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01.12.2006 | 11:23 | Genetische Biodiversität 

Vielfalt digital: Neuer Forschungszweig spürt genetisches Gold in Genbanken auf

Stuttgart/Hohenheim - Mais, Reis oder Getreide: Forscher vermuten ein schier unerschöpfliches Potential in Wildformen und alten Landrassen. KWS SAAT AG und Universität Hohenheim starteten am 24.11.2006 die neue Stiftungsprofessur, um es zu erforschen.    

Universität Hohenheim
(c) proplanta
„Mit der F. W. Stiftungsprofessur für Nutzpflanzen-Biodiversität und
Züchtungsinformatik wollen wir ein neues Kapitel in der Pflanzenzüchtung aufschlagen und ein internationales Center of Excellence aufbauen“, erklärte der Sprecher des KWS-Vorstandes Dr. Dr. h.c. Andreas J. Büchting bei der heutigen Vertragsunterzeichnung am 24. November 2006 in der Universität Hohenheim.

Ziel sei es, die Züchtung verstärkt für neue Methoden der Informatik zu öffnen, um die immense natürliche Vielfalt von Pflanzen für zielgerichtete Neuzüchtungen nutzen zu können. "Baden-Württemberg ist stolz, mit dieser neuen Stiftungsprofessur einen europaweit einmaligen Forschungs-schwerpunkt zu haben", bekräftigte die Staatsekretärin des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg, Friedlinde Gurr-Hirsch bei der Vertragsunterzeichnung.

Als wichtigen Baustein in der strategischen Ausrichtung der Hochschule bezeichnete der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans-Peter-Liebig, die neue Stiftungsprofessur. „Wir sind stolz und glücklich, dass unsere langjährige wertvolle Kooperation mit dieser Stiftungsprofessur eine neue Qualität erhält.“

Ist das tatsächlich alles Mais? Rot, gelb, weiß, blau oder bunt gescheckt stapeln sich die Kolben in den Regalen des Instituts für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik der Universität Hohenheim. Rund und erbsengroß hängen die Körner an manchen Kolben, andere sind nadelig spitz oder buschelig. Sechs Meter hoch kratzt der Riesenwuchs einer neuen Sorte an der Zimmerdecke.

Daneben kümmert, kurz wie ein kleiner Finger, ein unscheinbares Gras in einem kleinen Gläschen. „Das ist die Urgroßmutter aller Sorten“, meint Institutsleiter Prof. Dr. Albrecht Melchinger mit Blick auf die knubbeligen Samen in dem Gläschen. Inkas, spanische Eroberer, Schweizer Bergbauern, amerikanische Popcorn-Produzenten, asiatische Steppenvölker: Sie alle hätten über Jahrhunderte und Jahrtausende das karge Gras zu einer verwirrenden Vielfalt weitergezüchtet.

„Bei Mais kennen wir mehrere 10.000 alte Landrassen und Wildsorten – doch seit den 50er Jahren haben wir all diese genetische Vielfalt auf einen Bruchteil reduziert, die wir für die Pflanzenzucht nutzen“, erklärt Prof. Dr. Melchinger. Und das nicht nur bei Mais – ob Weizen, Reis, oder Kartoffeln: „Wir nutzen lediglich eins bis fünf Prozent des genetischen Materials.

Der Rest schlummert tiefgekühlt in den Genbanken“. Darunter sei mancher Schatz, der darauf warte, gehoben zu werden. „Die Urform des Maises musste auf kargen Ackerrändern überleben. Auf den trockenen Böden im Balkan bildeten sich Rassen aus, die mit halb so viel Regen auskommen wie die Rassen in Deutschland. Schweizer Mais trotzt der Kälte.“ All das sind Eigenschaften, die bald schon wertvoller sein können, als der hohe Ertrag der Elite-Sorten, meint Prof. Dr. Melchinger. „Wasser wird schon in naher Zukunft knapp werden.

Um das Grundwasser müssen wir den Einsatz von Kunstdünger weltweit
drastisch reduzieren. Um Biogas zu produzieren, brauchen wir ganz andere Pflanzen wie für den Popcorn-Automaten im Kino.“ Ständig neue Anforderungen stellten die Züchter vor immer neue Herausforderungen. „Viele der Lösungen schlummern in Wildformen und alten Landrassen, die in dem heutigen Material nicht mehr enthalten sind.“

Versunkene Schätze dieser Art zu heben, wird Aufgabe des neuen Lehrstuhls für Biodiversität und Züchtungsinformatik, der am Institut für Pflanzen-züchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik angesiedelt ist. „Allein im Mais haben wir fast 60.000 Gene. Wenn wir nur drei Sorten miteinander kreuzen, können wir 60.000 hoch drei Genkombinationen züchten – das sind mehr Möglichkeiten, als es Menschen auf dieser Erde gibt“, sagt Prof. Dr. Melchinger.

Aussicht auf Erfolg hat deshalb nur, wer die Vielfalt sinnvoll eingrenzen kann. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: „Eine neue Sorte zu züchten, kostet rund zwei Millionen Euro“, weiß Prof. Dr. Melchinger. Insofern habe der neue Lehrstuhl auch ein enormes wirtschaftliches Potential.

Grundlage sei, dass das Genom der meisten Nutzpflanzen binnen weniger Jahre entschlüsselt sein dürfte. „An dieser Stelle schlagen wir mit der Züchtungsinformatik die Brücke zur Anwendung“, erklärt Prof. Dr. Melchinger. Schon jetzt liegen aus DNA-Analysen und Feldversuchen gigantische Datenmengen über die Eigenschaften verschiedener Sorten vor.

„Wenn ich eine neue Sorte mit ganz bestimmten Eigenschaften suche, kann ich so recherchieren, welche Rassen mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignete Eltern sein könnten.“ Mit Computermodellen lässt sich außerdem berechnen, wie sich verschiedene Sorten mitmöglichst wenig Zwischenschritten am besten kreuzen lassen, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen.

Dank DNA-Analyse durch handliche DNA-Chips lassen sich die Nachkommen schon im Keim-Stadium durchleuchten, ob Sprösslinge mit den gesuchten Eigenschaften dabei sind. „Bislang haben wir nur relativ zufällig an der Oberfläche des Möglichen gekratzt“, meint Prof. Dr. Melchinger. „Durch die neue Forschungsrichtung können wir erstmals zielstrebig auf neue Anforderungen reagieren.“

Quelle: Pressemitteilung Universität Hohenheim 24.11.2006
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