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21.03.2011 

Wie schnell kommt das Atom-Aus?

Berlin - Nach Tschernobyl trieben in Deutschland einige Pioniere die erneuerbaren Energien voran. Dies mündete 14 Jahre nach dem Super-Gau zur Jahrtausendwende im Fördergesetz für Ökoenergien.

AkW
(c) proplanta
Die Katastrophe von Fukushima könnte eine ähnliche Zäsur werden. Doch wie schnell ist ein kompletter Atomausstieg möglich? Darüber will Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag mit den fünf Ministerpräsidenten, in deren Ländern AKW stehen, sowie mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) beraten. 

Röttgen hält bei einem Ökostrom-Anteil von 40 Prozent einen Ausstieg für möglich, der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) rechnet bis 2020 bereits mit einem Anteil von 47 Prozent. Der BEE fordert nun ein «Erneuerbare-Energien-Ausbaubeschleunigungsgesetz», mit vereinfachten Genehmigungsverfahren und neuen Förderinstrumenten, um rascher aus der Atomkraft aussteigen zu können. Aber: Bei einer Laufzeitverkürzung wäre auch der von den AKW-Betreibern gespeiste Ökoenergie-Fonds weitgehend obsolet. Er sollte 14,5 Milliarden Euro bringen. Wo das Geld alternativ herkommen könnte, ist unklar.

2020 wird angesichts der Ökoenergie-Zuwächse als realistisches Szenario gesehen, aber nur wenn es entsprechende Netze und Speicher gibt. Schon jetzt müssen Windräder immer häufiger abgeschaltet werden, um Blackouts zu vermeiden. So berichtet Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU), dass sich deshalb zeitweise 40 Prozent der Mühlen in seinem Land nicht drehen.

Das Problem: Es gibt bisher nur einige Pumpspeicherkraftwerke, wo überschüssiger Ökostrom Wasser in ein Becken hochpumpt, das bei Bedarf herunterfließt und stromerzeugende Turbinen antreibt. Batterie-Speicher sind bisher auf dem Stand von Computern der 80er Jahre.

Brüderle will nun mit einer Bundesnetzplanung Klarheit schaffen, wie hoch der Netzbedarf ist. Der Ausbau mit neuen Stromautobahnen von Nord nach Süd könnte deutlich verringert werden, wenn es schneller vorangehen würde etwa bei der Entwicklung sogenannter Smart Grids.

Dabei wird per Computer der Bedarf und Verbrauch gesteuert. So kauft ein Kühlhaus besonders viel Energie, wenn diese günstig ist, etwa nachts - auch Elektroautos sollen sich in Zukunft möglichst aufladen und Spülmaschinen sich einschalten, wenn die meisten Stromverbraucher schlafen. Auch wenn die Energiebranche hiervon elektrisiert ist, steckt das Ganze noch in den Kinderschuhen, und die individuelle Steuerung würde die Verbraucher viel Geld kosten. Brüderle betont: «Wir brauchen ein Internet der Energie.»

Da die Ökostrom-Produktion schwankt, reicht es zudem nicht, die Erzeugungskapazität der 17 AKW von 20.000 Megawatt zu ersetzen, sondern man braucht deutlich mehr, um die zu 100 Prozent planbare und kontinuierlich Strom liefernde Kernenergie zu ersetzen. Besonders bei den Windparks auf See soll es nun rascher vorangehen, zudem gibt es noch großes Wind-Ausbaupotential in Baden-Württemberg und Bayern.
Viel wird auch von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall abhängen, etwa ob sie sich mit dem Abschied von der Atomkraft abfinden und massiver in Ökoenergien investieren.

Wenn jetzt das Schreckgespenst von Milliarden-Kosten gezeichnet wird, darf nicht vergessen werden: Auch die Atomkraft wurde laut Studien mit mehr als 100 Milliarden Euro subventioniert - SPD und Grüne weisen darauf hin, dass deren unkalkulierbare Folgen vom Steuerzahler zu tragen sind. Aber der Abschied von der Atomkraft dürfte nicht nur grün werden, sondern auch mehr Kohle- und Gaskraftwerke erfordern, um die schwankende Stromproduktion auszugleichen. Der Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten und die teuren Gaskraftwerke könnten den Strompreis etwas nach oben treiben.

«Der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie ist in Deutschland bis 2020 möglich», sagt Felix Matthes vom Öko-Institut. Zehn Kernkraftwerke könnten sofort abgeschaltet werden, vier bis 2013 und die verbleibenden drei bis spätestens 2020. «Die Effekte der Kraftwerksstilllegungen auf den Strompreis werden ausgesprochen gering sein. Auch die gefürchtete «Stromlücke» bleibt aus, weil es genügend Alternativen gibt», prophezeit Matthes.

Wie schwierig ein schnellerer Atomausstieg wäre, kann sich schon in Kürze zeigen. Im Zuge von Revisionen wollen die Konzerne neben den 8 bisher abgeschalteten Meilern weitere AKW herunterfahren, so dass eventuell nur noch 4 oder 5 der 17 AKW Strom liefern. Wenn es in der Zeit zu Problemen kommt, könnten Kernkraftbefürworter neue Argumente haben und die Debatte wieder in die andere Richtung gehen. (dpa)
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