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11.04.2011 

Mondholz: Hokuspokus oder nachweisbare Heilkraft

Königstein - «Wenn Sie Baum wären, was würden Sie sich wünschen vom Menschen?»

Mondholz
(c) proplanta
Sägewerksleiter Sigmund Schuster meint es wirklich ernst. Er will mit dieser Frage nicht provozieren, sondern um Verständnis werben für das «Wesen Baum» - das man seiner Ansicht nach nicht einfach so niedersägen sollte. Das Holz müsse «bereit sein». Und das ist es laut Schuster bei abnehmendem Mond. Der Holzingenieur aus dem osthessischen Birstein mag für manche ein Sonderling sein, doch er hat Kunden, die genauso denken.

Mondholz nennt der Volksmund schon lange die Bäume, die zur angeblich rechten Zeit fallen. Die Bezeichnung «Vollwertholz» findet Schuster allerdings passender. Zwischen Ende Oktober und Anfang Januar sei der Baum bereit zu sterben - und zwar in der letzten Phase des abnehmenden Mondes. «Da atmen die Pflanzen gewissermaßen aus.» Dann schlafe der Baum, seine biologische Aktivität sei stark reduziert. Der Schock des Fällens sei für ihn dann nicht so groß, erläutert Schuster. Also griffen die Forstarbeiter im Taunus in seinem Auftrag in der 48. Kalenderwoche des vergangenen Jahres zur Motorsäge.

Klare Ansagen bekam Ralf Heitmann, Leiter des Forstamts Königstein, allerdings nicht nur zum Fäll-Zeitpunkt. Normalerweise sägen Waldarbeiter sofort nach dem Fällen die Äste ab und zerteilen den liegende Stamm. Alles in einem Aufwasch. Das spart Zeit und Geld. Mondholz-Stämme müssen dagegen erst vier Wochen am Boden ruhen, bevor sie aufgearbeitet werden. Am besten mit der Krone bergab.

Das habe nicht etwa was mit okkulten Holzgöttern zu tun, sondern mache auch aus naturwissenschaftlicher Sicht Sinn. Das Wasser im Holz könne nämlich dank der Schieflage in die Krone und immer weiter in Nadeln oder Blätter fließen, erklärt Heitmann. Der Stamm trocknet auf natürliche Weise, reißt dadurch nicht so schnell und reagiert nicht auf Luftfeuchtigkeit - perfekt zum Bauen. «Nicht der Einschlagzeitpunkt, sondern die Verarbeitung ist das Entscheidende», sagt Ute Seeling, Geschäftsführende Direktorin des Kuratoriums für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF) in Groß-Umstadt bei Darmstadt.

«Mit viel Optimismus» hat die promovierte Forstwissenschaftlerin im Dienste der Wissenschaft Fichten in verschiedenen Mondphasen fällen lassen und das Holz untersucht. Die Fakten waren allerdings ernüchternd: «Es hat keine Untersuchung einen Effekt bewiesen.» Ein paar alteingesessene Schwarzwaldbauern habe sie bei einem Vortrag mit diesem Fazit brüskiert: «Ich dachte, ich komme aus dem Wirtshaus nicht mehr (heil) raus.» Kein Wunder, denn das Mondholz aus dem Schwarzwald ist nachgewiesenermaßen qualitativ hochwertiger als das technisch getrocknete Industrie-Holz. Grund sei - meint Seeling - aber eben nicht der Mond, sondern die sorgsame Behandlung vor und nach dem Schlagen.

Für Mondholz wandert viel Geld über deutsche Schreinerei-Tresen: Die Kunden seien bereit, bis zu doppelt so viel zu bezahlen wie für gewöhnliches Holz. Ein zwei Meter langer und 15 Zentimeter dicker «Schuster-Vollwertholz-Balken» kostet zwischen 100 und 400 Euro, je nach Bearbeitung. Den legt sich der Kunde zum Beispiel hinter das Kopfende des Bettes. «Dann wird die Stahlbetondecke zurückgedrängt. Dann kann Ruhe in den Kopf einkehren», erklärt Schuster. Das Holz könne sogar Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch helfen oder kuriere bettnässende Kinder. Er kenne jedenfalls Menschen, bei denen sich solche Probleme durch Mondholz-Einfluss geklärt hätten, sagt Schuster.

Doch bei der Fahrt im Förster-Auto durch den Königsteiner Wald kommen Zweifel auf. «Das ist Mondholz», sagt Förster Heitmann und zeigt auf einen Stapel Stämme. «Das ist normales Holz», sagt er bei einem völlig gleich aussehenden Stapel einen Kilometer weiter. Beim nächsten Stapel Mondholz blutet dem Förster das Herz. Seine Arbeiter zersägen den so aufwendig getrockneten Stamm - er ist unten von Rotfäule zerfressen. Er geht nun als minderwertiges D-Holz in die Paletten-Produktion, ist wegen der Fäule zum Bauen nicht zu gebrauchen. «Immerhin werden daraus Mondholz-Paletten. Die gehen nie kaputt», sagt er und schaut in die Kronen der Nachbarbäume. (dpa)
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