Beides würde zulasten des Ausbaus erneuerbarer Energien gehen, sagten Prof. Martin Jänicke von der Freien Universität Berlin sowie Vertreter verschiedener Forschungseinrichtungen am Donnerstag in Berlin. Sie widersprachen damit Überlegungen anderer vom Forschungsministerium mit einer Studie beauftragter Wissenschaftler, die auch einen Neubau von Atomkraftwerken für möglich halten. Im aktuellen politischen Streit wollen Union und FDP wie auch die Energiekonzerne bisher aber keine Neubauten, sondern bestehende Atommeiler länger als gesetzlich geplant über 2022 hinaus weiterlaufen lassen.
Gegen den Neubau von Kohlekraftwerken sprechen sich in einer vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) koordinierten Aktion etwa 50 Wirtschaftswissenschaftler aus. Ihr Hauptargument: «Würden alle derzeit geplanten 29 Kohleanlagen neu gebaut, würden die Klimaschutzziele weit verfehlt», wie Holger Rogall von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) sagte. «Jedes neue Kohlekraftwerk, das heute gebaut wird, bestimmt den Kohlendioxid- Ausstoß im Jahr 2050.»
Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel warnte vor einer Gefährdung des Ausbaus erneuerbarer Energien. «Mit längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke werden die erforderlichen Investitionen für Windkraftanlagen auf hoher See nicht kommen», sagte er beim Besuch des Windenergie-Anlagenherstellers General Electric im niedersächsischen Salzbergen. «Schon heute bietet die Branche 280 000 Menschen zukunftssichere Arbeitsplätze. (...) Auch die künftige Bundesregierung muss gemeinsam mit den Küstenbundesländern den Ausbau vor allem der Hafeninfrastrukturen vorantreiben. Der ist notwendig, um die zukünftig hohe Nachfrage nach (Wind-)Offshore-Anlagen befriedigen zu können.»
Unterdessen sprach sich der Kieler Landtag mit der Mehrheit von
SPD, Grünen und SSW für die Stilllegung der Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel aus. Hintergrund ist die Pannenserie seit 2007. Nach Einschätzung der Professorengruppe um das FÖS könnten sich Kohlekraftwerke im Falle ihres Weiterbaus schnell als «Investitionsruinen» erweisen. Gleichzeitig behinderten sie jedoch den Ausbau erneuerbarer Energien. «Beides ist nicht miteinander zu vereinbaren», erklärte Martin Cames vom Öko-Institut Berlin. Zugleich warnten die Wissenschaftler vor dem Glauben, ein unterirdischer Einschluss von Kohlendioxid-Emissionen aus Kohlekraftwerken könnte die Klimaerwärmung aufhalten. «Derzeit ist auch mittelfristig noch völlig offen, ob diese Technologie technisch realisierbar, ökologisch vertretbar und wirtschaftlich zu betreiben ist.» (dpa)