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11.06.2010 | 02:43 | Runder Tisch zur Pflanzengenetik 

Schavan: Alle Forschungsmethoden für die Sicherung der Welternährung einsetzen - auch die Gentechnik

Berlin - Zum dritten Mal hatte Bundesforschungsministerin Annette Schavan zum Runden Tisch Pflanzengenetik nach Berlin geladen. Diesmal ging es um die Sicherung der Welternährung und die Anforderungen, die sich daraus für die Agrar- und Pflanzenforschung ergeben.

Pflanzengenetik
Eingeladen war ein weites Spektrum aus Wissenschaft, Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppierungen. In der Diskussion zeigte sich in vielen Fragen grundsätzliche Übereinstimmung - mit einer Ausnahme: Bei der Gentechnik scheinen die Gegensätze weiterhin unüberbrückbar.

Zu Beginn der Sitzung in Berlin fasste Prof. Joachim von Braun, Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn, die großen Herausforderungen noch einmal zusammen: Bis 2030 wird die Nachfrage nach Nahrungsmitteln weltweit um 50 Prozent steigen - bei sich verschlechternden Rahmenbedingungen, denn Wasser und Anbauflächen werden zunehmend knapp. Hinzu kommen die in einigen Regionen dramatischen Folgen des Klimawandels. Während der Wirtschafts- und Agrarkrise der letzten Jahre hat die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, noch einmal um 100 Millionen zugenommen.

Die Sicherung der Welternährung ist inzwischen auf den Tagesordnungen der politischen Gipfeltreffen nach vorn gerückt. Auch Deutschland, so Schavan bei der Einleitung des Runden Tisches, will die Agrar- und Pflanzenforschung stärker auf dieses Ziel ausrichten und künftig enger mit Entwicklungsländern zusammenarbeiten. Eine entsprechende Förderinitiative, vom Forschungsministerium gemeinsam mit den Ressorts für Landwirtschaft und Entwicklung ausgearbeitet, soll im Herbst 2010 vorgestellt werden.

Im Grundsatz wurde die Ankündigung der Förderinitiative von allen Teilnehmern des Runden Tisches begrüßt. Die Beiträge aus beiden „Lagern“ - hier Entwicklungsorganisationen, ökologischer Landbau und Naturschutz, dort Forschungsorganisationen, Pflanzenzüchter und Verbände - unterschieden sich allenfalls in ihren Akzenten und Prioritäten. Letztere betonten eher den hohen Stellenwert der klassischen Pflanzenzüchtung, neue molekularbiologische Methoden eingeschlossen, für die anderen steht die Sicherung der Bodenfruchtbarkeit im Vordergrund. Wenig strittig auch, dass allein mit neuen Technologien die Probleme nicht zu lösen sind, sondern nur mit einem breiten systemischen Forschungsansatz. Mehrere Teilnehmer verwiesen in diesem Zusammenhang auf die über die CGIAR (Consultative Group on International Agricultural Research) koordinierte internationale Agrarforschung, die „gut aufgestellt“ sei und „das richtige Mandat“ habe. Seit vielen Jahren arbeiten die CGIAR-Forschungszentren überall auf der Welt an nachhaltigen, angepassten Lösungen für lokale Landwirtschaften in Entwicklungsländern. Dabei nutzen sie durchaus auch technische Innovationen - die Gentechnik eingeschlossen.


Grüne Gentechnik: Feste Positionen

Doch haben in einer am Ziel der Ernährungssicherung ausgerichteten Agrar- und Pflanzenforschung auch gentechnische Verfahren ihren Platz? An dieser Frage schieden sich die Geister. Der tiefe gesellschaftliche, politisch aufgeladene Konflikt über die Grüne Gentechnik ließ auch der Diskussion am Runden Tisch wenig Spielraum.

Für den ökologischen Landbau widerspricht die Gentechnik dem „grundlegenden Prinzip, innerhalb ökosystemarer Belastungsgrenzen zu wirtschaften“. Die Nicht-Regierungsorganisationen aus der Entwicklungspolitik lehnen Gentechnik ab, weil sie die Landwirte in wirtschaftliche Abhängigkeiten von Agrarunternehmen treibe und die bewährte Praxis des open source in der Pflanzenzüchtung untergrabe. Gentechnisch veränderte Pflanzen seien zudem nicht eingrenzbar, eine „Koexistenz“ - der Bestand einer gentechnikfreien Landwirtschaft - daher „prinzipiell unmöglich“. Kurz: „Die Grüne Gentechnik leistet keinen Beitrag zur Lösung des Welthungers.“

Nicht nur Forschungsministerin Schavan widersprach. Es sei nicht gerechtfertigt, eine bestimmte Methode vor vorneherein auszuschließen – weder die Gentechnik, noch den Ökolandbau. „Ich bin davon überzeugt, dass gentechnische Ansätze einen Beitrag zur Welternährung leisten können, indem robustere Pflanzen entwickelt werden, die Dürre oder Kälteeinbrüchen besser als bisher standhalten können“.

Sprecher aus Forschung und Unternehmen verwiesen auf konkrete Projekte in Entwicklungsländern, bei denen etwa an Pflanzen mit verbesserter Wasser- und Ressourceneffizienz gearbeitet wird. Auch bei den auf 30 bis 70 Prozent geschätzten „Nachernteverlusten“ - Ausfälle durch Krankheiten und Schädlinge - sei es nicht zu begründen, von vornherein auf gentechnische Ansätze zu verzichten, um diese zu reduzieren. Eine Studie der gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC, Joint Research Center) hat ergeben, dass Entwicklungs- und Schwellenländer in Asien und Südamerika verstärkt eigene gentechnisch veränderte Pflanzen entwickeln. Bis 2016 sollen 57 gv-Pflanzen kommerziell genutzt werden, die nicht von Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Nordamerika und Europa stammen.

Am Runden Tisch kam auch eine aktuelle Studie des Göttinger Agrarökonomen Matin Qaim zur Sprache. Sie zeigt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien die wirtschaftliche Lage vor allem der extrem armen Haushalte deutlich verbessert hat. „Diese Ergebnisse können nicht ohne Weiteres auf alle Anwendungen der Gentechnik übertragen werden, weil es immer auf die jeweiligen Rahmenbedingungen ankommt,“ so Matin Qaim.

„Wir werden die Diskussionsergebnisse des Runden Tisches berücksichtigen,“ zog Schavan eine erste Bilanz. „Das Ziel der neuen Förderstrategie ist es, Brücken zu bauen zwischen Forschung und Anwendung, zwischen Chancen nutzen und verantwortungsvollem Handeln im Sinne der Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt. Forschung für die weltweite Ernährungssicherheit unter Berücksichtigung der Potenziale sämtlicher Forschungsansätze spielt dabei eine Schlüsselrolle.“

Nicht mehr zur Sprache kam das andere große Thema, das auf der Tagesordnung des Runden Tisches stand - die biologische Sicherheitsforschung. Es soll nun in einer weiteren Sitzung unter Leitung des Staatssekretärs Georg Schütte erörtert werden.


Quelle: www.bioSicherheit.de
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