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11.04.2010 | 12:59 | Eschensterben 

Neuer Pilz geht Eschen ans Mark

Zürich - Bekannt und doch neu: ETH-Forscher Valentin Queloz beschreibt eine Pilzart. Dieser Pilz ist für das seit kurzem in der Schweiz beobachtete Eschensterben verantwortlich.

Hymenoscyphus pseudoalbidus
(c) V. Queloz / ETH Zürich
Weshalb aus einem harmlosen Blattbesiedler ein aggressiver Keim werden konnte, wissen die Forscher noch nicht.

Der Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus ist für das Eschensterben verantwortlich. (Bild: V. Queloz / ETH Zürich) (mehr Bilder) Das unheimliche Phänomen begann in Ostpolen. In den Neunzigerjahren starben Eschen, scheinbar ohne Grund. Ganze Waldbestände gingen ein. Erst 2006 gelang es einem polnischen Wissenschaftler, aus 70 Prozent der abgestorbenen Eschen einen bis dahin unbekannten Pilz zu isolieren. Chalara fraxinea benannte er seine Entdeckung, die nur aus Pilzfäden bestand, einer vegetativen Form, die auf asexuellem Weg klebrige Sporen, so genannte Konidien, bildet. Erst später fanden Forscher in Polen auf Blattresten von Eschen kleine weiß-gelbe Pilz-Fruchtkörper, die sie als Hymenoscyphus albidus bestimmen konnten. Später zeigte es sich, dass Chalara fraxinea und die Fruchtkörper die gleiche Art sind, aber wie üblich in der Mykologie zwei Namen tragen: je ein Name für die asexuelle und die sexuelle Form.

H. albidus war eigentlich kein Unbekannter. Erstmals beschrieben wurde er 1851. Doch weshalb sollte dieser Pilz, der als harmloser Streu-Abbauer galt, plötzlich seinen Wirt, die Esche, angreifen und abtöten?


Massenbefall im Jura, Seltenheit im Tessin

2008 trat H. albidus und damit das Eschensterben erstmals in der Schweiz auf. Gezielt begann ETH-Doktorand Valentin Queloz vom Institut für Integrative Biologie Gebiete abzusuchen, in denen die mysteriöse Eschen-Krankheit angekommen war. Genauso suchte er den Pilz dort, wo sie fehlte, wie südlich der Alpen und im Tessin.

Im Sommer 2009 brauchte er nördlich der Alpen nicht lange nach den Übeltätern zu suchen. Auf einer Probefläche bei Porrentruy im Jura waren sie in rauen Mengen da, die kleinen weißen Pilze. «Ich habe sie schon gesehen, als ich aus dem Auto ausgestiegen bin», sagt der Umweltwissenschaftler. Das Waldstück sei damit übersät gewesen. Das Ausmaß des Befalls sei außerordentlich hoch gewesen und habe selbst Fachleute überrascht. «Ein Mastjahr in diesem feuchten, warmen Sommer», sagt Queloz.

Ein anderes Bild bot sich ihm südlich der Alpen. Er fand zwar - nach langer Suche - den Pilz, jedoch nur kleinere Fruchtkörper, die überdies zwanzig Mal weniger häufig zu finden waren als im Jura.


Überraschung im Labor

Erst im Labor kam der Forscher dem Rätsel der ungleichen Verbreitung auf die Spur. Was er südlich der Alpen fand, war tatsächlich der harmlose H. albidus. Die krank machende Form des Pilzes hingegen sammelte er nur nördlich der Alpen. Eine genetische Untersuchung hielt schließlich eine Überraschung bereit: Der aggressive, krankmachende Pilz ist eine andere Art, die Queloz in einer soeben veröffentlichten Publikation neu als H. pseudoalbidus beschreiben konnte. Der ETH-Doktorand stellte anhand von Herbarbelegen sogar fest, dass bereits früher Mykologen H. pseudoalbidus sammelten, die Belege jedoch als H. albidus ablegten.


Woher kommt Pathogenität?

Der Wissenschaftler rätselt nun, ob und weshalb sich H. pseudoalbidus in wenigen Jahrzehnten zu einem Pathogen wandelte und wie er die krank machenden Eigenschaften erworben hat. Oder anders gesagt: Weshalb aus einem harmlosen Endophyten, einem Pilz, der in Pflanzen lebt, ein für die Eschen tödlicher Keim entstanden ist. Eine Hypothese ist: Der Klimawandel schwächt die Eschen und H. pseudoalbidus erweist sich als die stärkere der beiden Pilzarten.

Denn an seinem Lebenszyklus hat H. pseudoalbidus nichts verändert und gleicht darin H. albidus. Nach der Überwinterung im Streu bildet der Pilz anfangs Sommer Fruchtkörper auf teilweise abgebauten Mittelrippen von Eschenblättern. Der Pilz zeigt sich als kleiner weißer Becherling, der höchstens so groß wie ein Reißnagel ist. Diese Becher bilden Sporen, die der Wind verbreitet. Die Sporen gelangen auf noch grüne Blätter von stehenden Eschen, keimen und bilden ein Pilzgeflecht aus, das sich innerhalb des Blatts ausbreitet. Im Herbst, wenn Blätter und mit ihnen die Pilze vom Baum fallen, gelangen die Pilze zurück auf den Boden, wo sie bis zum nächsten Sommer überdauern.


Samenvorrat aufbauen

Nun droht H. pseudoalbidus dieses eingespielte Gleichgewicht aus der Balance zu werfen. Er ist im Gegensatz zu seiner Schwesterart aggressiver, dringt leichter in die Eschenblätter ein und wächst schneller ins Holz - bis ins Mark. Die Blätter der Eschen - davon betroffen sind vor allem junge Bäume - verdorren, die Rinde verfärbt sich um die Stelle, in die der Pilz eingedrungen ist. Lange bleibt der Schaden unbemerkt, da die Symptome meistens an Triebspitzen beginnen und sich von dort in Richtung des Stamms ausbreiten.

In Polen hat H. pseudoalbidus mittlerweile ganze Eschenbestände dahingerafft. In der Schweiz bleibt noch Zeit, sich auf den Pilz vorzubereiten, etwa durch das Sammeln von einem genügend großen Vorrat an Eschensamen. «Wir müssen versuchen, die genetische Variabilität der Esche zu erhalten, ehe der Pilz diese zerstört», warnt Queloz. Zudem sollte man weiter auch den Krankheitskeim im Auge behalten. «Wir müssen dringend herausfinden, woher die Pathogenität kommt.»

Literaturhinweis
Queloz V, Grünig CR, Berndt R, Kowalski T, Sieber TN & Holdenrieder O. Cryptic speciation in Hymenoscyphus albidus. Forest Pathology, published online 30 March 2010. doi:10.1111/j.1439-0329.2010.00645.x



Quelle: ETH Life - Das Online-Magazin der ETH Zürich, Peter Rüegg, 08.04.2010

 
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Der Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus ist für das Eschensterben verantwortlich.
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