Die Modelle sollen helfen, Interessenskonflikte bei der Nutzung von tropischem Regenwald zu lösen. Seine Arbeit wurde kürzlich ausgezeichnet.
Biodiversität und Schmetterlinge - das war vor drei Jahren das verbindende Interesse von Lian Pin Koh und ETH-Professor Jaboury Ghazoul vom Institut für Terrestrische Ökosysteme. Koh hatte während seinem Biologiestudium in Singapur und seiner Doktorarbeit an der Princeton University in den USA immer wieder Arbeiten von Ghazoul gelesen. Also schrieb er Ghazoul eine Anfrage für ein Postdoc in seiner Gruppe. «Die
ETH ist das MIT Europas. Das Renomé der Hochschule und das Interesse für Professor Ghazouls Forschung waren für meinen Umzug nach Zürich ausschlaggebend», erzählt Koh.
Ghazoul bot ihm eine einjährige Stelle an; ein Jahr, in welchem er sich für das «ETH Zurich Postdoctoral Fellowship program» (siehe Kasten) bewerben sollte. Nur fünf Monate nach seiner Ankunft in Zürich wurde Koh von der Forschungskommission der ETH Zürich als Fellow gewählt. Während zwei Jahren konnte er nun seinen selbstgewählten Forschungsfragen nachgehen. Das ist nicht selbstverständlich: Postdoktorierende werden normalerweise für Arbeiten innerhalb eines bestehenden Forschungsprojekts eingestellt. «Als ETH Fellow hatte ich sämtliche Freiheiten», schwärmt Koh.
30 Papers in zwei Jahren
Schon während seinem Doktorat in den USA hatte Koh sein Interesse an Schmetterlingen auf umfassendere Fragestellungen zu Ökosystemen ausgedehnt. Er begann sich unter anderem für die Problematik der Palmöl-Produktion in tropischen Regenwäldern z u interessieren. Mehrmals war er selber auf Palmölplantagen in Indonesien und Malaysia und erlebte vor Ort, wie sich Brandrodungen für den Aufbau von Palmölplantagen zulasten der
Artenvielfalt vor Ort ausdehnen. Die Nachfrage nach Palmöl stieg in den vergangenen Jahren vor allem durch die zunehmende Produktion von Biotreibstoffen an. Da Schmetterlinge ein guter Indikator für die
Biodiversität sind, konnte Koh über deren Vorkommen Rückschlüsse auf Auswirkungen der Plantagen auf die Umwelt machen.
In Jaboury Ghazouls Gruppe interessierte er sich anschliessend für die Frage, wie der Regenwald als wertvolle CO2-Senke im Kampf gegen den
Klimawandel geschützt werden kann, ohne dass die Bauern auf ihre Einkünfte aus der Palmölproduktion verzichten müssen? Koh entwickelte ein Simulationsmodell, das möglichst viele Ansprüche auf Regenwaldflächen berücksichtigt und dabei hilft eine für alle Involvierten tragbare Entscheidung zur Flächenbewirtschaftung zu finden. Zum Beispiel das Verlegen der Palmölproduktion auf Land, das für die Produktion von Nahrungsmitteln ungeeignet und arm an gespeichertem Kohlenstoff ist. Seine Arbeit wurde im September 2010 mit dem SFIAR-Award ausgezeichnet.
Weil das Modell vielfältig nutzbar ist, konnte Koh zusätzlich einen durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Doktoranden anstellen. Dieser befasst sich mit den Auswirkungen der Palmöl-Produktion auf Gemeinschaften in indonesischen Regenwäldern. Ein weiterer Doktorand wird mit finanzieller Unterstützung des Zurich Basel Plant Science Center im März beginnen. Er wird Kohs Modell vor allem für die Simulation von Auswirkungen von «Reducing Emissions from Deforestation and Degradation» (REDD)-Modellen auf Nahrungs- und Treibstoffproduktion nutzen. Seine themenübergreifende Forschung zwischen Politik, Ökonomie und Umweltnaturwissenschaften ist für einen Postdoktoranden ungewöhnlich. Meist sind Gelder, die Professoren für einen Postdoktoranden zugesprochen werden, stark an ein bestimmtes Fachgebiet gekoppelt. Koh konnte während seiner Fellow-Zeit nicht nur zusätzliche Gelder für Doktoranden anwerben, sondern bis zum Abschluss seines Postdocs Ende 2010 über 30 wissenschaftliche Artikel in Fachmagazinen publizieren.
App für bessere Entscheidungen im Regenwald
Heute ist Koh Oberassistent bei Jaboury Ghazoul und forscht an der Schnittstelle von Ökologie, Wirtschaft und Politik. «Das wohl aufregendste Projekt zurzeit ist ein vom North-South Center der ETH unterstütztes Projekt zur Entwicklung einer Smartphone-App», erzählt Koh begeistert. Mit dem «Seed grant» hat er sich die Finanzierung für ein halbes Jahr gesichert, um mit Informatikern eine App zu entwickeln, damit sein Modell von Bauern auf dem Feld genutzt werden kann. Das Interesse besteht: Bereits war er mit UN-Verantwortlichen für Kenia im Gespräch. Zudem ist er gestützt auf sozioökonomische Berechnungen davon überzeugt, dass in Zukunft Millionen Menschen in Entwicklungsländern Zugang zum Internet erhalten werden - nicht über Computer, sondern über Smartphones.
Koh ist überzeugt, dass er sich in den vergangenen beiden Jahren das Rüstzeug für eine Professur aneignen konnte. «Ich habe gelernt, Forschungsanträge zu schreiben, Studenten und Doktoranden zu betreuen sowie meine eigenen Forschungsgelder zu verwalten - alles wertvolle Erfahrungen für meine weitere Karriere.» Soeben wurde er zur zweiten Bewerbungsrunde für eine Förderprofessur vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) eingeladen. Unabhängig vom Ausgang der Bewerbung ist Koh heute überzeugt, dass der ETH Zurich Postdoctoral Fellow besonders in Europa ein Türöffner für seine weitere Karriere sein wird.
ETH Zurich Postdoctoral Fellowship Program
Das ETH Zurich Postdoctoral Fellowship Program unterstützt junge Postdocs mit einem ausgezeichneten Leistungsausweis, die bereits zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere erfolgreich sind. Zusammen mit einem Professor oder einer Professorin der ETH Zürich können sie ein Forschungsprojekt für ein bis zwei Jahre einreichen, um ihre Kenntnisse und ihr Wissen an der ETH Zürich zu vertiefen. Die nächste Ausschreibung läuft bis am 1. März 2011. Bewerben kann man sich hier: www.ethfellows.ethz.ch
Quelle. ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Samuel Schläfli, 02.02.2011