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10.01.2016 | 09:34 | Resistente Bakterien 

Post-Antibiotika-Zeitalter? Neue Resistenzen entdeckt

Berlin / Hannover - Forscher haben nun auch in Deutschland ein neuartiges Gen entdeckt, das Bakterien gegen das Notfall-Antibiotikum Colistin resistent macht.

Bakterienforschung
Antibiotika können Leben retten. Doch immer öfter versagen Therapien, weil Bakterien resistent geworden sind. Jetzt gibt es auch in Deutschland eine weitere gefährliche Resistenz gegen ein Medikament, das Ärzten als Notnagel galt. (c) ggw - fotolia.com
Das Gen mcr-1 sei in der Bakterienprobe eines Menschen nachgewiesen worden und bei Nutztieren weit verbreitet, berichteten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin und die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). Genutzt wird Colistin bei Infektionen mit multiresistenten Bakterien - also dann, wenn verbreitete Antibiotika bereits nicht mehr helfen.

Als kritisch bewerten die Experten, dass das Resistenz-Gen mcr-1 zwischen Bakterienstämmen übertragbar ist - im Gegensatz zu bisher bekannten Colistin-Resistenzen. Es kann von harmlosen Darmkeimen auf Krankheitserreger übergehen und die Behandlung gegen diese erschweren.

Kommen Resistenzen gegen weitere Antibiotika hinzu - wie im Fall der menschlichen Probe aus Deutschland -, könne bei der Behandlung eine «ausweglose Situation» entstehen, teilte die Universität Gießen mit, an der Forscher das Gen nachgewiesen hatten. Das im Menschen entdeckte Bakterium habe zugleich eine Carbapenem-Resistenz aufgewiesen. Carbapeneme sind ebenfalls Notfall-Antibiotika.

Das erst Ende 2015 in China entdeckte Gen macht insbesondere Darmbakterien gegen Colistin resistent. Das relativ alte Medikament wird laut Robert Koch-Institut (RKI) in den vergangenen Jahren wieder häufiger verwendet, als «eine letzte verbliebene Therapieoption». Mediziner berichten von nicht unerheblichen Nebenwirkungen. Deutsche Proben von Colistin-resistenten Bakterien wurden nach dem Fund bei Tieren und Menschen in China gezielt auf das Gen mcr-1 untersucht.

Die jetzigen Funde belegen den Forschern zufolge, dass das Gen mindestens seit 2011 in Deutschland vorkommt. Wie verbreitet es ist und in welche Richtung es zwischen Tier und Mensch übertragen wird, lasse sich aber noch nicht beantworten. Auch ältere Proben sollen nun untersucht werden. Das Resistenz-Gen wurde auch in anderen europäischen Ländern bereits bei Tieren und Menschen nachgewiesen. Dänische Behörden fanden es laut BfR Anfang Dezember 2015 auch in Proben von deutschem Geflügelfleisch.

Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) hat am Donnerstagabend ein Ende des verschwenderischen Umgangs mit Antibiotika in der Tierhaltung gefordert. Mehr als die Hälfte des bundesweiten Verbrauchs entfalle auf Niedersachsen. Der hohe Einsatz habe fatale Auswirkungen.

«Ohne Richtungswechsel steuern wir geradewegs in ein Post-Antibiotika-Zeitalter», sagte Meyer. Irgendwann könne das letzte noch zur Verfügung stehende Reserveantibiotikum nutzlos werden. Damit stehe die Gesundheit insgesamt auf dem Spiel, so der Minister.

Auch in der Fachwelt schlägt die Nachricht ein: Schon der Bericht der chinesischen Forscher, wonach Resistenzen bei vielen Patienten, in Fleisch und in Nutztieren vorkommen, habe betroffen gemacht, sagte die Direktorin des Charité-Instituts für Hygiene und Umweltmedizin, Petra Gastmeier.

«Trotzdem dachten wir noch: China ist ja weit weg.» Sollte auch Colistin an Wirkung verlieren, blieben noch Kombinationstherapien: Patienten bekämen dann verschiedene Präparate. Wichtig sei jetzt, dass Humanmediziner und Veterinärmediziner gut zusammenarbeiten, um das Resistenzproblem in den Griff zu bekommen.

«Der Einsatz der für die menschliche Gesundheit besonders wichtigen Reserveantiantibiotika (in der Tierhaltung) gehört gänzlich verboten», erklärte der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, am Freitag. Den Angaben nach wurden in der Tierhaltung 2014 in Deutschland circa 16 Tonnen Reserveantibiotika eingesetzt. Deren Verbrauch sei gestiegen, obwohl der Antibiotika-Einsatz bei Tieren insgesamt zurückgegangen sei.

Zum Schutz rät das BfR zu «sorgfältiger Küchenhygiene», so dass Keime nicht von rohem Fleisch auf andere Lebensmittel übertragen werden können. Zudem solle Fleisch gründlich durcherhitzt werden.
dpa
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