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16.06.2008 | 15:39 | Bio-Invasoren 

Neophyten - Bedrohung für einheimische Arten?

Halle/Saale - Zugewanderte Pflanzenarten können in ihrer neuen Heimat besser gedeihen als in Ursprungsgebiet. Ursache dafür sind genetische Veränderungen oder das Fehlen von Fressfeinden wie Insekten, die sich erst an die Neulinge anpassen müssen.

Sommerflieder
(c) Susan Ebeling/UFZ
Das schließen Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) aus Untersuchungen am Sommerflieder (Buddleja davidii) und an der Mahonie (Mahonia aquifolium).

Der Sommerflieder wurde vor rund einhundert Jahren aus China nach Europa eingeführt und weiter gezüchtet. Die Zierpflanze wurde schnell populär. Doch nicht nur in Gärten. Im Nachkriegsdeutschland konnte sich der Strauch auch auf dem Trümmerschutt der zerbombten Innenstädte gut verbreiten. Inzwischen wächst der Sommerflieder in großen Teilen West- und Südwestdeutschlands wild. Lediglich im kontinentalen Osten wird die Ausbreitung durch die Winterfröste gebremst. Zwar sorgen die Blüten des Sommerflieders für Freude und bieten Schmetterlingen Nahrung - die Schönheit hat aber eine Schattenseite.

Der auch Schmetterlingsstrauch genannte Zuwanderer kann leicht verwildern und dichte Bestände bilden. Dadurch hat er das Potential, einheimische Arten zu verdrängen, und macht der Bahn zu schaffen, weil er an Bahndämmen wuchert und dort zum Sicherheitsrisiko wird. In der Schweiz, Spanien und Frankreich wird der Sommerflieder bekämpft, in der USA wird die Ausbreitung kritisch beobachtet und in Neuseeland verursacht der Sommerflieder ökonomische Probleme, da er die einheimische Vegetation verdrängt.

Um das Wissen über die Ausbreitungsmechanismen von invasiven Arten zu verbessern, verglichen die UFZ-Forscher zehn Populationen des Sommerflieders in Deutschland mit zehn Populationen in seiner ursprünglichen Heimat, der südwestchinesischen Provinz Yunnan. Obwohl die klimatischen Bedingungen in China günstiger sind, waren die Stäucher in Deutschland größer und produzierten mehr und schwerere Samen. "An den Pflanzen in der chinesischen Heimat waren 15 Prozent der Blätter von Insekten zerfressen. In Deutschland dagegen nur 0,5 Prozent", berichtet Susan Ebeling vom UFZ. "Der Eindringling steht einfach noch nicht auf der Speisekarte unserer Insekten. Weil es keine Verwandten des Sommerflieders in Mitteleuropa gibt brauchen die Insekten länger, um sich anzupassen." Zwei asisatische Insektenarten, mit denen in Neuseeland versucht wurde, die Sträucher aus China zu bekämpfen, gibt es noch nicht in Europa.

Anders ist die Situation bei einer weiteren Art, die die Forscher genauer unter die Lupe nahmen. Die Mahonie (Mahonia aquifolium) stammt ursprünglich aus dem Westen der USA. In Oregon ist der immergrüne Strauch mit den markanten gelben Blüten sogar die offizielle Pflanze des US-Bundesstaates und wird deshalb auch "Oregon grape" genannt. In Europa hat die Mahonie eine sehr ähnliche Verwandte: die Beberitze (Berberis vulgaris). Einheimische Insekten hatten Millionen Jahre Zeit, sich an die Beberitze anzupassen und können nun vergleichsweise leicht auf die Mahonie "umsteigen". Die Mahonie dagegen konnte noch keine Abwehrmechanismen hier gegen ihre Fressfeinde entwickeln.

Trotzdem gedeiht sie in Mitteleuropa so gut, dass die Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen die Gartenbesitzer auffordert, vorbeugend auf den Anbau der Mahonie zu verzichten: "Sollten Sie diese Art schon in ihrem Garten haben, müssen Sie unbedingt eine weitere Ausbreitung verhindern, einerseits indem sie die Fruchtstände entfernen, anderseits indem Sie eventuelle Jungtriebe laufend entfernen."

Trotz Fressfeinden kann die Mahonie gut gedeihen, ganze Waldböden überwuchern und so zum Problem werden. "Der Erfolg liegt offensichtlich an der Züchtung. Durch Auswahl und Kreuzung kam es zu einer genetischen Veränderung, die dafür gesorgt hat, dass die Mahonie in Europa größer wächst als in ihrer amerikanischen Heimat", erklärt Dr. Harald Auge vom UFZ das Ergebnis der Untersuchungen. Die Hallenser Biologen hatten dafür Samen von Mahonie-Pflanzen in den USA, Kanada, Deutschland und der Tschechischen Republik gesammelt und die Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus aufgezogen.

Zier- und Kulturpflanzen machen einen Großteil der neu zugewanderten Pflanzen aus, die zum Problem geworden sind und von Fachleuten daher als biologische Invasoren bezeichnet werden. Vom Menschen verursachte biologische Invasionen sind eine der Ursachen für den dramatischen weltweiten Rückgang von Tier- und Pflanzenarten. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes betrugen die volkswirtschaftlichen Belastungen von 20 untersuchten gebietsfremden Arten im Jahr 2002 in Deutschland rund 167 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Für die als gesundheitsgefährdend geltende Ambrosie sollen am UFZ demnächst in einem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt die Kosten ermittelt werden, die die hoch allergene Pflanze im Gesundheitswesen verursacht. (PD)
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