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Fragen und Antworten zum Milchpreis und Milchmarkt

Fragen und Antworten zum Milchpreis und Milchmarkt | proplanta.de


Welchen Stellenwert hat Milch für die deutsche Landwirtschaft?



Milch ist mit Abstand ihre wichtigste Einnahmequelle: Nach Angaben der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) entfielen 2007 von 45 Milliarden Euro Umsatz 9,7 Milliarden auf Milch, nur 6,5 Milliarden auf Getreide und 5,5 Milliarden Euro auf Schweine. Die rund 100.000 Milchbauern besitzen 4,1 Millionen Milchkühe, die 2007 28,4 Millionen Tonnen Milch produzierten. Jede Kuh gab durchschnittlich sieben Tonnen Milch, das waren 100 Kilo mehr als im Vorjahr. Damit ist Deutschland der größte Milchproduzent in der EU.

Wohin fließt die in Deutschland produzierte Milch?



Von den 28,4 Millionen Tonnen Milch blieben in 2007 1,1 Millionen Tonnen bei den Bauern. 27,3 Millionen Tonnen lieferten sie an die Molkereien. Diese kauften im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Tonnen Milch im Ausland dazu, so dass sie eine Gesamtmenge von 28,7 Millionen Tonnen verarbeiteten. Davon gingen wieder 44 Prozenz ( 12,6 Millionen Tonnen) in den Export und 40 Prozent (11,5 Millionen Tonnen) an den Einzelhandel. 16 Prozent (4,6 Millionen Tonnen) wurden von der weiterverarbeitenden Industrie, dem Ernährungsgewerbe sowie von Großverbrauchern abgenommen.

Wieviel Milch konsumieren die Deutschen?



Nach Angaben des Milchindustrieverbandes verbrauchten die Deutschen im vergangenen Jahr 16,1 Millionen Tonnen Milch aus der Inlandsproduktion. Weitere zehn Millionen Tonnen Milchprodukte kamen aus dem Ausland. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Milch lag damit 2007 bei 64,5 Litern. Zudem konsumierte jeder Deutsche im Schnitt 22 Kilogramm Käse, 17,5 Kilogramm Joghurt, 13,5 Kilo weitere Sauermilch- und Milchmischgetränke, 7,7 Kilo Sahne und Sahneerzeugnisse sowie 6,4 Kilogramm Butter.

Was ist die Milchquote?



Mit der Milchquote beschränkt die EU die in den 27 Mitgliedsländern produzierte Milch. Seit April beträgt sie 145 Millionen Tonnen. Jedem Milchbauern wird eine bestimmte Quote zugeteilt. In Deutschland registrieren die Molkereien die abgelieferten Mengen. Die Milchquote in der EU soll 2015 wegfallen.

Die Misere der deutschen Milchbauern reicht zurück bis in die Anfänge der europäischen Agrarpolitik. In den 1960er Jahren beschloss die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die Schwankungen des Milchpreises auf dem Weltmarkt abzufedern und das Einkommen der heimischen Bauern zu sichern, indem sie ihnen einen bestimmten Grundpreis für ihre Milch garantierte. Das verleitete die Landwirte dazu, zu viel Milch zu produzieren. 1984 setzte die Europäische Union deshalb eine Obergrenze für die Produktion fest.

Mit der sogenannten Milchquote wollte man die als «Milchseen» und «Butterberge» gefürchteten Überschüsse in den Griff bekommen. Seit Jahren versucht die EU, den europäischen Milchmarkt zu öffnen. Die EU-Kommission sieht in Europa und vor allem auf anderen Kontinenten wie Asien eine steigende Nachfrage nach Milchprodukten. Deshalb hat die Staatengemeinschaft beschlossen, die Milchquote bis März 2015 auslaufen zu lassen. Bis dahin soll sie schrittweise erhöht werden.

Die deutschen Milchbauern wehren sich gegen die Erhöhung. Sie fürchten, dass die Milchpreise weiter sinken, wenn das Angebot steigt. Im vergangenen Mai und Juni hatten die Landwirte mit einem Milchlieferstopp vorübergehend höhere Preise durchgesetzt. Seither sind die Milchpreise jedoch wieder gesunken. Nach Angaben der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) fielen die Erzeugerpreise im Februar auf durchschnittlich 24,4 Cent pro Kilogramm Milch - und damit auf einen historischen Tiefstand. Die Bauern geben ihre Produktionskosten mit rund 40 Cent pro Liter an.

Was ist die sogenannte Saldierung?



Die Molkereien addieren die abgelieferten Mengen und machen zum Jahresende eine Rechnung auf: Wenn die Lieferungen insgesamt im Rahmen der Quote blieben, brauchen Bauern, die ihre eigene Quote wesentlich überschritten haben, keine Sanktionen befürchten. Ist die Quote jedoch insgesamt überschritten, werden 15 bis 18 Cent je zu viel geliefertem Kilo Milch fällig. Dieses Verfahren wird als Saldierung der Milchquote bezeichnet. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert die Abschaffung der Saldierung.

Welche Folge hätte die Abschaffung der Saldierung der Milchquote?



Verbandschef Romuald Schaber hofft, dass die Bauern dann ihre Produktion besser den Absatzmöglichkeiten der Molkereien anpassen können. Jeder Bauer wüsste exakt, wie viel er abliefern dürfte und dass er für jedes zu viel gelieferte Kilo zahlen müsste. Eine Abschaffung der Saldierung wäre also ein Instrument der Selbstdisziplinierung der Bauern. Außerdem würde das Überangebot an Milch abgebaut, was - so die Hoffnung - zu steigenden Erzeugerpreisen führen würde. Umstritten ist, ob ein solcher Schritt mit EU-Recht vereinbar ist. Während der BDM die Ansicht vertritt, das EU-Recht lasse nationale Regelungen zu, argumentiert der Milchindustrie Verband, die Saldierung sei im EU-Recht fest verankert. Ein nationaler Alleingang würde demnach gegen geltendes Recht verstoßen und diejenigen Bauern zu Klagen ermuntern, die von der Saldierung profitiert haben.

Was ist der Umrechnungsfaktor für Milch?



Die Molkereien rechnen die angelieferte Milch in Kilogramm um - allerdings nicht im Verhältnis 1:1. Da jeder Liter Milch unterschiedlich viel wiegt (was zum Beispiel vom Fettgehalt abhängt), legen die Molkereien einen Umrechnungsfaktor von 1,02 zu Grunde. Ein Liter Milch wird von ihnen also als 1,02 Kilogramm verrechnet und entsprechend vergütet. In anderen EU-Ländern ist aber ein Umrechnungsfaktor von 1,03 üblich.

Die Milchbauern kritisieren, dass sie ein Prozent mehr produzieren müssen, um auf dasselbe Milchgeld zu kommen wie ihre Kollegen in anderen EU-Staaten. Sie fordern deshalb eine Anhebung des Faktors in Deutschland. Die Bauern würden dadurch mehr Geld für die gleiche Menge Milch bekommen und könnten weniger produzieren. Allerdings könnte nach Einschätzung des Milchindustrie Verbands die Anhebung des Faktors dazu führen, dass Brüssel die Milchquote für Deutschland anhebt mit der Folge, dass mehr Milch auf den Markt käme. Dieses Szenario hält auch der BDM nicht für unwahrscheinlich, meint aber, dass dann immerhin ein realistischer Umrechnungsfaktor gegeben wäre.

Was könnte ein Milchfonds bewirken?



Der Deutsche Bauernverband und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer fordern von der EU die Einrichtung eines Milchfonds. Er soll von der EU mit 300 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet werden und nach dem Wegfall der Milchquoten im Jahr 2015 diejenigen Bauern unterstützen, die unter besonders schwierigen Bedingungen wirtschaften.

Der BDM lehnt dieses Modell ab, weil es auf dem Einsatz öffentlicher Gelder fußt. Statt dessen plädieren die Milchbauern für ein Umlagemodell, mit dem kurzfristige Ausweitungen des Milchangebots aufgefangen werden sollen. Jeder Milchbauer soll demnach 0,5 Cent pro Liter Milch in einen Topf zahlen, aus dem Bauern für einen vorübergehenden Produktionsverzicht entschädigt würden. Der Milchindustrie Verband warnt aber, dass 0,5 Cent nicht ausreichen würden. Er errechnet eine Gesamtsumme von 140 Millionen Euro. Allerdings versteht der BDM sein Modell nur als Instrument zur Feinsteuerung - nicht für den dauerhaften Einsatz.

Wie wird sich der Wegfall der Milchquote auswirken?



Agrarexperten sind sich einig, dass der Wegfall der Milchquote zu einer Konzentration im Molkereiwesen führen wird. Derzeit gibt es in Deutschland 101 Molkereien. Außerdem dürften die Position vor allem der Kleinbauern gegenüber den Molkereien und dem Handel weiter geschwächt werden. Größere Milchproduzenten dürften dagegen vom Wegfall der Quote profitieren.

Wo stehen die Milchpreise?



Die Molkereien rechnen laut ZMP zur Mitte des Folgemonats mit ihren Lieferanten ab: Mitte Juli 2008 wurde für die Juni-Milch im Durchschnitt aller Bundesländer 32,9 Cent je Liter gezahlt, das waren fast drei Cent mehr als im Vorjahr und 0,3 Cent mehr als im Vormonat. Weil die Kühe in den Sommermonaten die meiste Milch geben, sinken die Preise tendenziell. Von Juli an ist dann erfahrungsgemäß wieder mit steigenden Preisen zu rechnen. Im November sind die Milch-Erzeugerpreise in der Regel am höchsten.

Wie entsteht der Milchpreis?



Die Preise, die die Kunden für die Tüte Milch im Supermarkt bezahlen, hängen nicht - wie bei anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen - von Großmarktpreisen ab. Vielmehr handeln die Handelsketten mit den Molkereien die Preise aus. Ihnen, den großen Discountern und Lebensmittelketten, wird der Vorwurf gemacht, ihre Macht gegenüber den Molkereien auszuspielen und die Preise immer weiter zu drücken.

Vom Milchpreis, den die Verbraucher im Supermarkt bezahlen, bekommen die rund 90.000 deutschen Milchbauern weniger als die Hälfte. Etwa 13 Prozent entfallen auf die Molkereien, 11,5 Prozent auf die Verpackung und rund 10 Prozent auf den Einzelhandel. Weitere Kosten verursachen Logistik, Lagerung, Grüner Punkt und Mehrwertsteuer.

Wie kam es zum Lieferboykott der Milchbauern?



Im April 2008 hob die EU die Milchquote um zwei Prozent an. Zugleich kam es zu einer neuen Runde im Preiswettbewerb zwischen den Discountern. Mehrere Ketten senkten den Preis für den Liter Milch um zwölf Cent. Dies brachte bei den Bauern das Fass zum Überlaufen. Sie verwiesen auf deutlich gestiegenen Kosten zum Beispiel für Futter- und Düngemittel sowie für Energie.

Um diese Preissenkungen zu verhindern, boykottierten die Milchbauern zehn Tage lang die Molkereien. Zu Beginn des Lieferboykotts lag der Milchpreis regional unterschiedlich zwischen 27 und 35 Cent pro Liter. Der BDM forderte einen Literpreis von mindestens 43 Cent. Der Boykott endete, als sich einige Handelsriesen bereiterklärten bereit, den Verkaufspreis für einen Liter Milch um zehn Cent anzuheben und einige Molkereien höhere Preise für die Erzeuger ankündigten. Zwar liegt der Erzeugerpreis im Schnitt weiterhin auf dem Niveau vor dem Streik. Der BDM wertet es aber als Erfolg, die Preissenkungen abgewendet und ''Effekte erzielt'' zu haben.

Quelle: dpa/ZMP/Tagesschau