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31.05.2011 

EHEC - Ist die Angst der Verbraucher übertrieben?

Hamburg/Berlin - Aus Angst vor EHEC-Keimen nehmen Restaurants Salate von den Speisekarten, Gurken und Tomaten werden zu Ladenhütern. Ist die Angst der Verbraucher übertrieben?

Tomate
Joachim Westenhöfer, Professor für Ernährungs- und Gesundheitspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa über Risiken und Ängste.


Aus Angst vor dem Darmbakterium EHEC streichen viele Menschen frisches Gemüse von ihrem Speiseplan. Ist diese Angst berechtigt oder übertrieben?

Westenhöfer: «Generell ist nichts dagegen zu sagen, wenn Menschen Angst haben. Ganz im Gegenteil. Es ist ja manchmal ganz vernünftig, zum Beispiel, wenn wir im zehnten Stock am Fenster stehen und nicht meinen, wir könnten da einfach rausspringen. Insofern ist Angst ein gutes Gefühl, das uns vor gefährlichen Dingen warnt.

Menschen entwickeln aber auch Angst vor Dingen, die kein Problem sind, zum Beispiel Spinnen. Und schließlich gibt es Ängste auch in Situationen, in denen die Lage unklar ist, wo man nicht weiß: Sind die Ängste berechtigt oder unberechtigt? Das ist wohl gerade bei EHEC der Fall. Das Problem scheint mir schon zu sein, dass Menschen dazu neigen, Risiken überzubewerten. Andererseits sind in einer Woche rund ein Dutzend Menschen gestorben. Das ist natürlich schon ein Problem, das rechtfertigt, hier vorsichtig zu sein.»


Halten Sie die Warnungen vor frischem Gemüse für angemessen?

Westenhöfer: «Inwiefern es gerechtfertigt ist, vor dem Verzehr von Salat, Gurken und Tomaten zu warnen, kann ich nicht beurteilen, da ich die Daten des Robert Koch-Instituts nicht wirklich kenne und daher nicht beurteilen kann. Vielleicht sollte man den Leuten, die das beurteilt haben, einen gewissen Vertrauensvorschuss gönnen.»


Essen Sie selbst noch Gurken und Tomaten?

Westenhöfer: «Ja, ich esse selber noch Gurken und Tomaten, dazu bin ich zu sehr Wissenschaftler und damit auch statistisch sehr gut ausgebildet. Ich denke, dass das Risiko, sich zu infizieren, sehr gering ist, aber ich weiß natürlich auch, dass auch ein geringes Risiko immer eintreten kann. Das Lieblingsbeispiel, das ich dem Verbraucher nennen würde, ist das Lottospiel: Es gibt ein ganz geringes Risiko für einen Sechser im Lotto. Aber trotzdem schaffen es immer wieder Leute.»


Warum ist die Angst besonders bei Lebensmittelskandalen immer so groß?

Westenhöfer: «Eine wichtige Rolle spielt sicherlich, dass der Verbraucher heutzutage keinen emotionalen und erlebnismäßigen Bezug mehr zur Lebensmittelherstellung hat. Vor 100 Jahren haben die Leute noch mitgekriegt, wie Lebensmittel produziert wurden. Für uns ist das heute etwas Anonymes. Wir haben keinen Bezug und damit auch kein persönliches Vertrauen mehr dazu. Dieser Vertrauensverlust ist ein wichtiger Gesichtspunkt.»


Glauben Sie, dass der EHEC-Skandal langfristige Folgen hat?

Westenhöfer: «Wenn ich das in der Rückschau auf alle bisherigen Ernährungsskandale projiziere, dann würde ich nicht erwarten, dass es eine nachhaltige Wirkung gibt. Sobald das Medienecho geringer wird, wird es wieder im Bewusstsein verschwinden und die Leute werden in relativ kurzer Zeit wieder zu ihrer alten Ernährung zurückkehren.» (dpa)
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