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10.07.2010 | 05:11 | Pflanzengenetik 

Qualitätsstandards für Sicherheitsforschung - Naturschutzverbände steigen aus

Darmstadt - Gibt es offene oder derzeit nur unzureichend geklärte Fragen zur biologischen Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen?

Pflanzengenetik
(c) Foto Remar - fotolia.com
Welche Forschungsthemen sind bisher vernachlässigt worden, welche sollten in Zukunft vorrangig gefördert werden? Die Sicherheitsforschung stand im Mittelpunkt des vierten Runden Tisches Pflanzengenetik im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Nach wie vor gibt es tiefe Meinungsverschiedenheiten. Kurz vor der Sitzung am 7. Juli 2010 in Berlin sagten die Naturschutzverbände ihre Teilnahme ab.

„Der offene und intensive Dialog beim Runden Tisch hat gezeigt, dass weiterhin eine sorgfältige, häufig auch interdisziplinäre wissenschaftliche Forschung zu den Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen notwendig ist“, zog BMBF-Staatssekretär Georg Schütte eine vorsichtig positive Bilanz. „Nur so können wir die notwendigen fachlichen Kompetenzen erhalten, um die weltweit dynamischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Gentechnik zu beurteilen und verantwortlich zu nutzen.“ Schütte leitete in Vertretung von Forschungsministerin Annette Schavan den Runden Tisch, an dem wie bei den vergangenen Sitzungen etwa dreißig Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Verbänden und den Kirchen teilnahmen.


Sicherheitsforschung: Mehr Gewicht durch Qualität

Einen ersten Impuls für die Diskussion lieferte ein Thesenpapier „Biologische Sicherheitsforschung an gentechnisch veränderten Pflanzen“. Aus sich derzeit noch in der Entwicklung befindenden gv-Pflanzen leitet es Themen ab, mit denen sich die Sicherheitsforschung bereits jetzt beschäftigen sollte. So könnten in einigen Jahren Pflanzen auf den Markt kommen, die neuartige Nachwachsende Rohstoffe produzieren, oder Pflanzen mit verbesserter Trocken- oder Salztoleranz.

Vor allem formuliert das Thesenpapier erste Vorschläge für notwendige Qualitätsstandards zur Sicherheitsforschung. „Wir können immer wieder beobachten, dass Ergebnisse aus der Sicherheitsforschung bei politischen Entscheidungen - etwa über Anbauverbote von gv-Pflanzen - nicht angemessen berücksichtigt werden“, so Prof. Inge Broer von der Universität Rostock, Mit-Verfasserin des Thesenpapiers. „Unser Ziel ist es, klare, überzeugende Qualitätsstandards für eine seriöse, nach wissenschaftlichen Grundsätzen arbeitende Sicherheitsforschung zu etablieren, um so einen stärkeren Beitrag zur Politikberatung leisten zu können.“

So setze etwa die Untersuchung sicherheitsrelevanter Fragestellungen keine klare, wissenschaftlich begründete Ursache-Wirkungs-Hypothese voraus. Obwohl für Wissenschaftler eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sei das jedoch nicht immer der Fall. Bei der Bewertung von Forschungsergebnissen müsse zudem die jeweilige „natürliche Variabilität“ berücksichtigt werden, betonten mehrere Teilnehmer aus Forschungseinrichtungen. So sei etwa bekannt, dass die feinstoffliche Zusammensetzung von Pflanzen zwischen verschiedenen Sorten, sogar zwischen einzelnen Pflanzenindividuen schwanke. Ergebnisse für gv-Pflanzen seinen nur dann problematisch, wenn sie außerhalb dieses „natürlichen Bereichs“ liegen würden.

Oft würden Forschungsergebnisse falsch interpretiert, weil nicht klar zwischen einer meist in Laborversuchen ermittelten schädlichen Wirkung, die ein Stoff oder ein GVO etwa auf andere Organismen ausübt, und der tatsächlichen Exposition des gefährdeten Organismus unter natürlichen Bedingungen unterschieden werde.


BfN: Offene Fragen, methodische Lücken

Für Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN), stehen dagegen eher methodische Lücken und bisher nicht ausreichend erforschte Einzelfragen im Vordergrund. So sieht sie etwa „systemare Zusammenhänge und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt nicht ausreichend untersucht“. Außerdem habe sich die biologische Sicherheitsforschung bislang „nicht ausreichend der Frage zugewandt, wie sich die Kombinationen von mehreren Insekten-Toxinen (Bt-Proteine) zusammen mit dem Einsatz von Breitbandherbiziden auf die noch vorhandene Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen der Agrarlandschaft auswirkt.“ Nicht bearbeitet oder ausreichend gelöst sei auch der „Abbau und Verbleib von Transgenen und ihren Produkten in unterschiedlichen Umweltmedien“, etwa in aquatischen Ökosystemen oder im Boden.

Nicht alle Wissenschaftler teilten diese Sicht. So wies etwa Stefan Rauschen von der RWTH Aachen, Koordinator des BMBF-geförderten Forschungsverbundes zu den Umweltauswirkungen von gv-Mais, darauf hin, dass einige der vom BfN und in einem ebenfalls eingebrachten Positionspapier der Hochschule Vechta benannten vermeintlichen Defizite bereits in den aktuellen Forschungsprojekten des Verbundes untersucht würden. Dabei gehe es etwa um mögliche Umweltauswirkungen eines gv-Maises, der verschiedene Bt-Proteine produziert und zudem eine Herbizidresistenz besitzt. Sollte es Synergieeffekte zwischen diesen Merkmalen geben, würden sie sich in den Ergebnissen niederschlagen.


Naturschutzverbände steigen aus

Kurz vor der Sitzung des Rundes Tisches hatten der NABU (Naturschutzbund Deutschland) und der DNR (Deutscher Naturschutzring) ihren Ausstieg erklärt. Sie warfen dem BMBF vor, es verweigere sich einem „ernsthaften Dialog mit der kritischen Zivilgesellschaft“.

Die Kritik der Naturschutzverbände entzündete sich insbesondere an einer Antwort des BMBF auf einen im September 2009 vorgelegten „Neun-Punkte-Katalog für eine ökologische Risikoforschung“. Diese sei „in Inhalt und Form inakzeptabel“.

Das Neun-Punkte-Papier, das von weiteren Verbänden unterstützt wird, spricht vor allem Fragen der Sicherheitsbewertung und der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen an. So wird die Bewertung der gesundheitlichen Sicherheit von GVO-Produkten im derzeitigen europäischen Zulassungsverfahren kritisiert. Die dafür herangezogenen Daten seien nicht ausreichend und die angewandten Methoden nicht gründlich genug. Weiterhin wird gefordert, dass bei Zulassungsentscheidungen stärker die wirtschaftlichen Auswirkungen einbezogen werden müssten. Es fehlten „Berechnungen zur Verteilung von Nutzen und Lasten der Gentechnik-Anwendungen“. Zu erfassen sei vor allem, welche Kosten denjenigen entstehen, die keine Gentechnik anwenden.

In seiner Antwort hatte das BMBF darauf hingewiesen, dass das Neun-Punkte-Papier der Verbände „sich vor allem mit Fragen der Sicherheitsbewertung und des Zulassungsverfahrens beschäftigt“, der Förderschwerpunkt des BMBF dagegen eher auf grundlegende naturwissenschaftliche Fragestellungen ausgerichtet sei. Die Sicherheitsforschung sei nicht Teil des Zulassungsverfahrens, sondern ziele darauf ab, den Stand des Wissens zur biologischen Sicherheit und zu möglichen Umweltauswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen zu erweitern.

Mit der Diskussionsrunde zur Sicherheitsforschung ist der Runde Tisch Pflanzengenetik vorerst beendet.

Staatssekretär Schütte kündigte für Ende des Jahres die Fortsetzung der Förderung zur biologischen Sicherheitsforschung an. Er sicherte zu, die Vorschläge der Teilnehmer bei der Ausgestaltung dieser Förderinitiative zu berücksichtigen.

Quelle www.biosicherheit.de
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