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Mutterkorn | Roggenkrankheiten

Mutterkorn | Pilzkrankheiten Roggen | proplanta.de

Mutterkorn

Claviceps purpurea

Schadbild


Während der Blütezeit entstehen an einzelnen Fruchtständen gelbliche, klebrige Tropfen (Honigtau). Auffälliger ist dann die Bildung von dunkel-violetten, hornförmigen Mutterkörnern, die sich anstelle von Körnern entwickeln. Ihre Größe reicht von wenigen mm bis zu 6 cm. Das Innere der Mutterkörner ist erst knorpelig weich, später steinhart und weiß.


Biologie des Schaderregers

Die Entwicklung von C. purpurea geht von Sklerotien aus, die im Spätsommer während der Reife des Roggens und der Gräser ausfallen. Im Frühjahr bei Erwärmung des Bodens keimen die Mutterkörner aus. Hierbei bilden sich Fruchtkörper (Perithecienstromata), die aus „Stielen und Köpfchen“ bestehen. In diesen „Köpfchen“ lagern die Perithecien (Fruchtkörper). Nach zwei Wochen entwickeln sich in ihnen Asci (Sporenschläuche) mit Ascosporen; letztere werden herausgeschleudert und mit Luftströmungen fortgetragen.

Gelangen die Ascosporen auf Narben frühblühender Gräser, so keimen sie dort aus und lösen erste Infektionen aus (Primärinfektion). Am Fruchtknotengrund der befallenen Gräserblüten bildet sich verdichtetes Myzel mit Konidien. Dabei entsteht Honigtau, der aus einer zuckerhaltigen Flüssigkeit und Konidien besteht. Mit dem Honigtau werden die Konidien des Erregers durch Regen und von Insekten auf blühende Roggenpflanzen getragen. Es kommt dann zur Sekundärinfektion. Anschließend setzt auch dort die Honigtaubildung ein und nach wenigen Tagen bilden sich Mutterkörner.

Mutterkorn kommt unter den Getreidearten bei dem fremdbefruchteten Roggen am häufigsten vor. Der Grund hierfür ist, dass Roggen länger „offen“ blüht. Dadurch können Konidien des Erregers C. purpurea leicht auf Narben der Roggenblüten gelangen und eine Infektion auslösen. Der Wirtspflanzenkreis ist sehr groß, die meisten Wirtspflanzen sind allerdings Gräser.

Verbreitung


C. purpurea kommt weltweit in den Roggenanbaugebieten vor.


Bedeutung

In den letzten Jahren hat das Auftreten des Mutterkorns vor allem im Hybridroggenanbau zugenommen. Schäden entstehen weniger durch Ertragsverluste als vielmehr durch den Mutterkornbesatz im Erntegut.
Mutterkörner im Konsum- und Futtergetreide können in Abhängigkeit vom darin enthaltenen Anteil aufgrund des Alkaloidgehaltes für Mensch und Tier gefährlich werden. Aus diesem Grund ist eine fachgerechte Reinigung des Roggenerntegutes unerlässlich. Zum Schutz für den Verbraucher wurden Höchstgrenzen des Gehaltes an Mutterkorn im Konsum- und Futtergetreide festgelegt.


Bekämpfung


Da eine direkte Bekämpfung nach wie vor nicht möglich ist, muss durch die Sortenwahl und pflanzenbauliche Maßnahmen Einfluss auf eine möglichst kurze, homogene Blüte genommen werden:

-  Verwendung von Z-Saatgut
-  Saubere Pflugfurche bei Roggen nach Roggen
-  Anbau von Sorten mit höherem Pollenbildungsvermögen, in besonderen Extremlagen
   Anbau von Populationsroggen (haben generell höhere Pollenmengen)
-  Vermeidung von Zwiewuchs (Fahrgassen breit genug anlegen, Vorgewende nicht 
   unnötig befahren)
-  Vorsichtiger Einsatz von Wachstumsreglern auf leichten Böden und bei Trockenstress


Anmerkungen


Das Mutterkorn enthält etwa 30 Alkaloide (Ergotalakloide), die in vier Gruppen unterteilt werden: Lysergsäuren, einfache Lysergsäureamide, Ergopeptine und Clavine. Der Gehalt im Mutterkorn liegt  etwa zwischen 0,2 - 1 % der Trockenmasse.

Tödlich für einen Erwachsenen sind 5 - 10 g Mutterkorn. Geringere Mengen waren im Mittelalter oft die Ursache für die „Kribbelkrankheit“: nervöse, krampfartige Zustände, Lähmung, Ohnmacht sowie das Absterben einzelner Gliedmaßen. Der Zusammenhang zwischen dem Verzehr von pilzbefallenem Getreide und den regional begrenzten Vergiftungserscheinungen wurde erst im 17. Jahrhundert entdeckt. Im Volksmund wurde die Seuche auch als „Antonius-Feuer“ oder auch ignis sacer - „heiliges Feuer“ bezeichnet. Vom Wort Ergot für Mutterkorn leitet sich der medizinische Name für eine Mutterkorn-Vergiftung ab: Ergotismus.

Wegen ihrer pharmakologischen Wirkungen werden einige Mutterkornalkaloide in der Medizin u. a. zur Behandlung von Migräne, Durchblutungsstörungen und der Parkinson-Krankheit sowie als Wehenmittel eingesetzt.

Auf der Basis der Mutterkornalkaloide entstand auch die heute wohl berühmteste Droge: das LSD. Im Rahmen von Arzneimittelforschungen und unter der Zielsetzung, ein Kreislaufstimulans zu entwickeln, synthetisierte Albert Hofmann 1938 verschiedene Amid-Derivate der Lysergsäure, darunter – als 25. Substanz dieser Versuchsreihe – das Diethylamid LSD-25.

Mutterkon auf einer RoggenähreBild vergrößern
Mutterkon auf einer Roggenähre