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Die heilige Kuh in Indien

Die heilige Kuh in Indien | proplanta.de
Die heiligen Kühe gelten neben des Kastensystems als die bekannteste Eigenart des Hinduismus. Kühe gehören zum täglichen indischen Straßenbild und haben selbst auf den vielbefahrenen Straßen stets Vorfahrt, denn die Kühe werden von den Hindus als heilige Wesen verehrt. Wer einer Kuh das Leben nimmt, hat nach hinduistischem Glauben einen Mord begangen. Für die Hindus ist die Kuh die Mutter allen Lebens und ihre Gaben haben religiöse Bedeutung.

In der Mythologie wird die Kuh mit dem Gott Krishna in Verbindung gebracht. Dieser Gott wurde nach seiner Geburt in die Obhut einer Hirtenfamilie gegeben, denn man trachtete nach seinem Leben. Zusammen mit den Kühen wuchs Krishna auf, wurde von ihnen ernährt und verbrachte als Hirtenjunge seine Zeit mit ihnen. Auf Darstellungen oder als Skulptur hält der Gott Krishna daher meist eine Flöte, das traditionelle Instrument der Kuhhirten, in seinen Händen.

Das Füttern einer Kuh gilt bis heute als Bestandteil der Krishna-Verehrung. Heiligkeit schützt nicht vor Arbeit Die vedischen Schriften sind die ältesten überlieferten religiösen Schriften der Menschheit und Grundlage des Hinduismus. Schon in diesen uralten Schriften wird von der Kuh als "Erfüllerin aller Wünsche" oder einfach "Wunschkuh" gesprochen und bereits damals waren die Gaben der Kuh besonders wertvoll. Seit jeher haben sie auch religiöse Bedeutung. Tote werden zur Verbrennung mit Butterschmalz übergossen, Opfertätigkeiten können ohne Butterschmalz und Milch nicht durchgeführt werden. Von der Kuh hängen sowohl die Opfer für die Götter als auch die für die Ahnen sowie die Erhaltung des Körpers ab. Doch die Bedeutung der heiligen Kühe beschränkt sich nicht allein auf rituelle, kultische Gesichtspunkte.

Die Kuh ist für die vegetarisch lebenden Hindus auch ökonomisch von großem Wert. Denn die Heiligkeit schützt die Tiere - sofern sie stark genug sind - nicht vor dem Einsatz als Arbeitstier. Kühe sind die größten Helfer in der indischen Landwirtschaft. Die Kraft der Tiere hilft bei der Feldbestellung und beim Transport von schweren Gegenständen. Die Gaben der Kuh werden in ganz Indien geschätzt und effizient genutzt; Butterschmalz wird auch als Lampenöl, der Dung als Brennmaterial verwendet. Die Wertschätzung, die die Hindus den traditionellen Arbeitstieren entgegenbringen, hat neben religiösen also auch ökonomische Wurzeln.

Ehrfurcht vor dem Leben



Nicht nur der Hinduismus, sondern auch der Buddhismus und Jainismus sind geprägt von einer großen Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Ehrfurcht hat eine gemeinsame religiöse Wurzel: die Lehre von der Wiedergeburt und dem Karma. Gute und schlechte Taten des Menschen sind wegweisend für das nächste Leben. Die Verantwortung für das eigene Handeln kann nicht an einen allmächtigen Gott abgeschoben werden - schlechtes Karma wird nur durch verdienstvolles Handeln wie die Teilnahme an einer Wallfahrt neutralisiert.

Je nach Karma kann sich die Seele des Gläubigen nach dem Tod in allen Gattungen des Lebendigen verkörpern. Die Seele des Verstorbenen kann also nicht nur als Mensch, sondern auch als Pflanze, Gott, Bewohner der Unterwelt oder eben als Tier wiedergeboren werden. Nicht nur Heilige oder göttliche Wesen können eine Verbindung mit Tiere eingehen, auch Mutter oder Vater könnten als Ratte an einem vorbeihuschen.

Das Tabu



Auch wir im Westen kennen heute noch eine "heilige Kuh". Ein Thema, das nicht angetastet werden darf, oder an dem nicht so leicht zu rütteln ist, wird von uns umgangssprachlich als "heilige Kuh" bezeichnet. Doch oft schwingt in dieser Aussprache auch etwas Spöttisches, ja sogar Arrogantes mit. Denn mit dem Begriff "heilige Kuh" werden durchweg Themen tabuisiert, die nach mehrheitlicher Meinung zu Unrecht unter besonderem Schutz stehen. Noch heute kommt sie also zum Vorschein, die christlich-polemische Sicht tiergestaltiger Götter. Denn seit dem 1. Jahrhundert vor Christus hat sich bis heute nicht viel an der Haltung von Israeliten und Christen verändert.

Noch immer lächeln wir über diese kuriosen Formen tierischer Verehrung. Wir finden es befremdlich, wenn ein Hindu, der kaum genug zu essen für sich und seine Familie aufbringt, das Wenige auch noch mit den heiligen Tieren teilt. Doch ist es nicht noch kurioser, wenn man dem geliebten Vierbeiner das vitaminreiche Menü mit einem Petersilienblatt serviert und andererseits massenhaft industriell "erzeugte" Tiere isst?

Quelle: Planet Wissen