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Praxissemester in Kenia | Auslandserfahrungen im Agrarbereich

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Praxissemester in Kenia
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Titel:

Praxissemester in Kenia

Beschreibung:

Man könnte es als jugendlichen Leichtsinn ansehen, warum sich bei mir der Wunsch entfachte nach Afrika zu fahren…nachdem ich mit einem Auslandsjahr in Neuseeland und Australien nach dem Abitur schon meinen bis dahin größten Traum erfüllt hatte, stellte sich die Frage, was nun als nächstes auf meiner Liste stehen sollte. Kleine Abstecher in Europa während der Ferien reichten mir nicht mehr aus und ich verspürte den Drang in meinem Praxissemester etwas ganz Besonderes zu erleben - etwas ganz anderes als bisher.

Nachdem ich bis jetzt hauptsächlich westliche Länder besucht hatte, versprach ich mir von einem Entwicklungshilfeprojekt in Afrika wieder viele Dinge wertschätzen zu lernen, die mir im Alltag so selbstverständlich waren. Ich wollte eine neue Challenge, einer ganz anderen Art wie ich es bisher von anderen Auslandsaufenthalten gewohnt war – und die sollte ich auch bekommen…!

Ich hatte mich nicht festgelegt auf Kenia, sondern ich war auf der Suche nach einem interessanten Projekt irgendwo in Afrika, am besten in einem englischsprachigen Land, da ich mir keine überausgroße neue Sprachbarriere zumuten wollte, um auch einen möglichst guten Praktikumsbericht an meiner Hochschule abliefern zu können.

Letztendlich endete ich auf der Seite der GTZ – Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (heute Teil der GIZ). Hier konnte ich mir viele landwirtschaftliche Entwicklungsprojekte online anschauen und in Kenia fand ich ein besonders großes Entwicklungshilfepotential im Bereich Landwirtschaft. Ich bewarb mich online und nach ca. 2 Monaten rechnete ich schon nicht mehr mit einer Antwort. Doch ein Anruf überraschte mich und schnell war klar, dass ich 3 Monate meines 5 monatigen Praxissemesters in Kenia verbringen würde.

Die Projektabteilung eines Biogasanlagenprojekts brauchte mich als Praktikantin und ich konnte mir noch nicht vorstellen, wie meine Arbeit genau aussehen würde…relativ blauäugig flog ich schließlich nach 2 Monaten Praktikum auf einem Milchviehbetrieb an der Nordsee Ende September nach Nairobi. Ich wusste, dass man hier Englisch spricht, dass wohl alles etwas anders laufen würde, als man es bei uns gewohnt ist, dass man nachts als Weißer nicht allein auf die Straße sollte – aber viel mehr wusste ich nicht.

Schon bei der Ankunft mitten in der Nacht wurde klar, dass hier alles etwas anders läuft. Ich wurde abgeholt und würde erstmal bei einem meiner deutschen Chefs im Haus und einer weiteren deutschen Praktikantin unterkommen. In Nairobi war jedes Haus umzäunt mit mindestens 2 Meter hohen Zäunen und der Nachtwächter ließ uns herein. Direkt am nächsten Tag sollte ich meinen Arbeitsplatz kennen lernen, ein Hochhaus mitten in der City Nairobis – erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich hier wohl die ganzen nächsten 3 Monate auffallen würde – sofort spürte ich Blicke auf mir ruhen – umgeben von Dunkelhäutigen war ich eine Attraktion, speziell als weiße Frau.

In den ersten Wochen fiel es mir sehr schwer mich daran zu gewöhnen – alle kenianischen Mitarbeiter im Büro waren unheimlich herzlich, doch es fiel schwer sich einzufinden, in eine so fremde und ganz andere Kultur. Ich musste schnell erkennen, dass Englisch zwar offiziell Amtssprache war, aber ohne Swahili war ich oftmals ausgeschlossen aus den Gesprächen der Einheimischen. Auch mich in mein Projekt einzufinden, war zu Beginn problematisch – die Kommunikation war schwierig, das Konzept nicht ganz klar.

Die GTZ baut kleine Festdombiogasanlagen für Kleinbauern in Kenia, schon seit mehr als 5 Jahren und meine Aufgabe sollte es sein, die Funktion und Geldeinsparung, sowie den Gewinn an Komfort zu beurteilen. Erstmal konnte ich mir die Biogasanlagen jedoch gar nicht vorstellen, beziehungsweise habe ich sie mir ähnlich wie in Deutschland vorgestellt, womit ich jedoch völlig daneben lag. Kenia ist kein Staat wie Namibia, wo viele Farmen von Einwanderern geführt werden und somit teilweise relativ europäisch gestaltet sind.

Kenia ist ein durchweg afrikanisches Land geblieben, mit einer kleinbäuerlichen Struktur. Ein, zwei Kühe oder Ziegen hat auf dem Dorf fast jeder im `Garten` stehen. Und eine der GTZ-Biogasanlagen kann auch schon ab drei Kühen gebaut werden…hier wird nur der Kuhdung in der Biogasanlage verwertet, alles andere wäre viel zu kostbar. Die Kühe werden normalerweise in kleineren Schuppen gehalten, der Kuhdung täglich aufgesammelt, mit Wasser vermischt, die Gärreste im Garten und auf dem Feld als Dünger und das Gas als Energieträger genutzt. Doch die Frage, die sich mir in meinem europäischen Leichtsinn stellte, war: was soll solch eine kleine Biogasanlage schon groß bringen?

Doch während meiner wiederholten Besuche auf den zehn Farmen, die ich in meinem Projekt berücksichtigen sollte, wird schnell klar, dass in diesem Land kleine Fortschritte große Wirkung zeigen. Das Gas hilft vor allem beim Kochen – anstatt mit Feuerholz und Holzkohle mehrere Stunden während des Kochens die Häuser und Blechhütten einzuräuchern, muss nun nur noch ein Gashahn aufgedreht werden und schon kann in einer sauberen Umgebung gekocht werden, wann immer es gerade nötig ist.

Arbeiter können sich schnell mal mit warmem Wasser waschen, Schulkinder sitzen nicht mehr in einer verrauchten Schulküche, Hütten können beleuchtet werden, Raum- und Kükenwärmer können mit dem Gas betrieben werden und bei größeren Anlagen, kann ein kleiner Motor angetrieben werden um zum Beispiel das Häckseln des Schilfgrases für die Kühe zu erledigen. Schnell wurde mir klar, dass es hier um ganz andere Dinge geht als in Deutschland und das Gefühl mit so wenig, so vieles tun zu können, gab mir viel Motivation für das Projekt.

Doch genauso groß wie die Begeisterung war auch die unvermeidbare Problematik. Denn selten gab es eine Farm wo alles nach Plan lief. Zum Beispiel werden Anlagen nur unregelmäßig befüllt, der Vorteil des Biogases nur unzulänglich ausgenutzt und selbst nach langen Gesprächen mit den Einheimischen, unendlosen Erklärungen und Zustimmungen, erlebte ich schnell das zwiegespaltene Gefühl eines wohl jeden Entwicklungshelfers. Die Schwierigkeit ist nicht die Hilfe dorthin zu bringen wo sie gebraucht wird, sondern den Leuten letztendlich nahezubringen damit umzugehen.

Auch meine Stellung als `Mzungu` (=Weiße) wurde mir vor allem bewusst, als meine zwei deutschen Chefs zu einem einwöchigen Kongress in Südafrika waren. Plötzlich war ich die Anlaufstelle für Fragen, obwohl ich gerade erst seit vier Wochen im Land war. Auch die Arbeitsbereitschaft und Organisationsfähigkeit im Büro ließ nach, sobald kein `Mzungu` gewisse Leistungen forderte.

Gelassenheit war gefragt, wenn es darum ging sich Ausreden anzuhören für missglückte Organisationen zu Farmbesuchen - denn hier ist es in der kenianischen Kultur vor allem wichtig Konflikte zu vermeiden. So habe ich auch einmal mehr als drei Stunden auf einen Kenianer in der Stadt gewartet um später feststellen zu müssen, dass er das Buch, um das es eigentlich ging, nicht dabei hatte - darüber muss man lächeln. Genauso ist es normal, wenn plötzlich lebende Hühner, an den Beinen zusammen gebunden, in einem völlig überfüllten Bus, entlang einer Schotterpiste unter deinen Sitz gestopft werden - da heißt es einfach: wer hier leben will, muss die Kultur verinnerlichen, die einfach so ganz anders ist als wir es in Europa kennen.

Nach den ersten Wochen der Eingewöhnung habe ich es auch geschafft, meinen Weg zu finden, mit dieser ganz anderen Welt zurecht zu kommen und zusammen mit meinem kenianischen Mitarbeiter an meinem Projekt zu arbeiten. Gasmessungen wurden gemacht, die Anlagenfütterung überwacht und immer wieder kleinere und größere Probleme auf den Farmen beiseite geschafft.

Mittlerweile war ich die einzige deutsche Praktikantin im Büro und wohnte bei einer Kenianerin und ihrer Tochter. Hier fühlte ich mich sehr wohl und genoss es, mehr von der kenianischen Kultur mitzubekommen. Vor allem sind die Kenianer stolz auf ihr Essen, darüber kann man als Europäer nur schmunzeln, denn wir sind eine sehr viel abwechslungsreichere Küche gewohnt. Was jedoch unvermeidlich ist, ist in einer ´butchery` zu essen – hier hängt das Fleisch hinter einem sonnenbestrahltem Schaufenster umgeben von Fliegen und in solchen Situationen dachte ich mir schonmal: `wenn jetzt Jemand zu Hause wüsste was ich hier gerade esse…`.

Nachdem ich mich an das Autofahren und die stundenlangen Staus in Nairobi gewöhnt hatte, genoss ich es mehr als alles andere, weder Ampeln noch sonstige Verkehrsregeln zu beachten, denn im Straßenverkehr Nairobis zählen keine Regeln, sondern nur das Überleben. Unendlich viele Leute entlang der Straße, lautes Gehupe, Verkäufer, zahlreiche Matatus (Kleinbusse), hier springt mal jemand aus dem Bus, da jemand auf die Straße…

Fast jedes Wochenende wurde ein Trip geplant, mit anderen Europäern, die ich in Nairobi kennengelernt hatte. Meist ging es zu einem der nahegelegenen Nationalparks, wo man dann auch schon mal im Nichts in einer Blechhütte übernachten musste, da selbst mit dem Landrover kein Durchkommen durch die Schlammwege möglich mehr war. Die Wochenendausflüge zeigten die Schönheit des trockenen, steppenartigen Landes und der afrikanischen Tierwelt, aber auch die Armut und den unendlichen Müll.

Ein Besuch in Kibera, dem größten Slum Nairobis, war eine ganz besondere Erfahrung. Selten habe ich Menschen so gelassen, zufrieden und herzlich erlebt. Menschen die nichts haben, außer ihre winzige Hütte, umgeben von tausend anderen, in einem stinkenden Slum, wo vor allem Gewalt und Drogen das Leben beherrschen. Davon könnte sich unsereiner wohl manchmal eine Scheibe abschneiden und mir selbst, hat die Zeit in Kenia geholfen, die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen und viele unscheinbare Dinge im Leben wieder wertzuschätzen. Ich möchte diese Erfahrung nicht mehr missen und habe das Gefühl, dass mir die Zeit in Kenia sehr viel mitgegeben hat, woran ich mein ganzes Leben lang zurückdenken werde.

 

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Auslanderfahrung Entwicklungshilfe Biogas Praxissemester Kenia Ausland Auslanderfahrung im Agrarbereich
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