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14.12.2011 | 15:23 | Nachhaltigkeitsstrategien 

Ökonomie und Ökologie: Wirtschaftlichkeit und die Erhaltung von Biodiversität müssen keine Gegensätze sein

Leipzig/Helsinki/Lund - Während die europäischen Staats-und Regierungschefs darum kämpfen, eine zweite Rezession abzuwenden, zeigt eine neue Studie, dass zukünftiges Wirtschaftswachstum und die gleichzeitige Erhaltung der biologischen Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen dann keine Gegensätze sein müssen, wenn die Politik ihre Prioritäten auf eine nachhaltige Entwicklung setzt und den Erhalt der Biodiversität gezielt fördert.

Biodiversität
Diese Ergebnisse des EU-Projektes ALARM wurden von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Finnish Environment Institute SYKE und der Universität Lund in Schweden in einer Spezialausgabe des wissenschaftlich renommierten Journals "Global Ecology and Biogeography" am 12. Dezember veröffentlicht. Die Wissenschaftler kombinierten und integrierten sozioökonomische, Landnutzungs- und Klimamodelle, die auf drei unterschiedlichen Zukunftsszenarien für Europa basieren, und untersuchten die vielfältigen Auswirkungen dieser Faktoren auf die biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen in diesem Jahrhundert.

"Szenarien sind keine Prognosen, aber sie können einen umfassenden Überblick über plausible zukünftige Entwicklungen geben und sie können mit Komplexität umgehen. Deshalb sind sie geeignete Mittel, um herauszufinden, mit welchen Folgen wir rechnen müssen, wenn bestimmte Entscheidungen getroffen - oder auch nicht getroffen - werden. Die Szenarien helfen uns, frühzeitig auf einer breiten Palette von möglichen Wegen in die Zukunft und entsprechenden Einflussfaktoren Risiken für die biologische Vielfalt zu erkennen", sagt Joachim Spangenberg vom UFZ, der die Szenariengruppe im ALARM-Projekt geleitet hat.

Die Wissenschaftler gehen von drei Kern-Szenarien aus: BAMBU (Business As Might Be Usual) extrapoliert die aktuellen politischen Trends, während zwei weitere Szenarien alternative politische Orientierungen untersuchen. GRAS (GRowth Applied Strategy) simuliert eine Politik der Deregulierung und Globalisierung, und SEDG (Sustainable European Development Goal) eine Politik der nachhaltigen Entwicklung.


ALARM-Szenarien und der IPCC

Die ALARM-Szenarien basieren auf verschiedenen IPCC-Klimaszenarien (nach dem Special Report on Emissions Scenarios = SRES) und sind mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und Landnutzungsszenarien verknüpft. Diese dienen als Referenz für die zukünftige Entwicklung von Vegetation, biologischen Invasionen, chemischen Belastungen sowie für die Projektion von zukünftigen Verbreitungsgebieten einzelner Tier- und Pflanzenarten und deren Interaktionen.

"Die SRES-Szenarien werden zwar durch eine Reihe neuer globaler sozio-ökonomischer, technologischer, Landnutzungs-, Emissions- und Klimaszenarien der internationalen Forschergemeinde im Vorfeld des 5. IPCC-Berichtes abgelöst", sagt Tim Carter vom SYKE-Institut, aber das bedeutet nicht, dass die ALARM-Szenarien ihren Wert verlieren würden, so Martin Sykes von der Lund Universität in Schweden: "Die neuen Szenarien können als komplementär angesehen werden, da sie detailliertere und regional spezifischere sozio-ökonomische Charakterisierungen als die SRES-Szenarien beinhalten."

Tim Carter, der auch einer der Autoren des derzeit entstehenden 5. IPCC-Berichts ist, sieht eine wichtige Aufgabe des IPCC darin zu beurteilen, wie diese neuen Szenarien in Relation zu den SRES-Szenarien und anderen globalen Szenarien zu werten sind. Aus dieser Analyse kann dann der Stellenwert der ALARM-Szenarien für die zukünftige Klima- und Biodiversitätsforschung abgeleitet werden.


Wird die EU-Politik in der Lage sein, den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen?

Die BAMBU-Szenarien zeigen, dass eine Fortsetzung der aktuell beschlossenen EU-Politiken den Verlust der Biodiversität in vielen Fällen zwar bremsen, aber nicht stoppen oder gar umkehren kann. Eine Politik, die Wirtschaftswachstum zum zentralen Ziel erhebt, das zeigt das Wachstumsszenario (GRAS), würde - mit wenigen Ausnahmen - sogar zu einem beschleunigten Verlust der biologischen Vielfalt auf der ganzen Linie führen.

"Das Nachhaltigkeitsszenario SEDG ist eindeutig das wirksamste, um die biologische Vielfalt zu schützen. Allerdings zeigt auch die hier getestete Variante, dass der Verlust nicht in jedem Fall aufzuhalten ist", erklärt Ingolf Kühn vom UFZ.

Joachim Spangenberg fasst die Studienergebnisse zusammen: "Die aktuelle Politik zum Schutz der Biodiversität reicht nicht, um das EU-Ziel zu erreichen, anhaltende Verluste zu stoppen, den Trend umzukehren und verlorene biologische Vielfalt zu restaurieren.

Kohärente Nachhaltigkeitsstrategien sind unverzichtbar, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Doch um Verluste endgültig zu stoppen und den Trends umzukehren brauchen wir eine neue Agrar-, Forst-, Fischerei-, Chemie-, Verkehrs-, Siedlungs- und Landnutzungspolitik die dem Ansatz des ALARM-Nachhaltigkeitsszenario folgen, aber mit Maßnahmen, die noch über die im -Szenario getesteten hinaus gehen."

Die Zeit wird zeigen, ob die ALARM-Szenarien bei den Anwendern in Politik und Wirtschaft zu nützlichen Einsichten führen wird. Der ALARM-Koordinator und Mitautor des 5. IPCC-Berichtes Josef Settele vom UFZ und seine Kollegen sind jedenfalls davon überzeugt, dass die Szenarien einen wertvollen Beitrag zur Kohärenz von zukünftigen Politiken zum globalen Wandel leisten können. Die Schwerpunktausgabe zeigt, wie die Kooperation unterschiedlicher Disziplinen und Forschungsexpertisen zu diesem Ziel beitragen kann. (ufz)
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