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   25.01.2022 

Baustelle Abgeltungssteuer: Wird sie abgeschafft oder doch nicht?

Sie sollte der Vereinfachung dienen und wurde doch immer wieder angepasst: die pauschale Abgeltungssteuer, die auf sämtliche Dividenden, Kursgewinne und Zinserträge direkt von der Bank an den Fiskus abgeführt wird.

Abschaffung der Abgeltungssteuer
Baustelle Abgeltungssteuer: Wird sie abgeschafft – oder doch nicht? (c) proplanta
Seit der letzten Änderung, die über den Solidaritätszuschlag hinaus auch die Erhebung der Kirchensteuer auf die Abgeltungssteuer vorsah, wuchs jedoch der Druck, das gesamte Konstrukt wieder abzuschaffen. Wo wird die Reise hingehen?

Die Abgeltungssteuer – große Vorteile für Besserverdienende

Bis zum Jahr 2009 mussten Dividenden, Kursgewinne und Zinserträge wie Einkommen versteuert werden, es wurde also der persönliche Einkommensteuersatz angesetzt. Und die Summen sind durchaus erheblich: Allein von den 30 DAX-Unternehmen wurden im Jahr 2021 rund 34,3 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet. Derartige Erträge mussten von den Begünstigten im Rahmen der Einkommensteuer anhand relevanter Belege abgerechnet werden.

Mit der seit 2009 geltenden Regelung zur Abgeltungssteuer verlagerte sich dieser Aufwand in Richtung Banken: Diese führen seither die pauschale Steuer in Höhe von 25 Prozent als Quellensteuer direkt an das zuständige Finanzamt ab, was für Anleger und Sparer naturgemäß eine erhebliche Vereinfachung darstellt. Vor allem aber können Besserverdienende profitieren: Statt des in der Regel deutlich höheren individuellen Steuersatzes werden diese Einkünfte im Vergleich günstiger versteuert.

Und genau dieser Punkt war und ist vielen Protagonisten ein Dorn im Auge, denn insbesondere für die niedrigeren Einkommensgruppen haben Sparen und Altersvorsorge eine größere Bedeutung. Sparer und Anleger können einerseits den Sparerpauschbetrag nutzen, um die anfallende Abgeltungssteuer per Freistellungsauftrag von vornherein zu umgehen, andererseits können sie sich die Differenz zwischen niedrigerem Einkommensteuersatz und pauschaler Abgeltungssteuer nachträglich im Zuge der Steuererklärung erstatten lassen.

Das Umdenken – wichtigster Grund für Abgeltungssteuer weggefallen

Mit der Einführung der Abgeltungssteuer einhergehenden Vereinfachungen und Vorteile für Besserverdienende sollten ursprünglich vor allem die Großanleger dazu animiert werden, ihr Anlagevermögen, statt in Steueroasen hier in Deutschland zu versteuern – frei nach dem vom damaligen Finanzminister Steinbrück ausgegebenen Motto: Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix. Doch seither haben sich die Rahmenbedingungen gravierend verändert: Steuerdaten werden heute grenzüberschreitend ausgetauscht, mehr als 100 Staaten haben sich dazu bereit erklärt, eine neue weltumspannende Transparenz zu schaffen. Damit haben deutsche Finanzbehörden auch Zugriff auf die Kontodaten im Ausland, was den Sonderweg Abgeltungssteuer eigentlich überflüssig machen würde. Aber: Wird dann die Uhr zurückgedreht – gelten also die alten Regeln wieder?

Alte vs. neue Regeln – ein Vergleich

Vor der Einführung der Abgeltungssteuer konnten Anleger und Sparer verschiedene Instrumente nutzen, um ihre Steuerlast zu optimieren:

Sparerfreibetrag

Mit 750 Euro Freibetrag auf Sparerträge und den zusätzlichen 51 Euro Werbekostenpauschale konnten Anleger und Sparer bis 2009 ebenfalls 801 Euro ansetzen - hier hat sich unter dem Strich nichts geändert.

Freigrenze

Darüber hinaus konnten sie für Spekulationsgewinne eine Freigrenze von 512 Euro ausschöpfen, im Jahr 2008 stieg diese Freigrenze auf 600 Euro: Veräußerungsgewinne aus den Verkäufen von Aktien oder Fondsanteilen blieben bis zu diesen Beträgen beispielsweise steuerfrei. Überstiegen die Spekulationsgewinne diese Grenze, musste der gesamte Betrag versteuert werden.

Spekulationsfrist

Behielten Anleger Aktien oder Fondsanteile über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr im Depot, konnten sie diese anschließend steuerfrei veräußern.

Halbeinkünfteverfahren

Seit 2001 konnten vor allem Anleger von diesem Verfahren profitieren, die in eine Kapitalgesellschaft investiert hatten, wie zum Beispiel mit Aktien: Da die Kapitalgesellschaft bereits besteuert wurde, waren Gewinne aus Aktienverkäufen innerhalb der Spekulationsfrist nicht zu 100 Prozent zu versteuern, sondern nur zu 50 Prozent. Im Gegenzug ließen sich aber auch eventuelle Verluste zur hälftig absetzen.

Bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen der alten Regeln muss also differenziert werden: Setzen Sparer auf Produkte wie Tages- und Festgeld, Sparbuch oder Sparbrief, ist die Abgeltungssteuer in der Regel besser – die 25 Prozent werden meist vom individuellen Steuersatz übertroffen. Umfasst eine Anlagestrategie jedoch unterschiedliche Wertpapiere wie Aktien oder Fondsanteile, eröffnen Freigrenze, Spekulationsfrist und Halbeinkünfteverfahren interessantere Gestaltungsmöglichkeiten.

Quo vadis – was ist künftig zu erwarten?

Es mag logisch erscheinen, dass Kapitalerträge nicht höher besteuert werden, als dies bei menschlicher Arbeit der Fall ist. Doch bei den Abwägungen um die Abschaffung der Abgeltungssteuer sollte nicht vergessen werden, dass es insbesondere bei Aktien um Firmenkapital geht. Im Gegensatz zu Zinserträgen, die seit geraumer Zeit nur noch für Großanleger attraktiv sind, erreichen sowohl Dividenden als auch Aktienkurse lukrative Höhen. Derzeit gibt es noch keine Anhaltspunkte dafür, was genau nach einer Abschaffung der Abgeltungssteuer kommen könnte: 

  • Muss wieder der individuelle Steuersatz zugrunde gelegt werden?
  • Werden Instrumente wie das Halbeinkünfteverfahren auch künftig wieder greifen?
  • Wird der Sparerpauschbetrag angehoben?

Es sind also noch viele Fragen offen, auch wenn es bereits Anzeichen gibt, dass der Sparerpauschbetrag im Jahr 2023 steigen soll. Fakt ist, die Wiedereinführung der alten Regeln ohne Vergünstigungen würde dem Großteil der Sparer und Anleger zum Nachteil gereichen. Angesichts der Probleme der privaten Altersversorgung wäre dies kontraproduktiv. Sollten jedoch Pläne zur unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der einzelnen Kapitaleinkünfte umgesetzt werden, dann wird die gesamte Besteuerung statt einfach wieder deutlich komplexer. Keine einfache Aufgabe, die die neue Regierung nun anpacken muss. (Pd)

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Kommentare 
Filou schrieb am 26.10.2022 21:29 Uhrzustimmen(0) widersprechen(0)
Seit 2021 ist die Beteuerung von Termingeschäften sehr viel komplexer geworden und damit bedeutsamer weil Banken zu Wettbüros mutiert sind.