerose, Herzkrankheiten und von Verletzungen des Rückenmarks deutlich näher gerückt. Für das reproduktive Klonen, also das Kopieren von Menschen, tauge ihre Methode nicht, betonen die Forscher - die vermutlich mit einer neuen ethischen Debatte gerechnet haben.

Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle warnte dagegen «vor zu viel Hype». «Ich bin skeptisch, ob uns das im therapeutischen Bereich weiterbringt», sagte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Er verwies auf alternative Methoden wie etwas das Rückprogrammieren ausgewachsener Zellen in den Embryonalzustand.

Auch ethisch seien die neuen Forschungen problematisch. Es stehe die Frage im Raum: «Dürfen solche 'Forschungsembryonen' hergestellt werden?» Das jetzt veröffentlichte Experiment «wäre in Deutschland verboten durch das Embryonenschutzgesetz», betonte der Wissenschaftler.

Für Jürgen Hescheler vom Institut für Neuropsychologie in Köln sind die Ergebnisse keine Sensation, weil es bereits die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete iPS-Strategie gebe. Die iPS-Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen) seien «Alleskönner-Zellen», mit denen er aktuell auf dem medizinischen Gebiet des Herzinfarkts forsche.

iPS-Zellen besitzen nach derzeitigem Kenntnisstand die wichtigsten Eigenschaften embryonaler Stammzellen, lassen sich aber aus normalen Körperzellen gewinnen. Es gebe viele offene Fragen zum Ergebnis aus Oregon, so dass nicht von einem Durchbruch für die Therapie gesprochen werden dürfe, sagte der Hescheler der dpa.

Ähnlich äußerte sich der Stammzellforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biochemie in Münster. Das US-Team ist seiner Ansicht nach keineswegs der Heilung von Krankheiten entschieden näher gekommen.

Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Professor Jörg Hacker, erklärte: «Wir wissen jetzt, dass eine Methode, die für andere Spezies bereits genutzt wurde, auch beim Menschen funktioniert. Ob damit auch gesunde Embryos entstehen können, ist fraglich.» Wissenschaftlich gesehen sei er skeptisch, unter ethischen Gesichtspunkten dagegen.

Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, der SPD-Politiker Wolf-Michael Catenhusen, hält den Ansatz der US-Forscher für gefährlich. «Es wird ein Embryo im ersten Stadium erzeugt und anschließend zerstört», sagte er der «Welt». «Mit patienteneigenen pluripotenten Stammzellen gibt es eine ethisch unbedenkliche Alternative.»

Das Verfahren der US-Forscher klingt simpel, dennoch scheiterten in den vergangenen Jahren Forscherteams auf der ganzen Welt daran, es bei menschlichen Zellen anzuwenden: Die Wissenschaftler in Oregon hatten Zellkerne aus Hautzellen entnommen und einer Eizelle eingepflanzt, aus der die Erbinformation zuvor entfernt worden war. Aus der neuen Zelle entwickelte sich eine sogenannte Blastozyste, von der embryonale Stammzellen entnommen werden können.

Die Technik beschreiben sie detailliert im Fachblatt «Cell» (online). Die Eizelle musste für den Kerntransfer bei einem ganz bestimmten Entwicklungsstadium vorübergehend gestoppt werden, der sogenannten Metaphase. Zudem nutzten die Forscher während des Verfahrens eine koffeinhaltige Lösung.

«Eine gründliche Untersuchung der durch diese Methoden gewonnenen Stammzellen hat ihre Fähigkeit, sich wie normale embryonale Stammzellen in viele andere Zellarten zu verwandeln, bestätigt», sagte Forschungsleiter Shoukhrat Mitalipov laut Mitteilung. Sie könnten einmal Nerven-, Leber-, Herz- und andere Zellen ersetzen. «Darüber hinaus gibt es kaum die Gefahr, dass der Körper die mit seiner eigenen Erbinformation geschaffenen Zellen abstößt.»

Die Experimente in den USA ähneln einem Ansatz, mit dem vor fast zehn Jahren der südkoreanische Stammzellforscher Hwang Woo Suk für großes Aufsehen sorgte. Seine Ergebnisse stellten sich im Nachhinein jedoch als gefälscht heraus. Nach Angaben von Brüstle haben die Forscher in den USA jetzt das angewandte Verfahren optimiert.

Nach dem Klonschaf Dolly, das 1997 der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde, hatte sich zum einen eine Euphorie in der Forscherszene breitgemacht. Zum anderen war aber immer davor gewarnt worden, ethische Grenzen zu überschreiten und «Gott zu spielen». Die Geburt von Dolly gilt als Durchbruch beim Klonen von Säugetieren, da bei ihm eine ausdifferenzierte Zelle als Spender der Erbinformation diente. Zuvor gab es zwar schon Klonschafe, für deren Herstellung waren jedoch embryonale Zellen genutzt worden, die sich ohnehin in jedes Gewebe verwandeln können.

Der forschungspolitische und der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Rupprecht und Jens Spahn, erklärten in einer Mitteilung: «Versuche, menschliches Leben zu klonen, sind mit der Menschenwürde unvereinbar.» Der stellvertretende forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, René Röspel, warnte vor übertriebenen Berichten über Heilungschancen, die nur «Scharlatanen und Kriminellen» helfen würden.
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