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   04.02.2022 

Vertical Farming - was steckt dahinter?

Senkrecht Obst, Gemüse, Kräuter und Co. anbauen: eine verrückte Idee, der die Zukunft gehört. Vertical Farming ist nicht neu, blieb nur lange unbeachtet.

Vertical Farming
(c) proplanta
Bereits 1915 gab es die ersten Vertical-Farming-Idee des US-Geologen Gilbert Ellis Bailey in Form seiner „Landschaft auf dem Dach“. In den letzten Jahrzehnten wurde die Idee weiterentwickelt und könnte die Landwirtschaftsrevolution bedeuten.

Kreative Ideen für die Landwirtschaftszukunft sind gefragt

Die Weltbevölkerung steigt stetig und auch ihr Lebensraum verändert sich. Mittlerweile sind ca. 55 % aller Menschen in Städten oder stadtnahen Gebieten zu Hause. Experten schätzen, dass sich der Prozentsatz bis 2050 weiter erhöht. Dann sollen sogar ca. 68 % der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten leben. Das bedeutet nicht nur eine Herausforderung für die Schaffung von Wohnraum, sondern auch für die Versorgung mit Lebensmitteln und Co.

Vertical Farming – ein Konzept der sogenannten „Stadtfarmen“, was zur Versorgung mit Obst und Gemüse sowie Kräutern beitragen könnte. Die Idee des Landwirtschaftskonzeptes ist nicht neu. 1915 begann der amerikanische Geologe Gilbert Ellis Bailey damit, seine Idee vom landschaftlichen Dachgarten umzusetzen. Der Grundstein für das heutige Vertical Farming war gelegt. Seit der Publikation des Buches „The Vertical Farm: feeding the world in the 21st Century“ des US-Wissenschaftlers Dr. Dickson Despommier gewinnt das Konzept zunehmend an Aufmerksamkeit und Nachahmer. Zahlreiche Hersteller bieten das globale Zukunftssystem der Landwirtschaft mittlerweile für Unternehmen und private Nutzer an.

Vorteile beim Vertical Farming sprechen für sich

Dass das Vertical-Farming-Konzept immer mehr überzeugt, liegt vor allem an den unzähligen Vorteilen. Mit dem Anbausystem lassen sich klimaunabhängig und ganzjährig Erträge erzielen. Durch die gezielte Versorgung mit wichtigen Nährstoffen ist sogar ein gesteigertes Wachstum möglich. Zu den wesentlichen Vorteilen gehört die Platzersparnis, denn statt riesiger Ackerflächen werden Flächen durch vertikalen Anbau effizienter genutzt. Mittlerweile wird das Konzept sogar abgewandelt und bestimmte Pflanzen horizontal, ebenfalls platzsparend, angebaut. Durch den kontrollierten Anbau und die effiziente Nährstoffversorgung können sogar Pestizide und Chemie vernachlässigt werden. Ein weiterer Vorteil, denn Obst und Gemüse in Bio-Qualität erfahren eine wachsende Nachfrage.

Beim vertikalen Anbau kommt meist ein geschlossener Wasserkreislauf zum Einsatz. Dadurch ist es möglich, die Dosierung von Wasser der Mineralienzugabe zu optimieren. Durch den geschlossenen Wasserkreislauf reduziert sich der Wasserverbrauch. Nichts gelangt ungenutzt in die Umwelt, sondern wird wohldosiert zur Pflanzenversorgung eingesetzt. Dazu kommen die kurzen Transportwege. Alles, was im urbanen Raum angebaut wird, kann unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern vor allem auch CO2-Belastung durch Verkehrsmittel.

Wer sich für Vertical Farming als Konzept für den Dachgarten entscheidet, kann sich sogar Fördermittel sichern. Einige Kommunen (beispielsweise Hamburg in der Vergangenheit) förderten die Begrünung der Dachfläche mit bis zu 60 %.

Vertical Farming entwickelt sich weiter. Viele globale Anbaukonzepte werden mittlerweile nicht nur vertikal, sondern auch horizontal umgesetzt.

Nachteile beim Vertical Farming

Sogar das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hat die Zukunft der urbanen Gärten erkannt. Bereits 2013 initiierte das Ministerium ein Projekt, um urbane Gartenideen gezielt zu fördern. Mittlerweile haben sich daraus deutschlandweit unzählige neue Gärten und Anbauflächen inmitten von Hochhäusern und asphaltierten Straßen ergeben.

Bei all den Vorzügen der urbanen Gärten und Anbaukonzepte gibt es auch beim Vertical Farming ausgewählte Nachteile. Viele vertikale Anbauflächen befinden sich nicht an der frischen Luft, sondern in Innenräumen. Das Ergebnis: Sonnenlicht fehlt. Das Licht ist jedoch notwendig, um die Fotosynthese der Pflanzen zu aktivieren. Die Lösung: künstliches Licht, das einen erhöhten Energiebedarf zur Folge hat.

Fällt die Energieversorgung aus, kann das Wachstum der Pflanzen beeinträchtigt werden. Auch die ständige Kontrolle über die Zugabe von Mikroorganismen, Nährstoffen und Co. ist aufwendig. Innovative Anbaukonzepte setzen auf technologische Unterstützung. Sie erfordert jedoch zunächst Hardware-Aufwand und nicht zu vergessen Energiekosten für die Überwachung.

Macht Vertical Farming konservative Landwirtschaft überflüssig?

Müssen sich konventionelle Landwirte Sorgen um ihre Zukunft durch die Etablierung neuer Anbaukonzepte machen? Damit die Zukunft der Landwirtschaft gesichert ist, müssen sich auch die Landwirte umstellen. Das Gros tut dies bereits und setzt beispielsweise auf ökologischen Anbau oder verzichtet auf Massentierhaltung. Stattdessen folgen sie dem Nachfragetrend der Verbraucher und setzen auf mehr Qualität und vor allem Bio.

Um den Lebensmittelbedarf der Weltbevölkerung künftig decken zu können, braucht es laut Meinung der Experten zusätzliche Konzepte. Vertical Farming kann ein Puzzleteil sein, um die wachsende Nachfrage nach Obst, Gemüse und Co. zu befriedigen.

Allein mit dem Vertical Farming könnte der Lebensmittelbedarf der Bevölkerung nicht gedeckt werden. Notwendig ist ein Potpourri verschiedener Anbaumethoden, die jedoch deutlich effizienter genutzt werden sollten. Wie die Columbia University in einer Untersuchung zeigt, werden beim Vertical Farming im direkten Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft zwischen 70 % bis 90 % weniger Wasser benötigt. Lässt sich durch die vertikale Anbaumethode Wasser einsparen, wäre das vor allem für besonders trockene Gebiete ein echter Mehrwert.

Singapur zeigt, wie es funktionieren kann

Mittlerweile haben zahlreiche Städte Vertical Farming und andere innovative Anbaumethoden als Projektversuche etabliert. Singapur hat beispielsweise mit „Sky Greens“ ein Gestell mit 9 m Höhe kreiert. Hier gedeihen beispielsweise Spinat, Chinakohl und Kopfsalat. Das alles mit reiner Sonnenkraft und effizienter Wasserversorgung. Die Ernte wird an umliegende Schulen und Colleges verteilt. Für Singapur ist das ein Erfolg, denn hier gibt es durch die enge Bebauung mit Hochhäusern kaum Möglichkeiten, im urbanen Raum Gemüse und Co. zu produzieren.

Island nutzt Vertical Farming gleich doppelt effizient

Island hat sich Vertical Farming ebenso zur Aufgabe gemacht. Dafür wurden eigens vertikale Gewächshäuser auf einer Fläche von 2.200 m² aufgestellt. Angebaut wird Bio-Gerste, die beispielsweise für zahlreiche Kosmetikprodukte verwendet wird. Island geht sogar noch einen Schritt weiter und nutzt das eigene Quellwasser und die geothermische Energie, um die Pflanzen zu versorgen. Damit die jungen Triebe optimal gedeihen können, wird bakterienfreie Vulkanasche als Pflanzgrundlage genutzt. Der Erfolg und die Anträge geben dem Konzept recht.

Die USA weiß, wie Landwirtschaft unter widrigen Bedingungen neu gedacht funktioniert

In den USA zeigt ein Projekt, das Farming sogar unter schwierigsten Bedingungen möglich ist. Auf 1.900 m Höhe befindet sich die Kleinstadt Jackson Hole. An traditionelle Landwirtschaft ist aufgrund der Witterungsumstände kaum zu denken. Das Projekt „Vertical Harvest“ bringt auf 1.700 m² verteilt auf drei Stockwerke enorme Erfolge. Angebaut werden Kräuter und Gemüse, die mit Sonnenlicht gedeihen. (Pd)

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